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31. 7. 1888

lf. Nr.

Aussteller

Tante Louise

Empfänger

Kinder A.

Meine lieben Kinder!
Heute erst komme ich dazu, Euch für Eure lieben, theilnehmenden Zeilen zu danken. Aber in den letzten paar Wochen lebte ich in fortwährender Hetzeund fühle nun so recht drängend das Bedürfnis nach Ruhe. Durch meinen Mann habt ihr, meine Lieben, wohl die Geburt unseres lieben Herzensbaby ersehen, aber nur in Kürze. Ich will nun etwas ausführlicher schreiben und mittheilen, waß Euch interessieren kann.
Am 15. Morgen, nachdem wir den Abend vorher alle ganz fröhlich im Stadt….. zusammen waren, kam Karl’s Köchin mit einem Briefchen von Karl, worin er mich dringend bat, nur gleich zu kommen, indem sehr ernstliche Anzeichen wären, daß die Katastrophe (sic) bald eintreten würde. Ich eilte hin und fand wirklich alles so, daß wir unser liebes Enkerl noch im Laufe des Tages erwarten konnten. Leider verzögerte es sich aber Stunde um Stunde, die arme Lili hat furchtbar aber heldenmüthig gelitten, und erst um ¾ 12 Uhr Nachts erblickte unser liebes Baby das Licht der Welt!
Wie glücklich wir waren, als alles überstanden war, könnt ihr euch denken. Ich blieb 7 Tage u. Nächte bei der Wöchnerin, und an den ersten par Tagen, ehe es Gewißheit war, daß Lili nicht selbst stillen konnte u. wir eine Amme bekamen, war das Kindchen ausschließlich meiner Pflege überlaßen. Mit schwerem Herzen übergab ich das ….. kleine Wesen einer sehr guten Amme, aber die vollen 3 Tage blieb das Kind doch unter meiner Obsorge. Meine liebe Lili hat sich sehr bald erholt, so daß am 10. Tag die Taufe sein konnte. Die kleine heißt Carla (Caroline) und da alles so glatt u. wie am Schnürchen ging, konnten wir am 11. Tag Wien verlassen und hieher reisen, da mir der Arzt für meinen Muskelrhuematismus, der mich den Winter sehr geplagt, dringend den Gebrauch der Bäder in Gastein angerathen hat.
Wir reisten am 26. Abend 10 Uhr von Wien ab mit dem Expreß Zug und waren um 6 Uhr Morgens im Land u. um 9 Uhr hier in meinem geliebten Gastein. Wie leid es mir gethan, daß wir euch nicht sehen konnten, kann ich gar nicht sagen, aber mein Mann wollte wegen der großen Hitze bei Nacht reisen u. sich gar nirgend aufhalten.
Hier wohnen wir wieder im Hôtel Müller und haben auch einige Bekannte von vor zwei Jahren gefunden, unter Anderen auch die Familie Baron Viver(?), die so herzlich und liebevoll von dir, mein Soferl, sprechen, daß ich meine helle Freude drann habe. Berthe klagt mir, daß sie dir zwei mal geschrieben, aber keine Antwort von dir bekommen habe. Der arme Baron Viver sieht elend aus und soll auch sehr leiden, er ist ….. . Auch unser guter Dr. Wick spricht mit großer Verehrung von dir, mein theures Kind!
Dein armer Neffe Watzka(?) ist recht elend und hat uns viele Sorge gemacht. Er hat schon seit 10 Wochen so heftige Gichtschmerzen Anfälle, daß er ganz gelähmt war. Er ist im Offizier Spital, wo wir ihn oft besucht haben. Der Arme ist ganz kleinmüthig. Er wollte diesen Sommer eine schöne Reise machen bis Hamurg u. Koppenhagen; nun wäre er froh, wenn er so weit wäre, daß er nach Baden [könnte], um dort die Bäder zu gebrauchen. Bei unserer Abreise war er aber Gottlob schon viel besser.
Ich freue mich für Heyden’s, daß Eugen auch die Katastrophe glücklich überstanden hat und daß das Kindchen ein Knabe ist: Besonders Eduard wird sehr erfreut und ganz stolz sein. Gott erhalte Mutter u. Kind.
Nun habe ich das Versäumte redlich eingebracht und euch tüchtig vorgeschwazt. Onkel grüßt euch alle recht herzlich, ebenso
Eure treu u. innig liebende Tante Louise.
Onkel Heinrich u. Tante Grimburg unseren herzlichsten Dank und viele Grüße.

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