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Versuch einer Lebensbeschreibung meiner selbst

Früheste Jugend in Scheibbs Am 18. September 1879 erblickte ich zu Scheibbs in Niederösterreich, wo mein Papa Steuerinspektor war, das Licht der Welt. Wenn ich mich an spätere Angaben recht erinnere, war dies noch in dem kleinen Häuschen am Ortsrande, das meine Eltern mit dem dazugehörigen Garten gemietet hatten; später in der Zeit aus der mir schwache Erinnerungen verblieben sind, wohnten wir aber in einem Eckhause, gegenüber einem mit Blech gedeckten ..got(?), in einer Mietwohnung im ersten oder zweiten Stockwerke. Von dieser habe ich noch in Erinnerung ein geräumiges Vorhaus, ein großes Eckzimmer und ein schmales Zimmer, in dem neben der Tür ein Diwan oder Sofa stand, an dessen Ziernägel ich mir einmal, ich glaube im Spiel vor meinem um 2 ½ Jahre älteren Bruder Heinrich flüchtend, ein Loch in den Kopf schlug. Ein zweites Ereignis aus dieser ersten Zeit ist, dass wir vom Fenster aus einen Maskenzug beobachteten, an dessen Details ich mich aber nicht mehr erinnern kann, wohl aber an den später durch Erzählung aufgefrischten Vorgang, dass Papa bei dieser Gelegenheit von unten einen Schneeball an unser Fenster warf. Auch kann ich mich sehr verschwommen erinnern, dass mehr Personen, als bloß die Eltern um uns waren, was sich auf die zeitweilige Anwesenheit meiner Tante Marie von Anthoine beziehen dürfte, die von 1877 bis 1880 ihrer Schwester, meiner Mama, hilfreich zur Seite stand. Von Örtlichkeiten erinnere ich mich noch an ein Tor mit einem Obst-, vielleicht auch Brot- und Zuckerwerkstand einer Frau Hikisch, an einen Garten mit einem großen Lusthaus und Turngeräten – ich glaube bei Notars – und endlich an einen großen Berg im Hintergrunde der Landschaft, der wohl kein anderer als der Ötscher sein kann. Auf Spaziergängen kamen wir mit Papa an den Hammerwerken vorbei, deren schäumende Wasser er uns mit dem Zitat zeigte: „…und es wallet und siedet und brauset und zischt“, das ich noch gut in diesem Zusammenhang in Erinnerung habe. Wann wir Scheibbs verließen, weiß ich nicht genau, da dies jedoch mit einer Veränderung in der dienstlichen Verwendung von Papa in Zusammenhang stand, dürfte es im Juni oder Juli 1883 gewesen sein. Wir brachten dann in Linz den Sommer und den Winter, in dem Heinrich die 1. Volksschulklasse besuchte, also 1883/84 zu. Im Frühjahr 1884 kamen wir nach Baden und im Mai 1885 nach Wien. Vom Scheibbser Aufenthalt möchte ich nur noch erwähnen, dass in diese Zeit ein großes Erdbeben fiel, von dem mir später erzählt wurde, dass es den Rauchfang einstürzte, was der Köchin am Herd ein Nervenfieber verursachte; dass ferner der frische Anwurf von der Zimmerdecke auf die neuen politierten Möbel fiel und dort viel Unheil anrichtete (die rote Rips(?)garnitur wird übrigens späteren Mitteilungen nach bis auf den ovalen Tisch, der sich noch bei uns befindet, beim Umzug von Scheibbs dort verkauft). Papa befand sich mit Mama eben auf einer Besuchsfahrt und war im Begriffe im Garten der Villa Almási aus dem Wagen zu steigen, so dass er vom Trittbrett fiel, wie uns auch öfter erzählt wurde. Es dürfte sich dieses Erdbeben aber noch vor meiner Geburt ereignet haben. In Linz traten zum ersten Male die Anverwandten meiner Mama bewusst in meinen Gesichtskreis. [S. 13] Zunächst waren dies jedoch nicht die väterlichen Verwandten – den Großvater ausgenommen –, wohl aber die mütterlichen. Hatten sie sich schon Mama in Scheibbs hilfreich gezeigt, wobei es allerdings zu einem Konflikt zwischen Papa und Tante Marie gekommen zu sein scheint, wie ich späteren Andeutungen entnehmen konnte, so nahm in Linz Mama mit uns zunächst bei ihren Schwestern, die alle drei gemeinsam in der Hafnerstraße 33 im ersten Stock wohnten, Quartier, bis wir in der Nähe eine passende Wohnung gefunden hatten und auch Papa, der damals in den zeitlichen Ruhestand versetzt war, nachkam. Ich erinnere mich noch recht gut des einstöckigen Häuschens mit den stuckierten Strahlenkreuzen auf den Feldern unter den Fenstern in der Hafnerstraße, das übrigens noch steht. Wir wohnten einige Schritte weiter in dem einzigen mehrstöckigen Hause in derselben Straßenfront, im Foltzhause, im Hochparterre. Die Tanten hatten eine alte, fast zwergenhafte Bedienerin, Die „kleine Marie“, an die ich mich auch aus dieser Zeit noch erinnere. Einmal, als wir mit ihr zu einem in der Nähe vorbeikommenden Leichenbegängnisse eines hohen Militärs eilten – wobei mir der „eiserne Ritter“ besonders imponierte – rissen wir beide das alte Weiblein um und lagen schließlich alle drei am Boden. Auch erinnere ich mich aus dieser Zeit des Besuches einer der nach Ungarn verheirateten Hayden’schen Verwandten mit ihrem Sohn (oder Neffen) Gyula Farkas, ein sehr kräftig entwickelter, blondgelockter Knabe, der sich schon sehr viel auf seine ungarische Nationalität zugute tat und das Sprüchel fleißig gebrauchte: „Starkèr Ungar, schwacher Daitscher!“. Wir spielten mit ihm bei den Tanten „Fürchtet ihr den schwarzen Mann“ und Ähnliches. Ich habe früher Grimburgs erwähnt [Anm: in einer gestrichenen Passage].Tante Grimburg war eine Schwester meiner Großmutter aus der Schidenhofen’schen Familie. Außer ihr sind an Geschwistern der Großmutter noch besonders zu bemerken die Onkels Joachim und Heinrich, die als alte Junggesellen auf der Promenade mitsammen eine schöne Wohnung innehatten, wo sich auch ein Papagei befand, der uns Kinder besonders interessierte. Ob die Erinnerung an diesen aber auch aus dieser ersten Linzer Zeit oder einer späteren stammt, vermag ich nicht genau zu sagen. Onkel Heinrich war der Vormund der Tanten und früher auch meiner Mama gewesen und war sozusagen der Chef des Hauses. Er war auch mein und Heinrichs Taufpathe, und erhielten wir zum Taufgeschenk je zwei schöne alte Salzburger Dukaten, denn die von Schidenhofen zu Stumm, ursprünglich ein Tiroler Adelsgeschlecht, … waren durch Generationen als erste Beamte in Diensten des Salzburgischen Hochstiftes gestanden und auch dort zu Triebenbach bei Lauffen begütert gewesen, nachdem der Stammsitz Stumm im Zillertal 1746 II 27 an die Grafen Spaur übergegangen war. Da sich die persönlichen Erinnerungen aus dieser Zeit durchwegs an wenn auch an und für sich bedeutungslose Ereignisse klammern, kann ich mich aus dieser Zeit an die übrigen Linzer Verwandten , auch an meinen Großvater Marckhgott, die „Löffler Tanten“ usw. Nicht erinnern und will daher ihrer auch erst später eingehender Erwähnung tun. In diese Zeit fällt der Schulbesuchsbeginn meines Bruders Heinrich, der Herbst 1883 in die Kronprinz-Rudolf-Schule in der Baumbachstraße zu dem tüchtigen alten Lehrer und späteren Direktor dieser Schule Stupöck kam. Ich beschäftigte mich viel mit „zeichnen“, vielmehr krizzeln, wobei man in mir ein – wie sich später zeigte allerdings nicht vorhandenes – Talent zu dieser Kunst erblicken zu können glaubte, was jedenfalls für meine spätere Mittelschulwahl auch mitentscheidend war. Das Frühjahr brachte uns viele Krankheiten, besonders die Steinblattern und anschließend den Keuchhusten. Die übliche „Luftveränderung“ ergab sich für mich von selbst, indem ich mit Mama Papa in seinen neuen Dienstort Baden bei Wien folgte, wohin er zu Weihnachten als Steuerinspektor ernannt worden war. Von dieser Reise ist mir eine große Stiege auf irgendeinem Bahnhof – jedenfalls St. Pölten – in Erinnerung. Heinrich blieb der Schule wegen zunächst in Linz, kam dann mit Tante Johanna zu Haydens nach Dorff und erst im Herbst nach Baden. [Baden] Wir hatten dort anfangs ein möbliertes Zimmer in Weikertsdorf in der Nähe der Doblhoffschen Maierei inne und ist mir von unserer nächsten Umgebung nur eine Jüdin – ich glaube auch mit einem Buben oder Mädel in meinem Alter – erinnerlich. Hingegen hat sich die durch die Stadt fließende Schwechat meinem Gedächtnisse ganz gut eingeprägt, auch, dass wir einmal in einem Schwefelbade waren – ich glaube mit einer der Tanten – ist mir so halb und halb in Erinnerung. Gut erinnere ich mich an die Naturschönheiten des Helenentahls, an denen sich besonders meine Mama erfreute, die eine sehr schwache Gesundheit hatte. Früh begleiteten wir Papa ins Büro und gingen in einen Kaffeehausgarten frühstücken, dessen Brioche-Bäckereien noch heute – besonders jetzt in der Zeit des Kriegsbrotes – mir den Mund wässern machen. Inzwischen hatten die Eltern im Hause des jüdischen Möbelfabrikanten Kohn in der Wörthgasse eine schöne Hochparterrewohnung gefunden. Rückwärts an das Haus stieß der große Weichselgarten zur Gewinnung des Materials für die „gebogenen Möbel“; vor dem Haus war die übrigens nur mit niedrigen Häuschen bebaute Gasse ziemlich breit und auf der anderen Seite Floss dieselbe entlang ein Bach. Links war man bald aus der Stadt, es waren dort große Materialgruben vom Bahnbau her; rechts ein paar Schritte vom Hause kreuzte die Palffygasse, die gegen vorne zur Bahn, nach rückwärts in die Stadt führte und in der ich ein damals neugebautes Haus, bei dem entweder glasierte Dachziegel oder Majolikaplatten als Wandverzierung mein besonderes Interesse erweckten, in Erinnerung habe. Durch diese Gasse führte auch Heinrichs Schulweg, der hier die zweite Volksschulklasse besuchte. Mama war sehr kränklich und ging selten, niemals allein, aus; ich war ihr ständiger Begleiter und darum wusste ich auch bald in den Kaufgeschäften Bescheid, so dass ich öfter allein geschickt wurde, etwas zu holen; allerdings kaufte ich dabei einmal „auf Tuff“ Ostereier ein und ein anderes Mal Schloss ich mich bei einer solchen Gelegenheit den Hausmeisterkindern an, die ihrem Vater, der Bahnwärter nächst der Haltestelle Pfaffstätten war, etwas zu bringen hatten, wodurch ich mehrere Stunden ausblieb, was natürlich zuhause Angst und Sorgen hervorrief; Papa empfing mich mit dem Staberl, aber Mama setzte mir hernach eine große Schale gut eingebröckelten Kaffee vor. Mama war längere Zeit bettlägerig und zu dieser Zeit Tante Marie zu ihrer Pflege und mehr noch zu unserer Wartung hier. Wir machten mit ihr u. a. den schönen Ausflug nach der Ruine Rauhenegg, wo es uns besonders begeisterte, dass wir uns ins Gedenkbuch eintragen lassen durften. Zuhause mussten wir uns hübsch ruhig verhalten, welchem Zwecke unter anderem auch ein Wettrennspiel diente, dem wir uns gerne hingaben und im übrigen waren wir beide fleißig im krizeln(?), so dass wir – von Mama wurden uns schon teilweise französische Brocken beigebracht – fleißig mit der Bitte bei ihr erschienen: „Je vous prie, donnez moi du papier“. Papa war viel auf Kommissionen und wusste dann von den großen Industriewerken im Bezirke viel zu erzählen; besonders die Berndorfer Metallwarenfabril, von der er einen schönen illustrierten Katalog mitbrachte, erregte unsere Aufmerksamkeit. Papa hatte einen Plan von Baden und Umgebung und ich erinnere michdaran noch, wie ich diesem das erste Verständnis von Kartenlesen abgewann.

[Wien] Schon im nächsten Frühjahr erreichte Papa seine Versetzung nach Wien und wurde am 24. 4. 1885 in Baden enthoben. Während der Übersiedlung dorthin zum Maitermin wohnten wir in Baden einen oder ein paar Tage im Hôtel zum Hirschen und dort kann ich mich erinnern, dass mein Bruder Bögen zum ausmalen und Wasserfarben erhielt. In Wien bezogen wir im Esslbaurschen Hause, Ecke Rüdiger- und Grüngasse im V. Bezirk eine Wohnung im 1. Stock, die recht schön aussah, aber, wie sich später herausstellte, verwanzt war. Damals war einmal gegen Abend in der Rüdigergasse ein großer Auflauf; man sah von dort die Türme der Mariahilf- (Barnabiten)kirche und zwischen diesen zeigte sich an jenem Abend eine dunkle Figur wie ein Mann, der gerätscht zwischen beiden Türmen über der Kirche steht; es wurde später auch in der Zeitung davon geschrieben und die Sache glaube ich aufgeklärt, wie, darauf kann ich mich nicht mehr besinnen. Einmal machten wir mit Papa per Fiaker einen Ausflug nach Schönbrunn, ich glaube aber Mama fuhr nicht mit, weil sie sich immer vor Verkühlungen in Acht nehmen musste. Da ich später öfter nach Schönbrunn kam, ist der erste Eindruck naturgemäß verwischt, in meinem Gedächtnis haftet nur der Augenblick, wo wir vor dem Hause hocherfreut in den Wagen stiegen. Besonders gut gefiel mir die Feuerwehr, die einmal bei einem festlichen Anlass in Parade mit weißen Rosshaarbuschen auf den Helmen durch die Grüngasse fuhr. Doch bald kamen wieder Krankheiten. Einmal erschien eine Badnerin – ich glaube die dortige Wäscherin – und brachte Kirschen, über die ich mit Heinrich in Streit geriet, der in eine Rauferei ausartete, für die Heinrich zur Strafe zuhause bleiben musste, während ich mit Papa nachmittags mit der Pferdebahn in den Prater fahren durfte, der mir ausnehmend gefiel, besonders natürlich der Wurstelprater mit den Ringelspielen und das abendliche Treiben in den Restaurationsgärten. Wir verspäteten uns etwas und als wir endlich auch den Praterstern kamen, war der Andrang zu den Pferdebahnwägen so groß, dass es aussichtlos war unterzukommen. Nun fuhren gerade die Margarethener Wägen bis zu den „Bädern“ bei der Reichsbrücke und so fuhren wir mit einem solchen Wagen hinaus und konnten dort in der Endstation umkehren. Der Wagen war aber auch der letzte und steckte die blaue Laterne auf. Wir kamen erst um Mitternacht zu Hause an, wo wir von Mama in höchster Angst und Aufregung erwartet wurden. Ich wurde gleich zu Bett gebracht und hatte nun einen Traum, der mich damals durch Jahre hindurch verfolgte und mir auch jetzt noch in seinen Einzelheiten fast ungeschwächt in Erinnerung geblieben ist. In der Grüngasse uns gegenüber befand sich das Kaufmannsgeschäft Reichel und vor diesem am Rande des Trottoirs ein Auslaufbrunnen, wie sie damals, als die Wiener Wasserleitung erst im Einführen begriffen war, fast an allen Straßenkreuzungen standen. Mit träumte nun, dass ich im Eckzimmer war und beim Brunnen unten etwas sah – was kann ich mich nicht mehr entsinnen, ich weiß nicht: entweder winkte mir eine Person, die einen Korb am Arm trug, oder ich sah sie verfolgt und wollte ihr zu Hilfe kommen – das mich veranlasste, den Rock ausziehend hemdärmlich hinabzulaufen. Nun verwandelte sich aber dort eine der Gestalten in eine Hexe, ein altes Weib mit Fledermausflügeln, und rannte mir um den Brunnen herum immer nach, bis ich in größter Angst und Erschöpfung in den Armen meiner besorgten Mama erwachte, die mir mitteilte, dass ich hohes Fieber habe und eben fantasiert hätte. Es stellte sich nachher heraus, dass nicht der Praterausflug daran Schuld war, sondern dass die Masern bei mir ausbrachen. Da inzwischen ohnehin das Schuljahr zu Ende ging – oder schon zu Ende war – wurde Heinrich wieder zu den Tanten nach Linz gebracht, wo er indes an Scharlach erkrankte, von welcher Kinderkrankheit ich verschont blieb. Meine Masern nahmen, soviel ich weiß, einen normalen Verlauf; in der Rekonvaleszenz machte mir Papa (vielleicht zu meinem Namenstag?) ein schönes Schiff mit Takelage, mit dem ich lange gerne spielte. Auch traten damals die „Münchner Bilderbogen“ u. zw. besonders die Märchendarstellungen in meinen Gesichtskreis. Dann erkrankte noch unser Dienstmädchen am Rotlauf und ich erinnere mich, dass es wegen der damals eben erst in ihren Anfängen im Einführungsstadium befindlichen Krankenversicherung und der Desinfektion manche Scherereien gab. Auch der Wohnungswechsel wurde, der Wanzen wegen, die sich von der Nachbarwohnung den Weg zu uns bahnten, beschlossen und ich erinnere mich noch gut der Wohnungssuche, wobei eine Wohnung im Hochparterre eines neugebauten Hauses in der Zeindlhofergasse, gegenüber der Grüngassen-Volksschule, und die von den Eltern tatsächlich gewählte Wohnung in dem Hause Ecke Wehrgasse u. Grüngasse besonders in engere Wahl kamen, wobei wohl die Miete, für erstere 500, für letztere 400 fl jährlich, den Ausschlag gab. Es handelte sich in beiden Fällen um 2 Zimmer, Vorraum, Kabinet (Dienstbotenzimmer) und Küche, woraus man sich ein Bild von der damaligen Höhe der Mietpreise in Wien machen kann – in Linz war der Preis gleichwertiger Wohnungen vor dem Kriege, also 20 Jahre später, noch lange nicht so hoch. Das Haus in der Wehrgasse war ein älteres, zweistöckiges Haus mit Garten und gehörte einer der ersten Fleischhauerfamilien Wiens, Karl Weißenberger, die ihre Betriebsstätte im Schlachthaus und ihren Verkauf in der Detailmarkthalle nächst der Gartenbaugesellschaft hatte. Es waren mehrere Söhne und Töchter da, von denen der jüngste, ein Jahr jünger als ich, nun durch viele Jahre mein Gespiele werden sollte. Die Familie pflegte die Nachmittage bei schönem Wetter im Garten zuzubringen, wo Rudi ein Zelt mit seinen Spielsachen (und dem unentbehrlichen Geschirr) hatte. Dieses herrliche Spielnest imponierte mir natürlich mächtig, als ich Papa zum Abschluss der Miete dorthin begleitete. Die Wohnung war im November zu beziehen.

[Schuleintritt] Vorher trat jedoch ein allerdings selbstverständliches Ereignis ein, das eigentlich einen neuen Lebensabschnitt bedeutet: ich kam Mitte September in die Schule. Es waren zwei große, vierstöckige Gebäude hintereinander in der Grüngasse 15, der Straßentrakt für Mädchen, der Hoftrakt für Knaben. Es waren große Klassen mit 80 bis 100 Schülern. Ich bekam einen jungen, wenn ich mich recht erinnere jüdischen Lehrer, Moriz Schwarz, der ganz nett war; häufig – wahrscheinlich zu den jüdischen Feiertagen – half der Direktor Schuster aus, ein älterer, etwas umfangreicher, barscher Herr. Es war ziemlich am Anfang, als uns dieser einmal erklärte, dass man sich erhitzt nicht die Kleider aufreißen sollte, was ich gleich ….(?) an mir probierte, wofür ich mich hinausstellen musste, was mir sehr peinlich war. An die Person des Katecheten erinnere ich mich nicht mehr. Ein Schulgottesdienst bestand nicht. An Sonntagen ging Mama gerne mit mir in die Mariahilfer Kirche, wo eine schöne Kirchenmusik war. Auch sonst richteten sich unsere Spaziergänge meist dorthin, wo ein öffentlicher Garten, der Esterhazi-Park, war, den Mama gerne mit uns aufsuchte und wohin der Weg über den Magdalenensteg und dann durch den Ratzenstadel führte, ein langer Hofraum mit vielen Stiegen am Hange des Mariahilfer Berges, eingesäumt von lauter unregelmäßigen, ebenerdigen, uralten Häuschen. Überhaupt gab es damals auch in Margarethen noch viele ebenerdige Häuschen; so war das Gasthaus zum ABC an der Ecke der Wildenmann- und Margarethenstraße ein solches, noch ein uralter, ländlicher Einkehrgasthof, übrigens mit einem schattigen, gemütlichen Gastgarten, wo wir einigemale hinkamen. Der „Margarethenhof“ mit dem Terrassenkafée war damals eben im Baue. Auch an der Mündung der Wildenmanngasse in die Hundturm- (heute Schönbrunner)straße war ein ausgedehntes Parterregebäude. In dieser Zeit besuchte uns auch Tante Johanna einmal, wahrscheinlich als sie Heinrich zurückbrachte. Ich durfte sie bei ihrem Besuch bei Onkel Karl, dem alten General, begleiten, der auf der Landstraße in der Löwengasse wohnte, und lernte dort auch T. Louise (Ludowika geb. von Schatzberg, Onkel Karls zweite Gemahlin) kennen, die später als Witwe in unserer Nähe wohnte und eigentlich die einzige mütterliche Verwandte war, mit der wir in Wien Verkehr hatten. Von jenem Besuche erinnere ich mich noch, dass wir dort speisten, wobei mir ein Karottengericht besonders schmeckte, und dass mir der alte Onkel, der übrigens zu meiner Enttäuschung Zivil trug, trotzdem mächtig imponierte. Ich glaube, ich war in späteren Jahren noch einmal mit Mama dort. Der Onkel starb im Jahr 1889, 92 Jahre alt, nachdem er vorher noch mit 90 Jahren eine Lungenentzündung überstanden hatte. Ich glaube übrigens, dass ich ihn inzwischen auch einmal noch in Linz im Jahre 1887 bei den Tanten, die er auf der Durchreise besuchte, gesehen habe. [Rand: 12. 9. 1918]

[neue Wohnung] Im November übersiedelten wir in die neue Wohnung. Sie war sehr einfach, die Böden zum Reiben (bzw. in einem Zimmer ein längst nicht mehr eingelassener Parkettboden), die Wände einfach gefärbelt. Dazu unser auch ziemlich dürftiges Mobilar – die schönen Sachen waren beim Scheiden von Scheibbs verkauft worden – macht die Wohnung in der Erinnerung auf mich eine ziemlich armseligen Eindruck. Damals merkte ich das allerdings kaum, umso weniger, als ich ja fast nirgends hinkam. Die „Hausherrnfamilie“ hatte den Gebrauch, den Sonntagnachmittag auswärts in Gesellschaft zuzubringen und so hatten wir bald Rudi zu unserem fast allabendlichen Spielgefährten, wozu er seine Bleisoldaten und Baukasten, wir unsern kleinen Baukasten beisteuerten. Ich erinnere mich aus dieser Zeit auch, dass ich einige Mal zu einem jüdischen Schulkameraden Arthur Maier kam, wo dessen großer Bruder Edmund mit einigen Freunden uns mit einem Pappfigurentheater – ich habe speziell eine Lumpazivagabundus-Aufführung im Gedächtnis – unterhielten. Dieser Arthur Meier ist aber dann wegen Übersiedlung in einen anderen Bezirk aus unserem Gesichtskreise verschwunden. Zu Weihnachten – ich glaube, es vollzog sich damals schon ohne die Illusion vom „Christkinderl“ – wenige Jahre später putzte ich mir sogar den Baum selber auf – erhielten wir von Papa aus Papier und Karton hergestellte Kostüme: Heinrich ein Königsgewand mit einer Krone, ich einen Harnisch, mit welchen Sachen wir eine große Freude hatten. Auch uns machte Papa eine solche Bühne, doch haben wir soviel ich mich erinnern kann nicht viel oder doch wenigstens nicht ordentlich damit gespielt. Im Frühjahr gingen wir in die verschiedenen Gärten – die Beserlparks von Wien, Esterhazigarten und – schon fast ein Ausflug – Schwarzenbergpark. Damals war in Wien der 1. Mai noch ohne politischen Anspruch ein schulfreier Tag und an diesem Tag fand alljährlich der Wiener Blumenkorso statt. Auch unsere Hausherrenfamilie beteiligte sich mit ihrer Equipage, die mit Flieder aus dem eigenen Garten reich geziert war. Zum Sommer fuhr Heinrich – ich glaube in Begleitung der Cousine Marie, der ältesten Tochter des Onkel Franz, die aber größtenteils bei Riederer in Innsbruck war und auch damals dorthin fuhr und die ich bei dieser Gelegenheit das erstemal sah – nach Linz. Onkel Heinrich hatte den Tanten eine Sommerfrische spendiert und dorthin sollte auch Heinrich mitkommen, der überhaupt etwas schwächlich und im Wachstum stark zurück war, so dass ich ihn schon um diese Zeit an Körpergröße überholte; nannte mich doch schon in der 2ten Klasse, wenn ich mit Heinrichs Lehrer Kubitschek zusammenkam, dieser den großen kleinen Marckhgott. In den fürstlich starhembergischen Schlössern waren damals sehr wohlfeile, gut eingerichtete Sommerquartiere zu haben, und ein solches war auch Schloss Haus bei Wartberg im unteren Mühlviertel an der Linz-Budweiser Bahn, das die Tanten für den Sommer 1886 wählten. Wer Heinrich zurückbrachte, kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte die Ferien mit Mama mit fleißigem Besuch der früher genannten Gärten zugebracht. An größere Ereignisse kann ich mich nicht erinnern.

[2. Klasse] In der 2. Klasse bekam ich einen sehr alten, gütigen Lehrer Robich. Das Klassenzimmer lag neben der Direktionskanzlei und ich wurde ausersehen, wenn der Direktor etwas brauchte – einen Gang in eine Klasse, um etwas zu holen, zu überbringen oder auszurichten – auf seinen Wink – er steckte nur den Kopf zur Türe herein – hinüberzukommen und lief dann im ganzen Hause herum, was mir großen Spaß machte. Bei solchen Gelegenheiten pflegte insbesonders Heinrichs Lehrer Kubitschek – der mit einem dunkelblonden Matratzenbart einen sehr imposanten Eindruck machte – wie schon oben bemerkt, seine Scherze mit mir zu machen, die sich unter anderem auch auf unsere beginnenden Französischkenntnisse bezogen, was mir in Erinnerung ruft, dass sich Mama sehr Mühe gab, uns frühzeitig die Anfangsgründe des Französischen, das sie selbst vollk. beherrschte, beizubringen. Die „Education maternelle“ von Mme. Aimable Tartu(?), Paris 18.., spielte dabei eine große Rolle und manche Bilder dieser schönen Fibel sind mir noch von damals im Gedächtnis. [Anm.: Weihnachten s. Seite 31]. Heinrich lernte, glaube ich, ziemlich leicht, war aber auch zerstreut und ging besonders aufs Lesen – alles andere daneben vernachlässigend – so las er schon damals in der 4. Volksschulklasse „Die Räuber“, obwohl Papa den Schiller ganz hinten im Kasten versteckt hatte. Er pflegte uns sonst häufig aus den Gedichten vorzulesen, für die ich von dorther eine unwandelbare Begeisterung mit mir trage. Besonders groß war aber meine Zerstreutheit, so dass sich Mama mit aller Energie meiner Nachhilfe widmen musste – infolge derer ich natürlich ein guter Schüler war und blieb – bis auf Schreiben, das meiner schweren Hand nie recht gelingen wollte. So kam es, dass Mama glaubte, die Erziehung zweier Buben – besonders angesichts der bevorstehenden Studien – nicht bewältigen zu können – Papa war den ganzen Tag im Amt – und so kam Heinrich zum letzten Volksschuljahr 1887/88 zu den Tanten nach Linz. Ob damals schon Seitenstetten in Erwägung gezogen wurde, weiß ich nicht; ich kann mich daran erinnern, dass davon viel die Rede war, auch ein Prospekt einlief – ich glaube aber eher, dass das später war, als Heinrich wieder von den Tanten fort sollte. Aus diesem Schuljahr habe ich noch eine erste politische Erinnerung nachzutragen. Eines schönen Morgens vor Schulbeginn läutete es an unserer Tür und zum großen Erstaunen stand Lehrer Kubitschek draußen. Es kam als Agitator für den liberalen Candidaten, der glaube ich der Bezirksschulinspektor Huber war. Wie die Wahl ausfiel und was sich sonst dabei ereignete, ist mir nicht erinnerlich, habe ich wohl damals auch nicht beachtet. Zu den Ferien 1887 fuhr also diesmal Mama mit uns beiden nach Linz; nach einem kurzen, gänzlich verregneten Aufenthalt in Pulgarn, wo wir mit Tante Marie im Gasthaus in einem feuchten Zimmer wohnten, blieben wir in Linz bei den Tanten; öfter gingen wir Kinder mit Mama über den ganzen Tag auf den Riesenhof. Ich erinnere mich, dass auch einmal Tante Grimburg mit Onkel Anton, Amalie und deren Kindern herauskam. Ferner an ein Waldfest, das stattfand und zu dem auch Großvater Marckhgott kam, der mit dem Besitzer des Riesenhofes, Veicht, gut bekannt war. Papa kam auch einmal – möglichweise am Schlusse uns abholen. Die Tanten wohnten damals nicht mehr in der Hafnergasse, , sondern Steingasse 14 im zweiten Stock. Das Haus gehörte dem Domkapellmeister und Komponisten Waldek, der dort mit seiner Schwester Frl. Kathi wohnte. Außerdem wohnten im Hause Baronin Sonnenstein und ihre Verwandte, eine Baronin Henninger, dann eine Frau v. Turba mit denen die Tanten lebhaften Verkehr – wenigstens später – unterhielten. Ich erinnere mich auch, dass, als wir einmal von einem Spaziergang heimkamen, Papa, der inzwischen angekommen war, sich hinter einer spanischen Wand versteckt hatte, um uns zu überraschen. Während seiner Anwesenheit machten wir auch einen Ausflug auf den Pöstlingberg, mit einer Jausenrast in der Waldlichtung hinter der Kapelle beim Schableder – jetzt ist dort durch die Bahn und neue Straße alles verändert, der rechte (obere) Wald ist überhaupt weg. Der herrliche Blick, der sich von dort ins Donautal bietet, auch die ganze Szene, wie wir dort auf der Waldblöße lagerten, ist mir noch ungeschwächt im Gedächtnis. Nach Wien zurückgekehrt fühlte ich großes Heimweh nach meinem Bruder Heinrich. Ich übersiedelte nunmehr aus dem in der Mitte des Zimmers gestandenen Gitterbett in das große Bett und habe dort in der ersten Nacht unbemerkt geweint.

[3. Klasse] In der 3ten Klasse bekam ich einen sehr tüchtigen Lehrer, den ich bis zum Schlusse der Volksschule behielt, Jakob Weukmann. Anfangs hatte ich kein rechts Glück bei ihm, später aber gelang es mir – oder vielmehr Mamas Nachhilfe – dass ich wieder unter die Ersten vorrückte, nachdem auch ein Vierer im Schreiben (bei fünfstufiger Notenskala) ausgebessert war. Aus der Zeit kann ich mich auch auf den Katecheten erinnern, ich glaube es war ein anderer als in den früheren Jahren. Es war der Kaplan Riva der Margarethener Pfarre. Vor allem sagte er uns, wir sollten unsere Eltern bitten, ein Waisenkind aufzunehmen nämlich durch Bestellung der Zeitschrift „Das Waisenkind“ des Wiener Waisenhilfsvereines, welchem Wunsch auch meine Eltern nachkamen. Dadurch wurde auch der Glücksradkalender durch Jahre unser Hauskalender. Ich habe die Überzeugung, dass durch diese erste Berührung mit der christlichen Presse und dem christlichen Vereinsleben grundlegend an meiner Gesinnungsbildung mitgewirkt hat, selbstverständlich unter der klugen pädagogischen Führung meiner Mama, die sich nicht nur dieses günstigen Erziehungsbehelfes zu bedienen, sondern selbst die liberale Zeitung das „Illustrierte Wr. Extrablatt“, das wir hatten, mit seinen Schaudergeschichten und Romanen lehrhaft auszuwerten wusste. Katechet Riva war übrigens ein sogenannter „Hetzkaplan“. Mein Papa als strammer liberaler Parteimann kam einmal hocherfreut heim mit der Zeitung, dass jener wegen einer Ehrenbeleidigung des Direktors der Mädchenschule verurteilt worden war, was mir wieder meine Mama so klug auszulegen wusste, dass ich weder an der Autorität des Katecheten wankend noch auch mit irgendwelchen Bedenken gegen die Gesinnung meines Papa erfüllt wurde. Später kam ich selbst einmal in Konflikt mit diesem Katecheten; er fragte – ich weiß nicht mehr in welchem Zusammenhange, es war aber keine Prüfung vorausgegangen – und ich antwortete, das dürfe er nicht, wodurch er sich schwer beleidigt fühlte; ich musste dann später nach Intervention des Lehrers Wenkmann in die andere Klasse hinübergehen und um Verzeihung bitten. Ich kann mich zu wenig mehr erinnern auf die Details, aber ich weiß, dass ich damals ein sehr ausgesprochenes Gefühl erlittenen Unrechts hatte. Ob und inwieweit auch die Eltern von der Angelegenheit Kenntnis erhielten und dazu Stellung nahmen , ist mir nicht mehr erinnerlich. Ich glaube aber, dass ich es wieder dem Einflusse meiner guten Mama zu danken hatte, dass die Sache keine schädliche Rückwirkung auf meine Gesinnungsbildung hatte. Ob sich alle diese Ereignisse gerade in den 3ten Klasse abgespielt haben, kann ich nicht sagen; überhaupt vermischen sich die Volksschulerinnerungen der 3 letzten Jahre so ziemlich. Im Frühjahr 1888 – ich kann mich noch gut erinnern, es war am Tage der Enthüllung des Maria Theresia Denkmals, einem Sonntag – wurde ich mit dem Dienstmädchen in den Schwarzenberggarten geschickt. Meine Mama war wahrscheinlich wieder zu kränklich um auszugehen. Aus welchem Grunde Papa, der sonst am Sonntag häufig mit mir zu gehen pflegte, nicht konnte weiß ich nicht. Wahrscheinlich durch einen kühlen Wassertrunk dort in der Grotte hinter dem großen Teich – der mir mit seinen Schwänen und Enten besonders gut in Erinnerung ist – zog ich mir eine Verkühlung zu, für die der Arzt – ein jüdischer Doktor Groß – nach kurzer Dauer sehr dringend Luftveränderung empfahl, was umso gelegener kam, als uns die Tante eben – infolge Onkel Heinrichs neuerlicher Widmung einer Sommerfrische – nach Riedegg bei Gallneukirchen, auch einem Starhembergischen Schloss, einluden. Mama ließ nun zum Zwecke der Schulbesuchsbefreiung den Bezirksarzt Dr. Hickl kommen, doch konstatierte dieser eine Lungenentzündung und nahm vorerst deren Behandlung in die Hand. Um den 20. Mai fuhren wir dann nach Linz und von dort im Wagen nach Riedegg. Es war eine sehr schöne Fahrt, ich erinnere mich noch gut, wie wir vom Hause in der Steingasse wegfuhren; dann an das große Interesse, das mir die mehrmalige Berührung der halbverfallenen Trace der ehemaligen Pferdebahn Linz – Budweis verursachte. Heinrich hatte schon früher uns von Riedegg, das er mit den Tanten besichtigt hatte, geschrieben und dem Brief ein ganz gelungen farbige Skizze beigelegt.

[Ferienaufenthalt Riedegg] Das Schloss mit der mächtigen Linde davor und mit der anstoßenden ausgedehnten Ruine, mit der es immer im Hofe noch durch die Freitreppe zusammenhing, machte mir einen großen Eindruck. Bei schönem Wetter hielten wir uns viel in dem hochaufgemauerten Obstgarten auf, in dem sich auch ein kleines, aber wenn ich mich recht erinnere nicht benutztes Lusthäuschen befand. Der Platz unter der Linde war der Hornisse wegen, die in den Aushöhlungen des alten Stammes hausten, nicht sehr einladend. Vormittag gingen wir in den Meierhof am Fuße des Burghügels Milch trinken und dann im Walde spazieren. Dort wuchs viel Erika und meine Vorliebe für diese Waldblume stammt von daher. Häufig oder meistens gingen die Tanten mit uns; d. h. zuvorderst war Heinrich noch nicht da, er machte erst Mitte Juli in Linz die Aufnahmsprüfung ins Gymnasium und kam dann mit Tante Johanna nach; ich sehe die beiden heute noch im Wagen die Straße zum Schloss herauf fahren. Wenn ich mich recht erinnere, hat uns auch Papa einmal besucht. Einmal war an einem Nachmittag ein furchtbares Gewitter mit Hagelschlag; taubenei große Schlossen; an einem andern Tage ein abendliches Gewitter , bei dem vom Schlosse aus fünf Brände zu sehen waren. Letzteres war glaube ich am 15. August. Bei solchen Anlässen wussten wir aufstehen und es wurde das Nötigste gepackt, um gegebenenfalls das Haus sofort verlassen zu können. Tatsächlich ist ein paar Jahre später das Schloss durch Blitzschlag abgebrannt und auch die alte Linde hat ein Sturm zerschmettert. Zum ersten Mal beobachtete ich damals – man sah vom rückwärtigen Fenster gerade hinab – das Wogen der Ähren im Winde. Bei schönem Wetter durften wir an Sonntagen mit den Tanten nach Gallneukirchen in die Kirche gehen. In Oberndorf zwischen Gallneukirchen u. Riedegg, wo eine Spinnerei ist oder damals war, wohnte ein Arzt, mit dessen Frau die Tanten auf Besuchfuß standen. Für uns als Arzt kam aber Dr. Pokorny von Gallneukirchen in Betracht. Ich hatte damals häufig mit den Augen zu tun, ich glaube sogenannte Werren. Von Wien aus wurde ich als übersiedelt nach Linz abgemeldet, von dort aus gesucht und sollte dann in Gallneukirchen in die Schule gehen, was endlich durch mehrmaliges Hin- und Herschreiben, ein neues ärztliches Zeugnis und die freundliche Beihilfe des Fräuleins Cäcilia Waldegg, der zweiten Schwester des Tonkünstlers, die in Gallneukirchen Lehrerin war, geordnet wurde. Bei schlechtem Wetter spielten wir im leeren Seitentrakt. Die Sommerwohnung umfasste die ganze Vorderfront des Hauptgebäudes, im rückwärtigen Trakt war noch die Küche. Natürlich mussten wir auch lernen, und zwar unter der Leitung der Tante Sophie; ich speziell sollte das große 1 x 1 lernen und Mama zu ihrem Geburtstag (27. August) aufsagen, was mir sehr sauer wurde. Im Walde am rückwärtigen Hang des Schlosses fanden wir einmal ein ganz junges, wohl aus dem Nest gefallenes Eichhörnchen, das wir mit Milch und Brot aufzogen und das längere Zeit bei uns blieb, sich gerne in Taschen und Ärmeln verkroch und uns viel Unterhaltung bereitete; es machte auch Ausflüge, kehrte aber anfangs immer wieder zurück. Einmal blieb es aus; entweder hatte ihm die goldene Freiheit zu gut gefallen oder aber es war einem Raubvogel zum Opfer gefallen. Einigemale machten wir auch größere Ausflüge, so einmal nach St. Veit und Alberndorf. In der Familie des Försters Tuadochek(?), der die Aufsicht über das Schloss hatte, war ein etwa gleichaltriger Knabe, der uns aus Föhrenrinden Schiffchen schnitzte und glaube ich recht sympathisch war. Die Familie war sehr fromm. Der etwas kränkliche Förster hatte unter Radetzky Feldzüge in Italien mitgemacht und erzählte gerne von einer wunderbaren Begebenheit, bei der – glaube ich – Augenzeuge war, wo ein Marienbild bei einer mutwilligen Beschießung verschont blieb.

[4. Klasse] Mit Schluss der Ferien kehrte Mama mit mir nach Wien zurück. Ich kam in die vierte Klasse außer meinen Mitschülern, von denen ich die Namen König und Werner als der ersten von früher im Gedächtnis habe, tauchte damals auch einer auf, der bisher zu Hause Unterricht gehabt hatte, ein ganz feines zartes Bürschchen Litschauer mit Namen, der mir sehr gefiel, dem ich aber nicht näher kam. Von anderen Namen erinnere ich mich nur an Kastenhofer Josef und Anton, die aber nicht verwandt waren. Mit ersteren traf ich später beim Einjährigfreiwilligendienst zusammen. Auch ein Lichtblau befand sich in meiner Klasse und eine Klasse tiefer dessen Cousin; einer der beiden war Jude, welcher kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte die zweifelhafte Ehre, auch als Aufsicht aufgestellt zu werden, wenn der Lehrer hinausging, und dies trug mir natürlich den Hass einiger wilder Jungen ein, von denen mich einmal einer nach der Schule mit einer Hundspeitsche attackierte, so dass ich nur mit Mühe in die nahegelegene Papierhandlung Peter flüchten konnte. Dort war die Hauptquelle meiner Schulrequisiten; auch gab es dorten hübsche färbige Bilderln z. B. von den Babenbergern und den deutschen Kaisern; ich habe einmal ein ganzes kleines Album davon angelegt. Damals begann ich auch selbst mehr zu lesen, nahm hie und da aus der Schülerbibliothek ein Hofmann-Büchl zu leihen. Aber auch damals bildeten die Schillerschen Gedichte, besonders wenn sie Papa vorlas, den Höhepunkt literarischen Genusses für mich. Vom Schuldirektor erhielt ich ein außer Kraft gesetztes Lehrbuch, in dem mich besonders ein schönes längeres Gedicht über die Befreiung Wiens interessierte, das ich auch auswendig lernte. Mama ließ aber danach das Buch verschwinden, wie ich später merkte, weil es allzu liberale Lesestücke enthalten hatte. An Sonntagen durfte ich jetzt – Mama kam den ganzen Winter nicht außer Haus – allein in die Kirche gehen und hatte meinen Platz meist beim hinteren Seitenaltar, so dass ich den Hauptaltar gut überblicken konnte. Die Ämter wurden meist mit sehr großer Assistenz gehalten und übten solche Feierlichkeiten eine große Wirkung auf mich aus. Auch in die Fastenpredigten durfte ich hie und da mit dem Dienstmädchen gehen, weil der Katechet großen Wert darauf legte. Ferner besorgte ich kleine Gänge häufig selbst, besonders als wir später kein Dienstmädchen hatten. Hauptsächlich kam das Spezerei- und Delikatessengeschäft an der Ecke der Rüdiger- und Hundsturmstraße und dann die Bäckerei Ecke der Wehrgasse und W…straße(?) in Betracht. [Anm: 14. 10. 18] Um Ostern (April) 1889 ging ich auch zur ersten hl. Kommunion, nachdem ich schon ein Jahr zuvor bei der ersten hl. Beichte gewesen war. Mama bereitete mich gut vor. Die Feier litt aber einigermaßen, da die Erstkommunion an die allgemeine Schulkommunion (auch der fünften Klasse) angegliedert war; ich erinnere mich noch, dass ein – ich glaube der erste – Kooperator der Pfarre, der mir bedeutend besser gefiel als unser Katechet, eine sehr schöne und würdige Ansprache an die Erstkommunikanten hielt. Leider gab es schon unter den ganz jungen Mitschülern solche, welche dem großen Ereignis ungläubig oder gleichgültig gegenüberstanden, selbst solche, die darüber blasphemische Äußerungen machten. Hier möchte ich noch einfügen – ich glaube zwar, dass sich dies erst ein oder zwei Jahre später an einem Kommuniontag abspielte - , dass sich meine Mama, obwohl es damals noch keine christliche Pressbewegung, die wenigstens die breiten Schichten ergriffen hätte, gab, über den schädlichen Charakter der liberalen Tagespresse voll im Klaren war und mir nahe legte, an diesem Tag die Lektüre – wohl in erster Linie des „Romans“ – zu unterlassen, was auch ich meinerseits für vollständig begründet erkannte. Mein guter Papa war übrigens, so sehr er auf das liberale Programm schwor und auch dessen kirchenpolitische Fehler mitmachte, durchaus der Kirche, dem Glauben nicht entfremdet; allerdings ließ er es an öffentlicher Betätigung fehlen. Ich habe aber später Anhaltspunkte gefunden, welche darauf schließen lassen, dass er den österlichen Sakramentenempfang nicht gänzlich aufgegeben hatte. Überhaupt ist mir damals der Mangel an religiöser Betätigung seitens meines Paps nicht oder nur so geringfügig aufgefallen, dass es mir keinen Eindruck machte. Wohl auch deshalb, weil Papa, in christlicher, sogar stiftlicher Umgebung (Schlägl) aufgewachsen, noch mit einer ordentlichen humanistischen Gymnasialbildung von größtenteils geistlichen Professoren ausgerüstet, in liturgischen Fragen, für die ich mich sehr interessierte, wohl bewandert war. So erinnere ich mich gut, wie er mir – wohl in einer der ersten Realschulklassen – an der Hand von Schillers „Gang zum Eisenhammer“ die Messliturgie erläuterte; auch das lateinische Pater noster lernte ich von ihm. Ganz besonders aber wurde das Übel der liberalen Gesinnung in pädagogischer Hinsicht durch seine streng österreichische, patriotische Haltung und Anerkennung der staatlichen, gesetzlichen Autorität paralysiert. Als am 30. Jänner 1889 Kronprinz Rudolf sein Leben auf so tragische Weise endigte, brachte uns Papa die Nachricht in höchster Aufregung mit Tränen in den Augen, was nicht nur seinen wirklich glühenden österreichischen Patriotismus, sondern auch dem Umstande zuzuschreiben gewesen sein dürfte, dass Kronprinz Rudolf die Zukunftshoffnung des liberalen Österreichs war. Ich greife allerdings vor, wenn ich erwähne, dass ich selbst Augenzeuge war, wie Papa gelegentlich der Enthüllung des Radetzkydenkmals am Hof – es wurde erst ca. 20 Jahre später vor das neue Kriegsministerium am Kaiser Wilhelm Ring versetzt – als wir beim Schottentor der Vorbeifahrt des Kaisers zusahen, die anfangs ruhige Zuschauermenge durch sein Beispiel zu Hochrufen begeisterte, die sich von da an dann weiter fortpflanzten. Nicht vergessen darf ich hier im Zusammenhang mit den religiösen und patriotischen pädagogischen Einflüssen auf mich auch der großen fördernden Wirkung, die die Lektüre der Christoph Schmid’schen Erzählungen, die ich nach und nach fast alle in der Ausgabe von D. Pichlers Wwe. U. Sohn bekam, hatte. Dieses Lehrmittelgeschäft – es befand sich am Margarethenplatz im ersten Stock eines alten Hauses – übte überhaupt einen großen Reiz auf mich, da man dort auch alle möglichen Spiele bekam; so die Beschäftigungsspiele, von denen ich in der ersten Volksschulklasse das Flechten sehr stark betrieben hatte, später interessierte ich mich mehr für mechanische Spielereien und Schifferln. Die Freude an letzteren wurde mir aber von Papa wohl absichtlich ich glaube zu Weihnachten 1889 verdorben: ich hatte mir u. a. ein Schifferl gewünscht – aber natürlich entweder ein hülzernes mit Takelage oder gar ein blechernes mit kleiner Maschine; statt dessen erhielt ich allerdings ein blechernes, aber auf Rädern für ganz kleine Kinder zum Ausziehen, was natürlich meinen Stolz als 5t Klasser bedeutend verletzte. Ich brachte es auch bald darnach, nachdem ich es unbrauchbar und durch einige wegstehende scharfe Blechränder „lebensgefährlich“ gemacht hatte, dazu, dass ich es dem Wienfluss übergeben durfte. So blieb mein Wunsch nach einer technischen Spielerei vorläufig unerfüllt, und ich musste mich darauf beschränken, solche in den Auslagen von Carl Müller in der Pilgramgasse zu bewundern, wo es kleine Dampfmaschinen, Lokomotiven, Dampfschiffe u. dgl. in Mengen gab, Spielzeuge, die allerdings über die finanzielle Leistungsfähigkeit einer subalternen Beamtenfamilie hinausgingen. Was übrigens Weihnachten betrifft, so spielte sich das, schon durch die beschränkten Wohnungsverhältnisse bedingt, ohne die Illusion vom Christkindl ab – die mir Mama aber immer schön als berechtigt erklärte, da ja doch das gegenseitige sich Freude Bereiten dem Christkind zulieb geschehe – ich ging mit den Baum einkaufen und putzte ihn auch selbst mit Mama auf – es war übrigens meist nur ein kleines Bäumerl. Wochenlang vorher wurden unter Paps Leitung an den Abenden Papierketten, Atrappen u. dgl. gepappt, worin Papa Meister war. Einige besonders effektvolle Neuheiten an Christbaumschmuck hing Papa dann immer im letzten Moment, wenn er die Geschenke auslegte und die Lichter anzündete, dazu.

[Ferienaufenthalt Schloss Haus] Doch habe ich jetzt den Sommer 1889 übersprungen, den ich mit Mama wieder bei den Tanten, die diesmal abermals in Schloss Haus die Sommerfrische hatten, zubrachte. Dort waren wir nicht wie in Riedegg die einzigen Sommergäste. Im „Beamtenstock“, wo wir wohnten, wohnte ständig ein altes Arztensehepaar Foray(?); im Schlosse selber aber waren elegante Wiener und Prager Familien: die Namen General Schluderer, Magg, Smrček sind mir in Erinnerung. Bei Magg waren zwei Knaben, bei Smrček ein Knabe und ein etwas älteres Mädchen in unserem Alterskreise. Im Hofe des Schlosses wurde öfter Croquet gespielt, wozu wir eingeladen wurden, auch gab es einmal, ich glaube bei General Schluderer, eine große süße Jause für die Jugend. Das ganz in einem sehr großen und damals auch leidlich gut gepflegten Park gelegene Schloss machte einen sehr großartigen Eindruck auf mich. Im unteren, ebenen Teil des Parks war ein großer Teich, auf dem wir auch einmal Schinakl fuhren – allerdings mir scheint verbotener Weise mit einem Herrn Haböck, der mit seiner Mutter und Großmutter, einer alten Frau Haupt, die Mama von früher gut kannte, auch im Schloss Haus über Sommer waren. Wenn ich nicht irre, stammt auch die Mutter des Frl. Brunnmayer und des nachmaligen Realschuldirektors Dr. Heinrich Brunnmayer, mit dem wir freundschaftliche Beziehung haben, aus dieser Familie. Mit den Tanten machten wir auch schöne Ausflüge, so durchs Aisttal nach Prägarten, nach Hagenberg, Katzdorf u.s.w. Besonders T. Marie ging gern weit aus und nahm uns öfter mit; ich erinnere mich speziell an einen Ausflug mit ihr nach Katsdorf. Im linken oberen Teil des Parks war ein Lusthäuschen, wo wir uns viel aufhielten. Auch spielten wir dort mit Glocke und Hammer, wie überhaupt die guten Tanten Meister im arrangieren von Gesellschaftsspielen waren. An den Besuch von Onkel Julius und Tante Marietta mit Julie Grimburg erinnere ich mich ziemlich deutlich, weniger bestimmt, ob uns auch Papa einmal im Schlosshaus besuchte. Zur Kirche gingen wir in Wartberg, von wo man von der Wenzelskapelle aus eine schöne Aussicht genießt. Auch kann ich mir erinnern, dass speziell ich viel mit Mama allein spazieren ging. Die schöne gothische Kirche in Wartberg enthält auch die Gruft der Starhemberger. Bei einem Kirchgang haben die Bauernburschen sich über die allzu kurzen Kleidchen der 10-12 jährigen Smrček lustig gemacht. Wir Sommerfrischler hatten vorne im Presbyterium die herrschaftl. Chorstühle inne. Der Gottesdienst wurde immer recht schön gehalten, wobei mich besonders die 4 strammen, rot gekleideten Ministrantenbuben interessierten. Im Schloss war auch eine kleine Kapelle, aber so viel ich mich erinnere, niemals Gottesdienst darin. Der Pfarrer, ein alter Herr, sprach das Latein französisch aus “dominus vobiscüm“ (d. h. die Franzosen sprachen es vobiscom aus!). Die Rückfahrt nach Wien machten Mama und ich von Mauthausen aus per Schiff. Es war der Postdampfer Marie Valerie, damals eines der schönsten Schiffe der DDSG. Die Fahrt gefiel mir natürlich sehr gut. Ich kann mich aber nicht auf besondere Einzeleindrücke erinnern, höchstens auf das Umsteigen in Nussdorf.

[5. Klasse] Nun begann im Herbst 1889 die 5te Klasse. Mein Kamerad Litschauer kam schon nach der 4ten ins Gymnasium, doch konnten sich die Eltern bei mir nicht dazu entschließen, welchen Standpunkt ich auch heute billige. Damals glaube ich war mir einigermaßen leid – ich glaube aber hauptsächlich aus Eitelkeit, weil ich halt schon gerne „Student“ gewesen wäre. Am 17. Jänner starb Großpapa in Linz und war Papa einige Tage abwesend – das einzige Mal. Der alte Schubladensekretär, einiges Geschirr und das Öl-Madonnenbild im schwarzen Rahmen kam aus dem Nachlasse des Verstorbenen zu uns. Ebenso eine alte französische Bibel mit Kupferstichen „ad usum delphini“ und ein Band mit Stichen aus der französischen Revolution. Aus der Schule erinnere ich mich an keine besondern Ereignisse. Auf Neujahr durfte ich zu meinem Lehrer Wenkmann, der in Mariahilf, ich glaube in der Stiegengasse, wohnte, gratulieren gehen. Ich habe diesen Lehrer als einen ganz hervorragenden Schulmann im Gedächtnisse. Er las „aus eigenen Heften“ besonders vaterländische Geographie und Geschichte und stammt wohl daher mein großes Interesse für die alten Zeiten. Ich erinnere mich noch gut an die mit seinen kräftigen Zügen in violetter Tinte beschriebenen Blätter, die er beim Vortrag benützte. Besonders die Babenberger Zeiten, das Gründungszeitalter Österreichs, das nach dem Krieg von seiner Größe, die ihm die Habsburger gegeben hatten, fast wieder auf den damaligen Umfang zusammengeschrumpft war, trug uns Lehrer Wenkmann eingehend vor. Nicht vergessen darf ich auch die Lektüre einiger Bände Isabella Brauns Jugendblätter, die uns T. Sophie einmal zu Weihnachten geschenkt hatte; nachhaltigen Eindruck machte auf mich die Widmung in dem einen: „Habe Gott vor Augen und im Herzen“. An Sonntagen gingen die Spielereien mit Rudi weiter; wir versuchten auch Theaterspielen, wobei einmal auch Rudis etwas größere Schwester Melanie mitwirkte. Auch die Indianergeschichten zunächst in S. Toms(?) und Coopers Lederstrumpferzählung traten jetzt mehr in den Vordergrund, aber ich erhielt keine Gelegenheit, mehr davon zu lesen. Besonderes Interesse fand schon seit Jahren auch selbstverständlich Robinson Crusoe, wobei ich mich erinnere, dass mich Mama aufmerksam machte, dass die Ausgabe, die ich hatte (von Campe) und die einen Vater die Geschichte mit lehrhaften Bemerkungen seinen Kindern erzählen lässt, die wiederum ihrerseits Zwischenfragen stellen, in einigen dieser Bemerkungen dem katholischen Standpunkt nicht entsprechen, wodurch gerade der Umstand, dass ich ei nicht einwandfreies Buch benützte, selbstverständlich mir durch entsprechende pädagogische Auswertung desselben auf meine kindliche Gesinnungsbildung günstig einwirkte. Auch lernte ich dadurch frühzeitig zu begreifen, dass nicht alles, was gedruckt ist, Wahrheit und Gut sei, sondern im Gegenteil mit vorsichtiger Kritik aufgenommen werden müsse. Mein fortschreitendes Alter brachte es auch mit sich, dass ich immer mehr und selbständiger für alle möglichen häuslichen Besorgungen für meine Mama von ihr herangezogen wurde, wobei sie mir geschickt von vornherein die etwa entgegenstehende knabenhafte Eitelkeit zu nehmen wusste, indem sie mein Interesse auf einen etwas älteren Knaben lenkte, der im Hause gegenüber wohnte und immer mit einem Henkelkorb einkaufen ging, so dass er von uns den Spitznamen „Körberlbub“ erhielt. Hier möchte ich einschalten, dass im selben Hause auch ein alter blinder Mann lebte, der einmal Tänzer an der Hofoper gewesen sein sollte, und der täglich von einem Pikolo in das nahe gelegene Gasthaus Gessl abgeholt wurde. Auch für das traurige Schicksal dieses Blinden wusste Mama mein Interesse zu erwecken. In diesem Jahre durfte ich auch zum ersten Mal mit der Fronleichnamsprozession gehen. Es gab keine offizielle Beteiligung der Schulen, der Katechet warb unter den Schülern für eine möglichst große Beteiligung. Die Margarethner Prozession nahm einen sehr weiten Weg bis zum Hundsturm hinaus, dann über die Griesgasse bis zum Margarethenplatz u. zurück. Der Zug war sehr lang und ich kann mich nur erinnern, dass wir Knaben vom eigentlichen liturgischen Teil der Feier nichts sahen und nur die Musik und Salven hörten – wie dies übrigens auch später in Linz der Fall war.

[Aufnahmsprüfung Realschule] In diesem Schuljahr, wohl schon zu Beginn oder vielleicht auch noch früher, fiel auch die Entscheidung über die Wahl der Mittelschule, die ich besuchen sollte. Mama, das weiß ich, hätte am liebsten einen Lehrer aus mir gemacht und auch mir wäre dieser Beruf sehr sympathisch gewesen, nur stand ein großes Hindernis im Wege: der gänzliche Mangel an musikalischem Gehör. Da ich infolge meines starken Wachstums jedenfalls blutarm war und häufige Frühjahrskatarrhe, einmal auch Lungenentzündung , auch auf eine Empfindlichkeit der Lunge schließen ließen, hielt Mama das Gymnasium für zu anstrengend für mich und ich in meiner Bequemlichkeit machte mir ihre Bedenken gegen die überflüssige Belastung mit dem Studium der alten Sprachen zu eigen. Papa mochte wohl lieber die Wahl des Gymnasiums gesehen haben; anderseits galt die Realschule als das modernere, der liberalen Richtung entsprechendere, und so setzte er sich auch nicht wesentlich für ersteres ein. Nur die Tanten waren glaube ich – oder erst nach meinen Misserfolgen im Zeichnen im ersten Jahr ? – nicht damit einverstanden. So kam ich also in die Realschule bzw. machte im Juli 1890 die Aufnahmsprüfung. Der Direktor Charwat war ein gütiger, alter Herr; da die schriftliche Prüfung – die wenn ich nicht irre Professor Fellner, der Physiker leitete – gut ausfiel – was bei der Sorgfalt und Mühe, die meine gute Mama auf die Vorbereitung besonders in der deutschen Sprache, in der sie selbst Meisterin war, verwandt hatte, nicht anders zu erwarten war – brauchte ich keine mündliche Prüfung, vor der ich natürlich mehr Angst hatte, zu machen. Die Realschule war die Unterrealschule in der Rampersdorfergasse, Ecke Castelligasse, nächst dem Bacherplatz(?), wo eine Bürgerschule und eine Gartenanlage sich befinden, in welch letztere ich auch schon früher öfter mit Mama gekommen war. Die Realschule war in einem adaptierten Zinshaus untergebracht und reichte schon damals kaum aus. Heute ist sie zu einer Oberrealschule erweitert und hat ihr eigenes Haus in der Reinprechtsdorferstraße, wo, wie ich vor Kurzem von meinem Kriegskameraden Oblt. Dr. Köhler, der auch Mathematik- und Physikprofessor ist, hörte, noch immer Professor Fellner als Physiker wirkt.

[Ferienaufenthalt Bergham/Tischingen] Die Tanten hatten 18990 eine Sommerfrische in Bergham bei Leonding, im ehemaligen Freisitz Tischingen, der auch ihrem Vater gehört hatte, genommen. Das Gut, zu dem aber außer einem Garten jetzt keine Gründe mehr gehörten, hatte seither oft den Eigentümer gewechselt und gehörte damals einem Linzer Gewerbetreibenden. Mama konnte sich nicht entschließen, mit aufs Land zu fahren, ich glaube, nicht nur ihrer Kränklichkeit und der Strapazen der Reise wegen, was allgemein als Grund galt, sondern besonders auch, weil sie Papa nicht so lange allein lassen wollte. So begleitete mich Papa am 26. Juli 1890 nach Linz, was mir die Fahrt besonders interessant machte, da mir auf der Strecke vieles zeigen konnte, auf die Bedeutung der einzelnen Orte aufmerksam machte. Vom Linzer Bahnhof fuhren wir mit einem Einspänner direkt nach Bergham, wo ich nun die Ferien zubrachte; die Tanten und Heinrich waren schon am 15. Juli von Linz hinausgezogen. Die Ferien 1890 waren größtenteils von schönen Spaziergängen besonders in die nahegelegenen Teile des Kürnbergerwaldes ausgefüllt; vormittags mussten wir aber meist eine oder zwei Stunden etwas lernen bzw. wiederholen. Wenn wir nicht fortgingen, spielten wir oft an einer kleinen Lacke. Einmal waren wir auf der Kürnbergburg und in Wilhering. Am 31. 7. war die Vermählung des Erzherzogs Franz Salvator mit der Kaisertochter Ma. Valerie, die besonders in OÖ sehr gefeiert wurde. Wir brannten ein kleines Feuerwerk ab, beleuchteten ein selbstgemachtes Transparent. Am 18. VIII. gingen wir – wie auch sonst in die Sonntagsmesse – zum Kaiseramt nach Leonding und von da nach Linz, wo, als wir vom Casinogarten, wo wir mit den Tanten speisen hingingen, bei den Parterrefenstern in das damalige Museum (jetzt Landesarchiv) hineinschauten, Heinrichs Professor Dr. Commenda hineinwinkte und uns sehr interessante Sammlungen zeigte. Im August waren wir auch einmal in Doppl und ….ling, wo beim Gasthause ein Schaf zum Ausspielen angepflockt war. Ich wollte mit dem „Lamperl“ spielen – aber der Bock warf mich nieder und ließ mich nicht wieder aufstehen, so dass ich mich kriechend aus seinem Bereich entfernen musste. Anfangs September war – der Sommer war überhaupt sehr regnerisch – ein starkes Hochwasser; selbst die kleinen Bäche, die aus dem Kürnbergerwald kommen, waren so groß, dass Bergham ein paar Tage von Leonding abgeschnitten war. In Linz hat dieses Hochwasser große Schäden an der im Zuge befindlichen Regulierung der unteren Donaulände (Zuschüttung des Fabrikarmes) angerichtet, die wir kurz darauf besehen konnten. Am 10. 9. gingen wir alle nach Linz und am 13. kam Papa mich abholen, mit dem ich dann am 16. nach Wien fuhr.

[Unterrealschule] In den Jahren 1890 – 1893 besuchte ich die Unterrealschule in der Rampersdorferstraße in Wien in den ersten 3 Klassen. Außer der Schule hatte ich mit Schulkollegen fast keinen Verkehr, im letzten Jahre traten hievon nur mein Banknachbar Julius Fuchs, dann besonders Wunibald Deininger und Andreas Lochner in den Vordergrund. Daneben ging mein Privatverkehr mit Rudolf Wechenberger, der ein Jahr nach mir auch an die gleiche Realschule kam, weiter; zu diesem kam noch dessen Freund Ferdinand Reiff, dessen Tante auch im Wechenberg’schen Hause wohnte. An Professoren habe ich besonders den bereits erwähnten Direktor Charwat, dann den Religionsprofessor Franz Heger in guter Erinnerung. Der Künstler A. R: Hain, mein Zeichenprofessor, konnte aus mir in diesem Jahr auch nichts machen; in der 1. Klasse verdarb mir das „genügend“ in Freihandzeichnen den „Vorzug“, den ich in der 2. Und 3. Klasse, nachdem ich in Zeichnen doch auf ein „befriedigend“ vorgerückt war, erlangte. Besonders gut fiel das Zeugnis am Schlusse der 3. Klasse aus, das der Direktor noch mit einer höchst ehrenvollen Abgangsklausel versah, die ungefähr so lautete: „ Der Schüler verlässt nach 3jährigem Besuche die Anstalt, an der er sich durch Fleiß und sittliche Führung so gut bewährte, begleitet von unseren besten Wünschen für sein weiteres Fortkommen. Seiner Aufnahme in eine andere Anstalt steht kein Bedenken entgegen.“ Im Jahre 1892 empfing ich das hl. Sakrament der Firmung im Stephansdom in Wien durch Cardinal Erzbischof Jos. A. Gruscha. Firmpate war Onkel August R. v. Grimburg, damals Oberfinanzrat bei der Wr. Finanzprokuratur. Ich hatte gerade ein Ekzem auf der Wange, weshalb ich einen schwarzen „Maulkorb“ tragen musste, was die Feierstimmung sehr beeinträchtigte. Da aber die Firmung schon im Vorjahr beabsichtigt und da wegen einer katarrhischen Erkrankung verschoben worden war, ließ sie sich nicht neuerlich aufschieben. Papa und Mama fuhren mit mir zu Onkel Augusts Büro am Hohen Markt, wo er mir die üblichen Geschenke – eine schöne silberne Doppelmantel Remontoiruhr (Schweizer Uhr) mit Kette und Gebetbuch – übergab. Dann gingen wir in die Stephanskirche, wo die Firmung im linken Seitenschiff stattfand. Dann fuhren wir mit dem Omnibus in den Prater , wo damals die Musik- und Theaterausstellung war, besichtigten dort ein großes Schiffspanorama, das Hanswursttheater, das in einer Bude auf einem als Alt-Wien aufgebauten Platz nach alter Weise aufgeführt wurde, und jedenfalls noch vieles andere, woran ich mich nicht mehr erinnere. Abends speisten wir dann in einem feinen Restaurant in der Ausstellung. Aus der Wr. Realschulzeit habe ich zu erwähnen, dass ich alljährlich im Frühjahr meinen mehr minder starken Bronchialkatarrh hatte, immer auch mit Erscheinungen, die man heute „Grippe“ nennen würde, mit heftigen Kopfschmerzen und Fieber. In dieser Zeit lernte ich im Winter auf dem Eisplatz vor der Hundsturmlinie Schlittschuhlaufen (mit Rudi und seiner Schwester Melanie), und im letzten Frühsommer (1893) im Margarethenbad Schwimmen; letzteres kam mir so leicht an, dass ich schon nach 4 Lektionen „frei“ wurde. Hingegen war Turnen meine schwache Seite. Die Ferien brachte ich wieder alljährlich bei den Tanten zu, u. zw. 1891 mit Mama, 1892 u. 1893 aber allein, d. h. mit Heinrich jedesmal in Schloss Eschlberg bei Rottenegg, das sich damals zu einer gesuchten Sommerfrische zu entwickeln begann, wovon später noch die Rede sein wird. Am Ende des Schuljahres 1892/93 bekam ich übrigens noch in Wien eine starke Halsentzündung, die ich aber verheimlichte und mit Hilfe von Gefrorenem auch niederhalten konnte, bis ich in Eschlberg solches nicht mehr bekam. Dann brach sie umso heftiger aus und auch Tante Marie erkrankte daran, es musste mehrmals der Arzt Dr. Ambros aus Ottensheim kommen. Ich habe früher (im I. Teil) erwähnt, dass die Frage der Rückkehr Heinrichs von den Tanten ins Elternhaus, allenfalls dessen Unterbringung in einem Konvikt erwogen wurde. Es kam zu ersterer Lösung. Nach der 4. Gymnasialklasse, in der Heinrich wie immer vorher Vorzugsschüler war – dank der Instruktoren und der Nachhilfe T. Sophies – kam er nach Wien zu uns und besuchte das Elisabeth Gymnasium, das sich damals noch bei … Thekla, Ecke der Wiedner Hauptstraße und Blechturmgasse befand. Der Wechsel der Lehranstalt und das Aufhören der Nachhilfe erschwerten Heinrich das Studium in diesem Jahre sehr, insbesondere erinnere ich mich, dass ihm Griechisch und Mathematik bei sehr strengen Professoren besondere Schwierigkeiten bereiteten. Sein Aufenthalt in Wien dauerte aber nur 1 Jahr. Im Sommer 1893 ging unser Papa in Pension – damals mussten die alten Beamten den jüngeren Platz machen wegen der bevorstehenden Reformen (es zeigte sich später, dass man da gerade die alten, erfahrenen Beamten gebraucht hätte). Die Eltern entschlossen sich, nach Linz zu übersiedeln, wo sich auch im selben Hause, in dem die Tanten nun seit einigen Jahren wohnten, Hopfengasse 5, eine geeignete Wohnung fand. Während wir mit den Tanten in Eschlberg waren, wurde im August die Übersiedlung durchgeführt. Papa besuchte uns bald darauf in Eschlberg u. wir kamen wohl auch herunter, unser neues Haus zu besichtigen.

[Oberrealschule Linz] Im Herbst rückten wir dann zum Schulbeginn ein; Heinrich kam wieder ins Linzer Gymnasium und ich in die Oberrealschule, die sich damals noch in der Steingasse im heutigen Fortbildungsschulgebäude – das aber noch im 1. Stockwerk niedriger war – befand. Der Direktor ein gefürchteter, sehr barscher und unbeliebter Herr – schüttelte über die ungewöhnlich herzliche Abgangsklausel meiner Wiener Realschule den Kopf, war aber doch ziemlich freundlich. Als ersten lernte ich Professor Eduard Schreinzer, den Senior des Lehrkörpers kennen, einen überschlanken, weißhaarigen Greis, der mit meinem Großvater befreundet gewesen war und der auch meinen Papa daher kannte. Er war Chemiker. Als Klassenvorstand erhielt ich Prof. Dr. Otto Schmidt, der neu von Wien gekommen war und Geographie und Geschichte vortrug; er war von Carl Anthoine an die Tanten empfohlen worden, da er und seine Frau in Linz fremd waren. Die 4. Klasse war in einem großen Zimmer untergebracht und zählte noch ziemlich viele – wenn ich mich recht erinnere gegen 40 – Schüler, von denen ich niemand kannte und mit denen ich auch zunächst wenig in Berührung kam. Die Linzer Realschulzeit ist durch manches für mich bedeutungsvoll geworden. Erstens lernte ich dort im Hause der Tanten gesellschaftlichen Umgang, der in Wien fehlte, da wir dort weder Besuche und Gäste empfingen noch Besuche machten, und zweitens entwickelte sich der Verkehr mit Mitschülern aus dem einer kindlichen Spielkameradschaft zu einer mehr männlichen Kollegialität. Das wichtigste aber ist, dass sich – besonders in den letzten Realschuljahren – eine gesinnungsmäßige Stellungnahme zum Leben herausbildete. Der Schulwechsel machte sich zunächst in den Erfolgen ungünstig bemerkbar und konnte ich das „Vorzugszeugnis“ nicht mehr behaupten. Dennoch galt ich trotz des im allgemeinen strengen Maßstabes , der in der Linzer Realschule angelegt wurde, für einen besseren Schüler und insbesondere fand meine Vorbildung im Französischen in der Richtung einer freien Konversation Anerkennung. Ich musste in diesem Gegenstand auch vorübergehend die Instruktion eines durch Krankheit zurückgebliebenen Schülers übernehmen. Auch im deutschen Aufsatz war ich den meisten Kollegen über, dafür aber machten mir die eigentlichen Lerngegenstände, darunter auch Geschichte, Schwierigkeiten und verdarben mir in ihrer Gesamtheit den Vorzug. In der fünften Klasse rückte dann Darstellende Geometrie in den Vordergrund, für die ich eine ausnahmsweise Begabung haben mochte, denn mir machte in diesem Gegenstand nur die technische Ausführung der Zeichnungen Schwierigkeiten, was aber das „Vorzüglich“, das ich bis zum Schlusse der Realschule behielt, nicht zu beeinträchtigen vermochte. In der vierten Klasse spielten die Kollegen ein große Rolle; in der 5. war es hauptsächlich Leo Pummerer, der in der Nähe von uns wohnte, mit dem ich viel verkehrte und dem ich auch, da er die Aufnahmsprüfung in die Artillerie-Kadettenschule machen sollte, aber ein sehr schlechter Schüler war, in Darstellender Geometrie Nachhilfestunden gab. Er hat die Aufnahmsprüfung auch trotz eines sehr negativen Abgangserfolges von der Realschule gemacht, trug 1/2 Jahr später schon die „doppelte Ausprüfung“, kam später als Offizier an die Technik u. ins technische Militärkomitee und wirkt m. W. heute als General und hervorragender Fachmann im Schieß- und Waffenwesen. Während der 4. Klasse war Religionsprofessor Franz Sal. Schwarz längere Zeit fort, weil er eine Pilgerreise ins Hl. Land mitmachte. Er brachte mir als Andenken einen Rosenkranz mit, der mein erster war und an dem ich dieses schöne und mir später sehr wertvolle Gebet erst lernte. [Verweiszeichen „V“ ohne entsprechende Bezugsstelle] Wir machten einmal im Jahr einen Schulausflug, den „Maiausflug“, u. zw. in der 4. Klasse nach Schwertberg und durch das Josefstal nach Pregarten. Dieser Ausflug stand unter dem Eindruck eines traurigen Ereignisses. Einige Tage vorher hatte bei einem Maiausflug des Gymnasiums in Nieder-Zirking bei Schwertberg der einzige Sohn des Linzer Druckereibesitzers Drouot durch unvorsichtiges Hantieren mit einer Schusswaffe den Tod gefunden. In der fünften Klasse fuhren wir als Maiausflug nach Ebensee u. gingen zu den Langbathseen; ich kam bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal ins Gebirge.

[Ferienaufenthalte Eschlberg] Im Frühjahr 1896 machte T. Sofie eine längere Besuchsreise durchs Salzkammergut zu ihren Freundinnen Therese Pauli, Mina Forchtgott und zu den Verwandten(Grimburg, Seefelder) nach Salzburg. Die Ferien verbrachten wir wieder bei den Tanten in Eschlberg zu. In Eschlberg hatte sich eine ständige Sommerfrischlergesellschaft herausgebildet. Im Gasthause wohnte durch mehrere Jahre die Familie des …. Kassiers Jungwirth, der Linzer Chormeister und Komponist Floderer und die Familie Schausberger; im Schlosse neben anderen die Familie des Gymnasialdirektors und Homer-Herausgebers La Roche; im sogenanten Pflegerstock, wo auch wir bei den Tanten wohnten, war in den ersten Jahren eine Wohnung frei, welche wir als Tummelplatz bei schlechtem Wetter bemühten, später wohnte dort die Familie Hofrat Pöchmüller aus Wien, dessen Vater selbst noch Pfleger in Eschlberg gewesen war. Die Familien hatten viele Kinder in unserem Alter, von denen wir hauptsächlich mit Max La Roche, dann mit Ignaz Jungwirth und mit den gleichaltrigen La Roche- und Schausberger-Töchtern verkehrten. In den Ferien nach der 5. Und 6. Klasse nahmen wir auch an den abendlichen geselligen Zusammenkünften im Gasthaus sowie an gemeinsamen Ausflügen (nach Gramastetten oder Gerling) teil. Zum Sonntags-Gottesdienst gingen wir immer nach St. Gotthard, im Sommer 1894 (VII ??) war Installation des neuen Herrn Pfarrers Josef Hofmanninger, da der frühere Herr Pachinger wenn ich nicht irre ins Stift St. Florian einberufen wurde. Gegen Ende Juli 1894 machten wir mit Papa und den Tanten eine Böhmerwaldpartie, indem wir nach Aigen fuhren, wo wir u. a. mit Papa Stift Schlägl besuchten, wo Großvater Stiftsapotheker gewesen war, dann mit Wagen über die bayr. Grenze zu den Lackenhäusern, wo wir übernachteten, und von dort am nächsten Morgen auf den Dreisesselberg gingen. Leider war die Partie für unseren Papa zu stark, er wurde von einem Unwohlsein befallen, das aber glücklicherweise bald gut ablief. Immerhin kamen wir infolgedessen nicht zum …, sondern nur auf die Höhe vom Dreisesselberg ein Stück gegen d. Plöckenstein zu. Mit Direktor Pliva, einem Pöchmüller-Schwiegersohn, machten wir einmal einen schönen Ausflug nach Pesenbach, wo wir den schönen Flügelaltar besichtigten. Auch kamen viele Besuche aus Linz zu den Tanten. Anfang September war ein Best-Kegelscheiben, bei dem ich zum ersten Mal eine Zigarre rauchte, was mir schlecht anschlug.

[Sonntagsgesellschaften: Verwandte, Bekannte] Trug schon die Sommerfrischlergesellschaft in Eschlberg viel zu einer mehr gesellschaftlichen Entwicklung bei, so waren es besonders die verschiedenen Besuche, die die Tanten meist von Verwandten und Freundinnen erhielten, insbesondere die in diesem Kreise verbrachten Sonntag-Nachmittage, die diese Ausbildung vervollkommneten. Zu diesem Kreise gehörten vor allem T. Sofies Jugendfreundin Ida Bauer, dann Frl. Berta und Emmi Maader, Generalswaisen, unsere Cousine Emma Reiter – mit welcher T. Sofie dann meistens vierhändig Klavier spielte. Auch Tante Berta Fossel gehört hierher, die eine Meisterin im Zeichnen war. Die übrigen Verwandten kamen nur selten zu den Tanten, dafür machten wir bei den offiziellen Anlässen dort Besuch; es war dies besonders Großonkel Heinrich von Schidenhofen, der aber schon im Februar 1894 starb. Wir wurden aus diesem Anlasse mit Trauerkleidung frisch ausstaffiert und erhielten dazu Steifhüte (im Alter von 14 Jahren), wie es damals auch für dieses Alter gebräuchlich war. Tante Schultes lud uns ein, mit ihr im Hôtel Krebs, das damals das erste Hôtel von Linz war, zu speisen. Dieser Todesfall war dadurch für uns bedeutungsvoll, als die Tanten und unsere Mama zusammen ungefähr 1/3 des ziemlich bedeutenden Vermögens erbten, was die bisher sehr beschränkte Lebensführung einigermaßen erleichterte. Ferner war in Linz Tante v. Grimburg sowie deren Sohn Wilhelm, der bei der Statthalterei Oberbaurat war; später kam auch sein Bruder August als Finanzprokurator nach Linz und wurde hier Hofrat. Ebenso machten wir öfter bei den alten Löfflertanten, bei Tante Reiter und bei Fam. Prof. Ludwig Edlbacher, wo zwei nur wenig jüngere Knaben waren, Besuch. Von auswärts kam häufig „Tante“ Andrea Prischl und deren Töchter Sidonia und Frieda; sie sind mit Hayden durch die Familie Redtenbacher verwandt. Das war eine ganz moderne, im englischen Stil lebende Familie, aber sehr angenehm und liebe Leute. Auch Onkel Hayden kam öfter zu den Tanten. Hie und da besuchte uns auch eine Jugendfreundin meiner Mama Frl. Emma v. Reichenbach, die in Enns lebte; sie war der einzige Gast, den wir – nebst den Tanten – an unserem Tisch sahen. Um diese Zeit – ich glaube auch 1894 – starb eine Jugendfreundin Tante Sophies, Frau Hptm. v. Majorkovic, geb. Schirnhofer; der Witwer brachte den älteren Sohn Erwin nach Kremsmünster und kam in dieser Zeit öfter zu den Tanten auf Besuch, und zwar im Sommer 1894 nach Eschlberg und zu Weihnachtend. J. und 95 nach Linz; Erwin kam aber dann mit Ende des Schuljahres 95/96 in eine Kadettenschule. Als Revanche für die vielen Freundschaftserweise spendete er später den Tanten eine schwarze Kassette mit ihrem Wappen, die er in der Villacher Holzfachschule herstellen ließ. Im Herbst war Silva Rathausky aus Fr… bei den Tanten auf Besuch. Damals (94 X 4) war zu Gunsten der Erhaltung der böhmischen Kriegerdenkmäler am Linzer Landestheater eine Akademie, bei der u. a. Bajazzo aufgeführt wurde und an der wir mit den Tanten teilnahmen, da ja Onkel Karl 1866 bei Münchengrätz gefallen und dort begraben war. Auch besuchten wir oft das Theater mit den T. und allein. Wir gingen auch fleißig eislaufen. 1895 II 25 spielte die neuerrichtete Musikkapelle des damals in Linz garnisonierenden Tiroler Kaiserjägerregiments – dem als Leutnant der nachmalige König Ferdinand von Bulgarien (Coburg) angehörte – zum erstenmale am Eislaufplatz beim Volksgarten, d. i. der Platz, auf dem sich heute das Bundesbahndirektionsgebäude befindet. Anfangs 1895 erkrankte Onkel Eduard Hayden zu Dorff schwer u. fuhr Tante Johanna u. Anfang März auch T. Sofie dorthin; der Onkel starb am 6. März. Zu Ostern 1895 war das große Laibacher Erdbeben, das sich in Linz durch bedeutende Zugsverspätungen bemerkbar machte. Am 29. Mai besuchte Kaiser Franz Joseph anlässlich d. Eröffnung des Museums Linz, die Mittelschulen standen an der äußeren Landstraße Spalier. Zu Ende des Schuljahres 94/95 erhielt ich eine einfachen Photoapparat (Schülerkamera).

[6. Klasse] Nun wieder zur Schule zurück. Mit Ende des Schuljahres 1895/96 kam Prof. Schmidt wieder fort, wobei er mir zum Abschied ein „vorzügl.“ In Geschichte gab, das auch sein Nachfolger im WS 95/96 übernahm, wodurch ich im Zusammenhange mit dem schon früher erwähnten günstigen Erfolg in darstellender Geometrie es im 1. Semester der 6. Klasse noch einmal zu einem Vorzugszeugnis brachte. Klassenvorstand war jetzt Prof. Heller, der Prof. der darstellenden Geometrie, der auch Gemeinderat von Linz war. Im Winter besuchten ich und mehrere meiner Kollegen eine Tanzschule, die von einer Tanzlehrerein im Ländlersaal gehalten wurde und wodurch ich meinen Bekanntenkreis noch erweiterte. Es waren lauter freisinnige bzw. deutschnationale Familien. Die politischen Gesinnungsformen traten jetzt auch an mich heran. Schon zu Frohnleichnam 95 demonstrierten mein Mitschüler Breitenthaler u. ich mit schwarzgelben Krawatten gegen die deutschnationale Mehrheit, aber während der Ferien fiel ersterer um und ich blieb mit meiner österreichischen Gesinnung allein übrig, die sich immer mehr in der katholischen Richtung verdichtete, obwohl äußere Einflüsse nicht in dieser Richtung auf mich wirkten. Im Frühjahr 1896 flogen mehrere Gasthausbesuche, die die Klasse mit nur 2 Ausnahmen anlässlich des Ausfalles vom Mathematikstunden (wegen einer längeren Erkrankung des Professors Drach) unternahm, auf. Hierüber wurde eine hochnotpeinliche Untersuchung durch Prof. Heller insbesondere auch in der Richtung des Bestandes einer verbotenen deutschnationalen Mittelschulverbindung gehalten. Maßgebend in der Klasse in diesen Dingen waren damals besonders Buschek und Breitenthaler, und da solche Verbindungen – wie ich aber später erfuhr – satzungsgemäß für aufgelöst zu gelten hatten, wenn jemand „Unberufener“ danach fragte, so ließ Buschek alle gegenseitig das Ehrenwort geben, dass keine Verbindung bestehe. Ich habe vorsichtshalber auch die Klassen-Gasthausbesuche abgeleugnet, um niemand zu schaden, was aber nicht alle getan zu haben schienen, und erklärt, dass mich die politische Gesinnung meiner Kollegen nichts angehe; was mich beträfe, würde ich als Katholik mich nicht an einer derart freisinnigen und daher kirchenfeindl. Vereinigung beteiligen – was den liberalen Professor so schwer kränkte, dass ich wegen Leugnens und frecher Verantwortung 6 Stunden Karzer bekam – wie auch, soviel ich mich erinnere, fast alle anderen. Der Karzer war am Sonntag 14. 6. von 10 - 4 Uhr abzusitzen; ich erhielt von Mama reichlich kaltes Essen und eine Feldflasche mit Wein mit! Außerdem unterhielt ich mich mit einem Kollegen einer anderen Klasse, in dessen Garten die Fenster des Klassenzimmers, in dem ich eingesperrt war, mündeten. Die bei solchen Gelegenheiten üblichen Aufgaben hatte ich ja bald erledigt. Immerhin hatte die Angelegenheit zur Folge, dass es mit dem Vorzugszeugnis endgiltig vorbei war. Sie hatte für mich aber eine weit über ein Schulereignis hinausgehende Bedeutung. Dieses Bekenntnis zur katholischen Kirche vor dem freisinnigen Professor hat mein Gesinnungsleben erst fundiert, ja ich meine sogar, dass mir dieses Bekenntnis – obwohl es nicht gegenüber Angriffen gegen die katholische Kirche abgelegt wurde – die Gnaden erworben hat, die mich befähigten, später unter ungleich schwierigeren Bedingungen meiner Gesinnung treu zu bleiben. Im Sommer (15. Juli) legte Heinrich die Matura am Gymnasium ab. Es ging ihm besser, als er erwartet hatte, und wir hatten daher recht angenehme Ferien in Eschlberg. Es war ein lebhaftes geselliges Leben, das ich auch vielfach auf Photos festgehalten habe. Ausflüge wurden veranstaltet, besonders erinnere ich mich an einen solchen mit Dir. Pliva nach Mühllacken und Pesenbach. Es besuchte uns dann auch eines Tages einmal Tante Marietta Grimburg mit Julie u. Willy Grimburg und Heinrichs Kollege Starzinger. Auch erinnere ich mich, dass die „Obergermanen“ (damals oö. Verbindung Germania im Waidhofener Verband, später Burschenschaft) Versuche machten, Heinrich zu keilen, die aber völlig misslangen, und ich weiß noch, dass ich einmal einer diesbezüglichen Auseinandersetzung zwischen Heinrich und Matthias Pöchmüller, der Germane war, beiwohnte, bei der sich Heinrich mit großer Schlagfertigkeit der Propaganda P.s erwehrte. Für mich waren es die letzten sorglosen Ferien. In Eschlberg war in diesem Sommer auch die Familie Niedermayr aus Linz mit Sohn und 2 Töchtern, von denen die ältere, Christine, später die Frau Dr. Schlegels, des nachmaligen Landeshauptmannes von OÖ, wurde.

[Tod des Vaters] Anfangs Oktober ging Heinrich an die Wiener Universität, um dort Jus zu studieren. Er bezog mit Vetter Wilhelm v. Grimburg aus St. Pölten gemeinsam eine aus 2 Kabinetten bestehende Bude in der Schmiedgasse 11 (?) im VIII. Bezirk (hinter dem neuen Rathaus). Papa begleitete Heinrich hinab und erhielt bei dieser Gelegenheit den Antrag, wieder nach Wien zu kommen, da man ihn bei der Bildung der im neuen Postsparkassengesetz v. J. 1896 vorgesehenen Steuerkommission als Kenner der Erwerbsverhältnisse im Bezirke dringend benötigte. Es wurde ihm die Beförderung im Ruhestandsverhältnisse zum Steueroberinspektor oder eine entsprechende geldliche Entschädigung – wenn ich mich recht erinnere, volle Aktivzulage – in Aussicht gestellt. Papa konnte aber diesem Anbot nicht mehr nähertreten. Gleich nach seiner Rückkehr erkrankte er an einer heftigen Halsentzündung, die sich bei bakteriologischer Untersuchung als echte Diphterie herausstellte. Ich musste infolgedessen von der Schule zu Hause bleiben. Trotz aufmerksamster Behandlung durch Dr. Duy und Pflege durch Kreuzschwestern – die wegen der fortschreitenden Entkräftung Mamas herangezogen werden mussten – war keine Hilfe mehr; am Allerheiligentag wurde Papa mit den hl. Sterbesakramenten versehen, die ihm über seinen Wunsch der Kapuzinerguardian Pater Kletus spendete, der auch den Großvater seinerzeit versehen hatte. Am Allerseelentag kam Papas Bruder Franz aus Wien, um ihn noch zu sehen, am 3. November dann Henrich, den wir aus Wien heimberufen hatten. Papa war bis zuletzt bei vollem Bewusstsein, konnte aber infolge der durch die Krankheit eingetretenen Lähmung nichts mehr zu sich nehmen und wurde einige Tage künstlich mit Ei und Champagner durch den Darm ernährt. Am 4. November 7 Uhr abends verschied er unter dem Angelusläuten. Bald nach Heinrichs Ankunft am Vortag hatte er uns beiden noch den väterlichen Segen gegeben. Der Leichnam musste – was damals noch Ausnahme war, da Leichenbegängnisse für gewöhnlich vom Trauerhause aus stattfanden – gleich nach der Totenbeschau am nächsten Vormittag in den Infektionsraum des Friedhofes gebracht werden, von wo aus dann am 6. November das Leichenbegängnis stattfand. Wenn ich mich recht erinnere, waren von auswärtigen Verwandten T. Riederer, seine Schwester, aus Salzburg und Nichte Anna Schwarz aus Waidhofen a. d. Ybbs da.

[Tod der Mutter] Mama konnte wegen ihrer Kränklichkeit nicht daran teilnehmen. Ihre Kräfte verfielen nun zusehends. Henrich fuhr bald wieder nach Wien und kam erst zu den Weihnachtsferien wieder zurück. Weihnachten feierten wir diesmal nicht bei uns; und beide luden die Tanten zu ihrem Christbaume ein, Mama nahm nicht daran teil. Am 10. Jänner fuhr Heinrich wieder nach Wien, vom 17. Jänner an konnte Mama das Bett nicht mehr verlassen, am 27. Ließ sie sich wegen ihrer zunehmenden Schwäche die hl. Sterbesakramente reichen, am selben Tage kam Heinrich. Die letzten Tage trübte sich schon vielfach ihr Bewusstsein, auch konnte sie nicht mehr sprechen und gab ihre Wünsche durch Zeichen und durch allerdings kaum mehr lesbare Niederschriften bekannt; auch scheint sie nicht mehr gesehen zu haben. Am 2. Februar 6 Uhr abends verschied sie unter den Sterbegebeten, die Heinrich vorlas. Das Leichenbegängnis fand am 4. II. vom Hause aus zur Kapuzinerkirche und von dort auf den Friedhof statt. Leider hatten wir uns nach Papa’s Tode nicht gleich um ein Doppelgrab umgesehen und so konnten die Eltern nicht nebeneinander bestattet werden. Die Überreste Mutters habe ich erst anlässlich des Begräbnisses T. Marie’s im Jahre 1923 in das Grab des Vaters übertragen lassen. Schon nach Papas Tode war Onkel August v. Grimburg, Finanzprokurator in Linz, zunächst neben Mama zum Mitvormunde bestellt worden und ward nun unser Vormund. Die unmittelbare Obsorge über uns aber übernahmen die Tanten. Wir konnten die Wohnung behalten, von der wir später die Küche und das rückwärtige Kabinett abvermieteten. Heinrich setzte wieder in Wien seine Studien fort. Da ich erst kurz vor Semesterschluss wieder in die Schule kam, gab es wegen der Klassifikation mehrfache Schwierigkeiten; ich konnte aber trotz der vielen und langen Absenzen ohneweiters entsprechen; in darstellender Geometrie prüfte mich Prof. Heller am Schluss der Stunde, da ich ihm gesagt hatte, dass ich mich durch das Zuhören beim Prüfen anderer genügend mit dem versäumten Stoff bekannt machen könnte. Es war aber damals der Stoff „Zentralprojektion“ während meiner Abwesenheit ganz neu durchgenommen worden; trotzdem löste ich die mir gestellte Aufgabe vollkommen und nachher erklärte der Professor, dass er diese Konstruktionen überhaupt noch nicht vorgetragen habe.

[Matura] Das Sommersemester war mein letztes Realschulsemester. Ich musste nun auf die Maturitätsprüfung studieren, was sich im wesentlichen auf Geschichte, etwas Literaturgeschichte und Physik beschränkte. Damals musste man bei der Realschulmatura aus Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik und darstellender Geometrie schriftlich und mindestens aus Mathematik, Physik, Geographie und Geschichte (als 2 getrennte Gegenstände) mündliche Prüfung ablegen. In den Sprachen und darstellender Geometrie hing die Abhaltung einer mündlichen Prüfung vom Erfolg der schriftlichen Arbeiten ab. Diese schriftliche Prüfung fand im Mai statt. Das Deutschthema war „Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Orient und Occident in Krieg und Frieden“. Die schriftlichen Arbeiten machten mir keine besonderen Schwierigkeiten. Leider misslang mir gerade bei der darstellenden Geometrie beim 1. Beispiel eine Konstruktion, was ich bemerkte und mich darein verbiss, sodass ich zum Schluss auch die beiden anderen Aufgaben nicht mehr richtig lösen konnte. Um diese Zeit hatten die Tanten Besuch von ihrer Cousine Louise Rathausky, die eine Pension in Lovrana innehatte und die, da unser rückwärtiges Kabinett noch nicht vermietet war, während ihres langen Aufenthaltes daselbst wohnte. Schon Ende Juni war die mündliche Mat.Prüfung. Ich hatte gehofft, in darstellender Geometrie mündlich daran zu kommen, um das ungünstige Ergebnis der schriftlichen Arbeit zu verbessern, erfuhr jedoch während der Prüfung, dass dies nicht der Fall war. Bei der Prüfung ging es mir gut, insgesamt aber war das Resultat der Prüfung für die Klasse ein ungünstiges; wir waren nur 14 Schüler in der 7., davon erhielt einer, Gerngroß, Auszeichnung, 7 kamen durch, 2 waren zurückgetreten, 1 wurde auf 1 Jahr und 3 auf 2 Monate reprobiert. Ich konnte mit meinem Zeugnis zufrieden sein; ich hatte allerdings kein „vorzüglich“, aber auch kein „genügend“. Das sichere „vorzüglich“ in darstellender Geometrie hatte ich mir bei der schriftlichen Prüfung verdorben, erhielt aber trotzdem „lobenswert“.

[Sommer, Studienwahl] Während des letzten Schuljahres unterrichtete ich 2 Schüler der 5. Klasse in darstellender Geometrie. Durch den Vater des einen, den Großkaufmann Mathias(?) Poche, wurde ich ersucht, die Instruktionen in Mathematik und Physik über die Ferien bei meinem Schüler Richard zu übernehmen und zu diesem Zwecke nach Reichenhall nachzukommen. Die Tanten hatten in diesem Jahr zum ersten Mal die Sommerfrische in Eschlberg aufgegeben und wohnten in Dachsberg, welches Onkel Riederer gehörte. Da auch Heinrich anfangs Juli auf Ferien kam, gingen wir zunächst mit den Tanten dorthin, wo eine sehr gemütliche Sommerfrischlergesellschaft, meist Wiener Familien waren, und ich fuhr dann nach Mitte Juli zu Poches nach Reichenhall. Bei dieser Gelegenheit kam ich auch das erste Mal nach Salzburg, wo ich Grimburgs besuchte, die mich sehr lieb aufnahmen. In Reihenhall wohnte anfangs in einer abgesonderten Villa, später, als die Eltern Poche nach Gastein abgereist waren, in der Villa Germania, die Poches gemietet hatten, und nach deren Rückkehr in einer Villa nächst Zeno. Ich konnte dort Tennis spielen und hatte Gelegenheit, meinen gesellschaftlichen Schliff zu vervollkommnen. Interessant war eine Kaiserfeier für die Österreicher im Curpark ….mannstein, wobei unter anderem Weslermeiers Kaiserouvertüre gespielt wurde, und ein Durchzug österreichischer Truppen gelegentlich der Manöver v. Salzburg nach Tirol. Es war nämlich ein anlässlich der Grenzregulierungen, die die Angliederung Salzburgs an Österreich hervorgerufen hatte, geschaffenes Privileg, dass österreichische Truppen diesen kurzen Weg durch Bayern ohne besondere Formalitäten benutzen durften, von dem bei allen sich bietenden Gelegenheiten auch Gebrauch gemacht wurde. Die österreichischen Truppen – ich glaube, dass es ohnehin das Inf. Rgt. Hessen war – wurden von den Reichenhaller bayrischen Militärs und der Bevölkerung, besonders aber auch von den zahlreichen österreichischen Curgästen sehr freundlich begrüßt. Während meines Aufenthalts in Reichenhall ereignete sich auch das große Eisenbahnunglück bei Freilassing; ich besichtigte am selben Nachmittage noch die Unglücksstätte. Von R. aus fuhr ich auch einmal an den Königssee und dort nach Bartlmä hinüber und einmal nach Salzburg, wohin mich Grimburgs eingeladen hatten und wo ich einen sehr angenehmen Nachmittag mit ihnen in Hellbrunn verbrachte. Mit Richard Poches Schwager Linger bestiegen wir einmal den Zwiesel, hatten aber leider Nebelwetter – allerdings vorübergehend Ausblick auf ein großartiges Nebelmeer. Mitte September kehrte ich nach Linz zurück; auf die Tanten waren bereits von Dachsberg heimgekommen. Die Frage der Berufswahl fiel auf die chemische Fachschule der technischen Hochschule und zwar aus dem Grunde, weil für Architektur, wofür ich in der Richtung der Lösung von Raumfragen am meisten Sinn gehabt hätte, meine zeichnerischen Fähigkeiten vollkommen unzureichend schienen. Vom allgemeinen Ingenieurfach, d. i. Straßen- und Wasserbau, und vom Maschinenbau hatte ich zu wenig Kenntnis des Studienganges und der Anforderungen, um mich richtig entscheiden zu können. Auch war in der letzten Zeit eine gewisse Schwäche der Augen aufgetreten, die mich am genauen Zeichnen auch bloß konstruktiver Natur hinderte, und so blieb nur Chemie übrig, wenn ich auf die Hochschule wollte – und das wollte ich natürlich umso mehr, als ich sah, dass auch Heinrich sich im akademischen Leben sehr wohl fühlte. Außerdem war für die Wahl vielleicht auch eine gewisse „chemische“ Tradition maßgebend, waren doch Großvater und Urgroßvater Apotheker gewesen. Die Quartierfrage löste sich dadurch, dass ein allerdings nur gangseitiges Kabinett in der Nachbarwohnung von Heinrichs Quartier bei einer Bankdienerfamilie Lex frei war, welches ich dann auch bezog, als ich am 11. Oktober nach Wien fuhr. Heinrich hatte seine Inskription schon Ende September besorgt und kam erst am 19. nach.

[Erstes Semester] Auf der Technik begannen schon Mitte Oktober die Vorlesungen und die Übungen, letztere zunächst aus anorganischer Chemie (Analysen), es war ein 20stündiges Laboratorium vorgeschrieben. Leiter war Prof. Dr. Vortmann. Da ich schon an der Realschule praktische chemische Übungen mitgemacht hatte, fand ich mich leicht hinein. Hingegen war es ein Überstand, dass in den Vorlesungen in Physik und Mechanik viel mit Begriffen der höheren Mathematik gearbeitet wurde, die in den erst beginnenden Vorlesungen über diesen Gegenstand noch war nicht gelehrt worden und damals auch nicht Gegenstand des Mittelschulunterrichtes gewesen waren. Außer den Linzer Collegen Buschek, Breitenthaler und König – die alle allg. Ingenieurfach inskribierten – hatte ich keine Bekannten auf der Technik. Ich verkehrte daher auch viel mit ihnen, besonders Buschek. Bei den Wiener Verwandten, besonders bei Onkel und Tante Schultes, wurde ich wie schon früher Heinrich sehr lieb aufgenommen und oftmals eingeladen. Auch bei einigen Dachsberger Sommergastfamilien und bei der von Eschlberg her bekannten Familie Hofrat Böckmüller machten wir einigemal Besuch. Heinrich schleppte mich in alle Kunstgalerien, da er sich dafür ganz besonders interessierte. Im Vordergrund des allgemeine Interesses aber standen damals die Vorgänge im Parlament, die deutschnationale Opposition und Obstruktion gegen die Sprachenverordnung des Ministeriums Badeni, die zunächst in Dauersitzungen ihren Ausdruck fanden. Ich kann sagen, dass mich die Politik in dieser Richtung nicht interessierte. Anders war es hinsichtlich der damals aufstrebenden christlichsozialen Bewegung in Wien und dem damit verbundenen Aufschwung des katholischen Vereinslebens in Österreich, an dem sich Heinrich bereits seit dem Vorjahr – besonders im christl. Leseverein – mit Funder, Dr. v. Mayr, Dr. Kienböck und Dr. Hößlinger in enge Beziehungen trat, dann in der Resource, in der Leo-Gesellschaft und als Gast in den katholischen Studentenverbindungen Austria und Norica beteiligte. Darauf war es auch zurückzuführen, dass ich von letzterer eine Einladung zu dem am 16. November 1897 im kl. Musikvereinssaale im Anschluss an eine große Festfeier anlässlich der Seligsprechung des P. Petrus Canisius stattfindenden Kommerse erhielt. Ich hielt es daraufhin für angebracht, mich bei den Herrn der Verbindung bekannt zu machen, und da ich erfahren hatte, dass man dieselben am Sonntag bei einem akademischen Gottesdienste in der Universitäts (Jesuiten)kirche treffen könnte – wie sich später herausstellte, handelte es sich um die wöchentliche Versammlung der Congregatio Academica – so begab ich mich dorthin, fand aber niemand in der Kirche, da die Congregationsmesse eben in der Kapelle stattfand. Aber beim Herausgehen traf ich dann einige Noriker, denen ich mich vorstellte. Es waren dies vor allem der damalige Senior iur. Alois Raltschuler(?), dann iur. Norbert Hanke und ing. Franz Schönbrunner; ich wurde eingeladen auf die Norikerbude zum Frühschoppen mitzukommen.

[Norica] Die Bude war damals in einer Souterrainwohnung im Hause Rathausgasse 20 untergebracht und bestand aus einem größeren Vorraum und straßenseits ein Kabinett (Chargenzimmer) und einem Zimmer, dem Convents- und allgemeinen Zusammenkunftsraum. Für den nächsten Tag, 15. XI., Leopolditag, wurde ein Ausflug nach Klosterneuburg ausgemacht, an dem ich dann auch teilnahm. Und da mir die Leute von der Norica gefielen, so erklärte ich unterwegs Rathschuler, dass ich mich zum Eintritt entschlossen habe. Beim Commers am Dienstag abends durfte ich dann bereits im Fuchsenstall – Fuchsmajor was Staar v. Ulk – sitzen und die Mütze tragen. Die formelle Aufnahme erfolgte beim B.C. (Burschenconvent) am 19. XI. und bei der nächsten Wochenkneipe. Am 23. XI. wurde ich als Fuchs „Herwig“ recipiert. Den Namen hatte ich mir zum ersten Mal bei einer beim Maiausflug 1896 in Scharten improvisierten Kneipe beigelegt. Als Leibburschen wählte ich Rathschuler v. Perkeo, der sich als ehemaliger Linzer Gymnasialschüler der Linzer besonders angenommen hatte. Er war der Stiefsohn eines Steuereinnehmers in Unterweißenbach, später in Weyer a. d. Enns. Der Kommers machte auf mich einen großen Eindruck, besonders die tief katholische Festrede Norbert Hankes (v. Wolfram). Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch Heinrichs Freunde Dr. Kienböck und Dr. Hößlinger, damals zwei junge katholische Altakademiker, kennen. Den inoffiziellen Teil präsidierte Dr. Hermann Schumacher von der Austria Innsbruck, womit ich zum ersten Mal mit dem CV (Cartellverband der kath. D. Studentenverb.) Bekanntschaft machte. Am Verbindungsleben beteiligte ich mich lebhaft, wenn auch damals leider das studentische hinter dem politischen zurücktreten musste; trotzdem war es mit wöchentlicher Kneipe am Dienstag, offiziösem Budenabend am Samstag und Frühschoppen am Sonntag und F.C., später dann dem B.C. immerhin genügend berücksichtigt. So großartige Leute damals die älteren Semester waren, so bedeutungslos war leider der Fuchsenstall mit einziger Ausnahme Lussnigg(?) v. Blandls, der auch als Musiker Hervorragendes leistete und die Verbindung mit dem auflebenden christlichen Sängerbund 13 Linden unter dem jugendlichen Chorleiter Ferdinand Habel darstellte. Auch ein reichdeutscher Altfuchs Wilms v. Megas aus Westfalen war von der Bavaria in Bonn gekommen. Der Fuchsmajor Staar v. Ulk erwies sich bald als ungeeignet und es übernahm Rudolf Scholz v. Dankwart, der spätere erste staatliche Polizeidirektor von Linz, das Amt, der wenigstens Disziplin hineinbrachte. Aus den ersten Tagen ist mir ein sehr gelungener Ausflug auf die Rohr(?)hütte in angenehmer Erinnerung, an dem auch Heinrich, Dr. Kienböck und Dr. Hößlinger teilnahmen und wo ich Gelegenheit hatte, diesen beiden hervorragenden jungen Männern der neuen christlichen Bewegung näher zu treten.

[Studentenunruhen] Wie schon oben erwähnt, waren politisch erregte Zeiten. Am 25. Nov.(?) gab es Krawalle im Parlament, am 26. Wurden die Deutschnationalen Wolff und Schönerer und der polnische Sozialdemokrat Daranty(?) ausgeschlossen. Abends veranstalteten die deutschnationalen Studenten eine große Demonstration auf der Aula. Nach dem von der Staatsverwaltung respektierten Gewohnheitsrecht durfte damals die Polizei das Universitätsgebäude nicht betreten; sie räumte aber die Rampe, was die Studenten als Verletzung der akademischen Exemption betrachteten und nun von innen die dicken Glastafeln der mittlerweile geschlossenen Tore der Aula einschlugen und die Splitter auf die Rampe hinaus warfen, um die Polizei von dort zu vertreiben. Nachher gab es auch außerhalb Zusammenstöße zwischen Deutschnationalen und Polizei, die sich am 27. Zu regelrechten Raufereien um die Universität gestalteten. Die Studenten warfen von innen Einrichtungsstücke auf die Polizei, machten Ausfälle und eroberten Pickelhauben. Als eine Gipskiste aus dem Zeichensaal, die auch irgendwie als Kampfmittel diente, in der Nähe der Philosophenstiege mit großer Staubentwicklung entleert wurde, hieß es, dort sei geschossen worden! Da von allen Hochschulen die Studenten auf die Universität gezogen waren, war ich auch dort und vielfach Zeuge der Vorgänge. Schließlich wurden die Studenten vom Rektor zum Verlassen der Universität bewogen; der Abzug erfolgte durch die kleine Hintertür im Bibliothekstrakt. Dort wurde noch um einen Sandhaufen mit der Polizei gekämpft, worauf sich die Studenten durch die Arkaden des Rathausviertels zurückzogen, wohin ihnen die berittene Polizei wegen der in Kopfhöhe der Reiter befindlichen Lichtdrähte nicht folgen konnte. Am nächsten Tage wurde die Universität b. a. W. geschlossen. Am selben Tage fanden große Demonstrationen vor dem Parlament statt, die durch den Einsatz eines in Wien garnisonierenden ungar. Husarenregts. eingedämmt und durch das Eingreifen Dr. Luegers, der in einer Audienz beim Kaiser den Rücktritt des Kabinetts Badeni erwirkt hatte und dies von der Parlamentsrampe verkündigte, beendet wurde. Ich habe das Herausschwenken der Husaren von der Josefstädter- bzw. der Stadionstraße auf die Ringstraße und die Säuberung derselben von der Rampe des Burgtheaters aus gesehen. Ungefähr zur selben Zeit wurde im Zuge der damals sehr regen Bautätigkeit ein Neubau an der Ecke Graben und Kohlmarkt fertiggestellt, der als Krönung des Ecktürmchens Husarenfigur zeigte (das an der Stelle gestandene alte Haus oder ein dort bestandenes Geschäft hieß „Zum Husaren“). Die Figur hieß nun allgemein der „Badeni-Husar“. Auch in Prag kam es zu schweren Ausschreitungen. Am 2. Dezember wurde dort das Standrecht verhängt. Es soll damals auch Artillerie am Wenzelsplatz aufgefahren sein.

[Leseverein] Bei der am 4. Dezember stattgefundenen Generalversammlung des „Lesevereins“ wurde Heinrich zum Obmann und ich zum Schriftführer gewählt. Am 11. Dezember veranstalteten die Burschenschaften eine Auffahrt auf d. Universität, um dem Rektor – ich glaube im Zusammenhang mit den Prager Ereignissen – eine Adresse zu überreichen. Bei dieser Gelegenheit hielt ein stud. Med. Födrich – ein Oberösterreicher – eine Hetzrede im Arkadenhof der Universität, bei der er die Losung „Los von Rom„ ausgab. Sofort traten die katholischen Studenten zunächst auf unserer Verbindungsbude, dann … auch im Café Doppler (…..) zusammen, es wurde die Abhaltung einer Protestversammlung und die Überreichung einer Adresse an den Rector beschlossen. Am 15. Oder 16. 12. wurde die Adresse nach einem von cand iur. Funder – der damals schon Redakteur der R. P. war – entworfenen Texte überreicht. Die für den 16. Abends in Aussicht genommene öffentliche Versammlung wurde polizeilich verboten, ebenso die Abhaltung einer §2 Versammlung der kath. Studentenschaft. Um das Zustandekommen der Protestaktion hatte sich seitens der Finkenschaft besonders c. iur. Wilh. Alexander Loew, den ich vom Leseverein her kannte und der zum Kreise um P. Freund CSSR. gehörte, sehr bemüht. Am selben Abend fand der Weihnachtskommers der Norica statt. Die Polizei entsandte dazu einen Vertreter mit der Weisung, jede Erwähnung des Zwischenfalles zu verhindern! Gleich nach meinem Beitritt zur Norica trat ich auch in die marianische Kongregation ein, deren Präfekt Norbert Hauke war und die von P. Karl Ludwig SJ. geleitet wurde. Als erste Andacht machte ich eine überaus stimmungsvolle Messfeier in der …. Kapelle des Hl. Stanislaus in der Kurrentgasse mit. Die regelmäßigen Congregat. Vers. Fanden jeden Sonntag um 9 Uhr in der Co. Kap. In der Jesuitenkirche am Universitätsplatz statt, wobei während der hl. Messe … lateinisch gebetet wurde. Am 18. Fuhr ich zu den Weihnachtsferien nach hause, musste aber gleich wieder nach Wien zurück, da mir Onkel August Grimburg dorthin Weisungen wegen Bewerbung um ein Stipendium geschickte hatte. Ich glaube, es war bei dieser Gelegenheit, dass ich mit einer Empfehlung Onkel Schultes‘ bei Hofrat Czertek, dem Direktor des allerh. Familienfonds, vorsprach. Es sei gleich hier bemerkt, dass die Bewerbung umsonst war! Am 21. 12. Machte ich den Gründungsabend Noricas auf der Bude mit, bei dem Ficherber(?) und (T… einen heftigen Punsch brauten. Erst am 23. Konnte ich wieder nach Linz zurückfahren. Den hl. Abend feierten wir wieder bei den Tanten. Zum ersten Mal besuchten wir in diesem Jahr die Christmette.

[CV-Kontakt Linz] Bei der „Danksagung“ im „Alten Dom“ traf mich der Bundesbruder cand. Ing. Rud. Pichler und lud mich ein, den Sylvesterabend im Linzer CV-Philisterzirkel in der Austria zuzubringen, wo ich auch Heinrich einführte. Damit kam ich auch mit den Linzer katholischen Akademikerkreisen in Fühlung. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wer an jenem ersten Abend anwesend war, ich denke aber, es war sicher Dr. Frisch, Dr. Kreuzbauer, Dr. Mayr, Dr. Schlegel, Dr. Urban und die ständigen Gäste des Philisterzirkels und späteren Ehrenmitglieder von CV Verbindungen Redakteur Heinrich Binder vom Linzer Volksblatt und der Landtagsabgeordnete und Volksvereinssekretär, der spätere Landeshauptmann Johann N. Hauser, der Vorsitzende des Zirkels Landesausschussmitglied u. Reichsratsabgeordnete Dr. Alfred Ebenhoch, der nachmalige Landeshauptmann und spätere kk. Ackerbauminister und Pressvereinsdirektor Friedr. Pesendorfer lernte ich bestimmt erst einige Tage später kennen. Der Zirkel versammelte sich damals noch fast täglich in einem kleinen hofseitigen Zimmer im 1. Stock des Gasthofes Austria in der Harrachstraße, der jetzt alkoholfreies Speisehaus ist. Der Winter scheint damals sehr milde gewesen zu sein, da Heinrich in seinem Tagebuche vermerkt, dass wir bei einem Ausfluge am Neujahrstag 1898 bei der Anschlussmauer blühende Palmkätzchen fanden. Am 8. Abends fand im Hotel Erzherzog Karl ein Familienabend des Zirkels mit Tanz statt. Am 9. Fuhr ich nach Wien zurück u. zw., da mehrere Linzer Cartellbrüder von der Austria Innsbruck ihren Bundesbruder, den P. Josef Schock OSB in Seitenstetten besuchten, mit einem …steher dorthin, wo ich meinen Bundesbruder Hanke v. Wolfram aufsuchte. Heinrich kam erst später nach Wien nach. Der Aufenthalt dort sollte aber nur von kurzer Dauer sein, denn es kam gegen Ende Jänner neuerdings zu Studentenunruhen. In Prag war ein gegen die deutschen Studenten gerichtetes Farbenverbot erlassen worden, gegen das nun an den deutschen Hochschulen Österreichs durch Stören der Vorlesungen und Lahmlegung des Hochschulbetriebes demonstriert wurde. Anfangs Februar kam es an der Wr. Universität zu Zusammenstößen zwischen deutschnationalen und slawischen Studenten. Die katholische Studentenschaft hielt sich von diesen Gewalttätigkeiten fern, beteiligte sich aber im übrigen an den Kundgebungen, insbesondere an dem Demonstrationsbummel nach Schließung der Universität vor derselben. Am 7. Februar wurde daraufhin das Wintersemester vorzeitig geschlossen und der Beginn des Sommersemesters für den 21. März angesetzt. In diese Zeit fiel aber mein erster akademischer Fasching. Norica veranstaltete ein elegantes Ballfest beim „Goldenen Kreuz“ in der Mariahilferstraße, die Wiener Austria einen Ball im Ronachersaal. Am 5. Nahm ich am Ball der Stadt Wien teil, wozu mir ausnahmsweise als Fuchs er Gebrauch des Cerevis gestattet worden war. Vorher feierte Funder sein bestandenes politisches Rigorosum mit einem Weinsumpf im Bazar. Wichtiger ist, dass ich schon am 2. Februar in die akademische Congregation aufgenommen und noch am gleichen Tage in den Consult berufen wurde. Während der nun folgenden Farbenstreik-Ferien war in Linz die erste große christlichsoziale Versammlung mit Scheicher, Weißkirchner und Steiner als Rednern, eine großangelegte Papstfeier anl. Des diamantenen Priesterjubiläums Leo XIII. im Redoutensaal. Anfangs März machten Heinrich und ich mit Buschek einen schönen Ausflug nach Lichtenhaag und St. Gotthard. Heinrich musste noch während der Ferien nach Wien zur Stellung fahren, war aber untauglich. Da er bei dieser Gelegenheit gleich inskribieren konnte, fuhr er erst später nach Wien, während ich schon am 16. Nm. fuhr, nachdem ich vormittags noch am Leichenbegängnis d. Tante Johanna Roms teilgenommen hatte, die am 14. 3. 1898 verschieden war. Hanke v. Wolfram kam diesmal nicht nach Wien zurück, wir erfuhren, dass er in Meran Heilung von seinem Lungenleiden suchte. Auch dieser Aufenthalt in Wien dauerte nicht lange, da schon Anfangs April die diesmal allerdings verkürzten Osterferien einfielen, die ich wieder in Linz, Heinrich aber größtenteils über Einladung T. Riederers in Salzburg zubrachte. Das SS verlief in Wien ruhig. Ich lernte immer mehr das katholische Wiener Leben kennen; Predigten P. Abels in der Augustinerkirche, Sodalenabend – auch Heinrich war der Congr. Beigetreten – eine große Papstfeier der St. Michaelsbruderschaft im Cursalon und im Mai eine große Generalkoons(?) in der Kirche am Hof und nachmittags eine Feier bei der von Ferdinand III. 1647 errichteten Mariensäule auf diesem Platze, an der auch einige Mitglieder des kaiserlichen Familie teilnahmen.

[Sommer 1898, Kaiserjubiläum] Im Jahr 1898 wurde auch das 50jährige Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs gefeiert. Anfangs Mai wurde die Jubiläumsausstellung im Prater und einige Tage später die neuerbaute Wiener Stadtbahn durch den Kaiser eröffnet und zu Pfingsten fand im Rathaushof eine …malige Aufführung von Calderons Festspiel „Der Ruhm Österreichs“ in Kralikscher Bearbeitung durch die Leogesellschaft statt, bei der ich als Statist (Landsknecht) mitwirkte. Unter den mitwirkenden Damen befanden sich auch 2 Fräuleins von Führich, Enkelinnen des berühmten Malers! Zu dieser Zeit weilte auch Tante Sophie vom 24. 5. Bis 6. 6. In Wien und wurde von Heinrich in allen Ausstellungen herumgeführt. Ich hatte leider wegen der vorerwähnten Aufführung, dann wegen unseres und des Stiftungsfestes der Carolina nicht viel Zeit zur Verfügung. Der Stiftungsfestkommers verlief sehr schön, es wohnten ihm auch Tante Sofie und Heinrich bei. Hanke, dessen Gesundheitszustand sich immer mehr verschlechtert hatte, telegraphierte: „Bis in den Tod getreu, Wolfram.“ Ich lernte mehrere auswärtige Cartellbrüder kennen, so u. a. cand. med. Beimrohr, der nachmalige, leider früh verstorbene Gemeindearzt in Gramastetten, und phil. Schenk, den nachmaligen Hofrat und Direktor der Lehrerbildungsanstalt in Linz, beide von Carolina. Auch reichsdeutsche Verbindungen hatten Vertreter geschickt, da es das 15. Stiftungsfest war. AM 30. 5. Fuhr ich mit mehreren Bundesbrüdern zum 10jährigen Stiftungsfest der Carolina nach Graz; es war eine sehr lustige Fahrt. Ich war noch Fuchs – da ich wegen meines späten Eintrittes noch nicht am Stiftungsfest geburscht worden war – und hatte das Trinkhorn zu betreuen. In Graz litt das Stiftungsfest einigermaßen durch die dortigen – durch Demonstrationen deutschnationaler, vorwiegend studentischer Kreise gegen die „Bosniaken“ hervorgerufenen – gespannten politischen Verhältnisse. Auf den Straßen versah statt der städtischen Polizei Gendarmerie mit aufgepflanztem Bajonett, meist in Patrouillen, Dienst. Diesem Umstand war es aber zu danken, dass es zu keiner Straßenrauferei kam, wohl aber in der Aula zu einer argen Keilerei, als die Verbindung mit den Chargierten zur Jubelfeier auf der Universität erschien. Am 3. Juni kam ich wieder nach Wien zurück und am 9. (Fronleichnamstag) fuhr ich nach Seitenstetten, um Hanke v. Wolfram noch einmal zu sehen. Er war äußerst schwach, sprach aber noch begeistert von der Verbindung, der Congregation und der katholischen Bewegung überhaupt. Schon am nächsten Tag starb er; und am 12. Fuhr ich neuerdings mit den Verbindungsvertretern dorthin zum Leichenbegängnis. In der Academia widmete ihm Schönbrunner eine herzlichen Nachruf; noch besser ist das vorbildliche katholische Leben Hankes von Kienböck in der Sodalenkorrespondenz dargestellt. Bundesbrüder mit Pechfackeln flankierten den Sarg, dem 3 Wichschargierte mit der Fahne und den übrigen Bundesbrüdern folgten. Das Stiftsgymnasium war mit Musik und Fahne ausgerückt. Wir wurden im Stifte sehr liebenswürdig aufgenommen und einige, darunter ich, blieben noch den nächsten Tag zur Seelenmesse dort. Am Aloisiusfeste wurde Heinrich in die Kongregation aufgenommen, am nächsten Tag fand dort ein Trauergottesdienst für Wolfram statt und am Abend der Trauerkommers der Norica. Ende Juni war noch der großartige Kinderfestzug und der Schützenfestzug aus Anlass des Kaiserjubiläums. Wir besuchten natürlich auch häufig die Ausstellung im Prater. Bei der Schlussfestkneipe der Nc am 1. Juli erhielt ich das Burschenband, bei welchem Anlasse der x Scholz v. Dankwart ganz besonders auf das Vorbild hinwies, das uns Wolfram war. Am 8. Starb in Linz T. Grimburg und Heinrich fuhr wegen Teilnahme am Leichenbegängnisse gleich endgültig nach Linz, während ich prüfungshalber noch in Wien blieb. Ich hatte im April 2 Kolloquien (Teilprüfungen zur 1. Staatsprüfung) aus anorganischer Chemie bei Hofrat Bauer und Mineralogie bei Hofrat Foula gemacht und machte nun noch ein solches aus organischer Chemie, wieder bei Hofrat Bauer. Hingegen konnte ich mich in Mechanik (Prof. Funger), höherer Mathematik (Prof Czuber) und Physik (Prof. Ditschenius) nicht zur Prüfung aufschwingen, u. zw. weil ich in ersterer am Anfang aus dem bereits angeführten Grunde nicht recht hatte folgen können und in Mathematik, weil der ausgezeichnete Vortrag Czubers fesselte und zu der Ansicht verleitete, dass man ohnehin allem folgen könne, beim Versuch des Selbststudiums aber doch alles wieder anders aussah. Dazu kam, dass ich keine Beruf vor mir sah, dessen Erreichung mich zum Studium angeregt hätte, und auch keinen Fachkollegen hatte, der mich beraten hätte. Für industrielle Betätigung hatte ich gar keinen Sinn, wie überhaupt nicht für Berufe, die auch eine gewisse Fertigkeit in Arbeiten verlangten. Für mich hätte nur ein Fach getaugt, dessen Ausübung im Wesentlichen aus schriftlicher Niederlegung geistiger Conzeptionen bestanden hätte, also etwa Jus oder Geschichte, beides Fächer, die unbedingt Gymnasialbildung verlangten. Erst der vorwiegende Verkehr mit Juristen brachte mir dies zum Bewusstsein. Da damals aber für ein „Umsatteln“ auf die Universität, also für einen Realschüler die Ergänzungsmatura aus Latein, Griechisch und Propädeutik verlangt wurde, war an ein solches gar nicht zu denken. Da ich wegen der Prüfungen noch bis Mitte Juli in Wien war, nahm ich noch an der Promotion Funder v. Normans zum Dr. jur teil, zu der die Chargierten der Norica auffuhren und die trotzdem - wahrscheinlich wegen der vorgerückten Jahreszeit – ohne Störung verlief.

[Ferienaufenthalt Schloss Dorff] Die Ferien brachten wir 1898 mit den Tanten in Schloss Dorff zu, wo ich am 21. 7. ankam. Das Haus ist schon seit ungefähr 600 Jahren, seit dem 18. Jahrhundert als Fideikommissgut im Besitze der Familie Hayden von Dorff, dem damals Vetter Baron Sigmund Hayden vorstand, dessen Ehe mit Eugenie v. Lenz leider geschieden war, so dass auch die Erziehung der Kinder Wolfram, Mitzi (Eugenie) und Sigmund viel zu wünschen übrig ließ. Insbesonders bei Wolfram, der damals 13 – 14 Jahre alt und noch nicht über die 2. Gymnasialklasse hinausgekommen war, machte sich dies sehr störend bemerkbar. Deshalb war auch für die Ferien ein älterer Kremsmünsterer Student Franz Karlhuber (nachmals Kurdirektor in Bad Gastein) aufgenommen, dessen Bemühungen aber auch, soweit ich mich erinnere, erfolglos blieben. Von Dorff aus besuchten wir in Kirchdorf die mütterlichen Verwandten Sigmund Haydens, Frau Schönberger geb. Redtenbacher, deren Tochter Adele Schönberger, die schon von früher mit den Tanten sehr befreundet war. Auch machten wir im Stift Besuch, besonders bei dem alten und leidenden Herrn Prälaten Gerhard Haslroither (ein Studienkollege August Grimburgs). Er hatte sich vor einiger Zeit bei einem Wagenunglück einen Splitterbruch eines Beines zugezogen, der trotz SPitalsbehandlung nicht richtig geheilt war und erst jetzt durch die Salben einer Kirchdorfer Kurpfuscherin, der „Mayrbichler-Julie“ halbwegs in Ordnung kam. Natürlich war hauptsächlich die schöne Umgebung das Ziel unserer Spaziergänge und Ausflüge. Ich erinnere mich besonders an eine selten schöne Fernsicht von dem zu Dorff gehörigen Feindbauerngut gegen Linz zu, die so klar war, dass man den noch eingerüsteten Domturm, St. Magdalena u. a. sah. Anfangs August war Wolfram einige Zeit mit Karlhuber auf der Wasserböden-Alm bei Steyrling, wo sich das Dorffer Vieh im Sommer befand. Heinrich und ich besuchten sie oben, stiegen dabei auch auf die nicht mehr betriebene Sauer-Alm, wo wir nicht nur eine herrliche Aussicht auf die Prielgruppe und Kasberg hatten, sondern auch in seltener Nähe einen ganzen Rudel Hirsche sahen. AM nächsten Tage besuchten wir noch einige benachbarte aufgelassene Almen: Reiteralm, Hodereith(?) und bestiegen den Hochedl und traten Mittags den Heimweg über Grünau, Scharnstein, Steinbach a. Ziehberg an, den wir aber unterschätzt hatten, insbesondere da wir durch ein Gewitter unvorhergesehen aufgehalten wurden. Wir kamen daher erst in der Nacht nach Kirchdorf, wo wir übernachteten und früh nach Dorff gingen. Erwähnt sei noch, dass wir uns damals auch mit hirschledernen Hosen ausrüsteten. Am 17. Und 18. August war die Kaisergeburtstagsfeier, die in diesem Jahr wegen des Regierungsjubiläums besonders festlich begangen wurde. Wir verfertigten ein Transparent, auch sonst wurden die Fenster des Schlosses mit Lampions und Kerzen beleuchtet und wir gaben aus alten Vorderladergewehren Salutschüsse ab; abends waren auch Höhenfeuer. Am 18. früh setzten wir das Schießen mit 100 Schuss fort. Ein altes Fass war abgeschnitten worden, dass es als Schalltrichter dienen konnte, und auf einem Gestell aufgerichtet, so dass man durch ein am Boden befindliches Loch die Mündung des Gewehres hineinstecken und dasselbe abfeuern konnte. Es waren mehrere Gewehre vorhanden, die der Schmied lud und uns zureichte und die wir dann in gleichen Intervallen abfeuerten. Hierauf war ein Festgottesdienst im Stifte. Ich erinnere mich noch, dass ich die Orgel nur wie aus weiter Ferne hörte, so hatten die Ohren durch das Schießen gelitten. Die eigentliche kirchliche Feier fand aber in Schlierbach wie auch anderwärts am Lande erst am darauffolgenden Sonntag statt. Im Stifte war damit auch das 800 jährige Jubiläum des Cist. Ordens verbunden, das mit einem Triduum gefeiert wurde, das am 22. mit einer Prozession seinen Abschluss fand. Für den 2. September hatten wir mit Raschhuber, der von Weyer herüber kommen sollte, ein Zusammentreffen in Molln vereinbart. Wir gingen in aller Früh über Feindbauer – Maurerbauer und Leonstein dorthin und trafen um 9 Uhr pünktlich zusammen und marschierten nun durchs Steyr- und Steyrlingtal nach Hinterstoder, wo wir übernachteten und am 3. die Polsterlucke besuchten. Während R. von Hinterstoder nach Windischgarsten ging, ließen wir uns trotz des nicht günstigen Wetters zu einer Prielbesteigung verleiten in Gesellschaft eines Alpinisten Dr. Haller. Wir stiegen noch am selben Tage zum Schutzhaus auf, versuchten aber am 4. Bei schlechtem Wetter vergeblich den Aufstieg, den wir schließlich aufgeben mussten, da keine Orientierung mehr möglich war. Am 9. September erfuhren wir die Nachricht von der Ermordung der Kaiserin Elisabeth und am 16. September fand im Stft ein Seelenamt für dieselbe statt. In den letzten Tagen machte ich sehr gute Aufnahmen im Stift, sowohl Stiftskirche als auch Bibliothek, von der ich besonders das Deckengemälde gut aufnahm; in der kleinen Gemäldegalerie des Stiftes photogrohierte ich ein Ölgemälde, das Thomas von Aquin darstellte.

[Wintersemester] Am 29. fuhr ich mit Tante Marie nach Linz und am 3. Mit Heinrich nach Wien. In dieser Zeit erinnere ich mich an eine sehr interessante Aussprache mit Dr. Funder und Dr. Kienböck in der Nusssdorfer Bierhalle neben dem Rathaus. Ich war so früh nach Wien gefahren, weil ich am 8. Nach Graz fuhr, wohin mich Dr. Funder zu seiner Hochzeit als Verbindungsvertreter geladen hate. Am 10. kam ich wieder nach Wien zurück und am 11. Machte Heinrich die gemeinrechtliche Staatsprüfung, die Willy schon am 7. Gehabt hatte. Am 14. War der Antrittskommers der Niroca, am 16. Erste Congregation nach den Ferien. Das Semester begann mit einer Couleurtrauer für Kaiserin Elisabeth. Als Chargen wurden für dieses Semester gewählt: Schönbrunner x, ….. xx, ich als xxx, Herzig als xxx und Holzmeister als FM. Rathschuler war von Innsbruck wieder zurückgekommen. Eine Menge neuer Füchse, ein bedeutend besseres Material als im Vorjahr kam zur Verbindung. Durch mein Amt als Schriftführer der Norica kam ich viel zum x Schönbruner, der ein Wiener war, in die Wohnung, wo ich von da an sehr viel in der Familie verkehrte. Der Vater war Maler und selbständig und in Verbindung mit anderen Künstlern an der Ausschmückung besonders von Kirchen beteiligt. Damals arbeitete er gerade an den Cartons für die Wandgemälde in der St. Antoniuskirche im X. Bezirk, die eben im Bau war, wudurch ich auch Gelegenheit fand, diesen Bau zu besichtigen. Vom äußeren Kuppelumgang bot sich eine prächtige Fernsicht über Wien und sie schien, von der Laterne aus gesehen, eine schwindelnde Höhe zu haben. Tatsächlich ist es ja eine sehr große und schöne Kirche geworden, wie ja damals überhaupt die unter der liberalen Zeit eingetretene Seelsorgsnot unter der patronanz der christlich gewordenen Gemeindevertretung durch zahlreiche Kirchenbauten in den äußeren Bezirken abgeholfen wurde. Die Familie Schönbrunner war eine echte christliche Wiener Familie. Die Eltern umgab ein Kreis von 6 Kindern: Marie, die älteste, war zuhause tätig, Franz war Techniker (als Ingenieur), er war aber vom Gymnasium zur Technik gekommen und somit von der Einseitigkeit der rein real vorgebildeten Techniker frei; leider war er etwas empfindlich an der Lunge, was ihm viel an Lebenslust und Lebensmut nahm. Anfangs begeistert in und für die Verbindung tätig, wandte er sich immer mehr von ihr ab, um ihr schließlich – nach der Musterung – ganz den Rücken zu kehren. Er wurde Ingenieur beim Stadtbauamt und hat hauptsächlich am Bau der zweiten großen von Lueger begonnenen Wasserleitung mitgearbeitet. Sein Bruder Robert wandte sich dem väterlichen Beruf zu , besuchte die Kunstakademie, wurde aber später, wenn ich recht berichtet bin, nicht schaffender Künstler, sondern Mittelschulprofessor für Zeichnen. Philippine absolvierte damals als Externistin die Lehrerbildungsanstalt bei den Ursulinen in Wien. Sie war ein sehr sympathisches Mädchen und ich habe ihr in allen gebotenen Grenzen etwas den Hof gemacht. Dass die Mutter glaubte, später mich – während meines Einj. Freiw. Jahres – zu einer Erklärung fürs Leben drängen zu sollen, die ich vernünftiger Weise, vor einer ganz unbestimmten Zukunft stehend, nicht abgeben konnte, hatte dann den Abbruch meiner Beziehungen zu dieser mir lieb gewordenen Familie zur Folge. Die beiden jungen Söhne Karl und Ignaz besuchten noch die Mittelschule, sie waren brave, ideal gesinnte Burschen , die große Hoffnungen für die Zukunft in sich bargen. Ignaz fing aber bald an, im Studium zurückzugehen, und schließlich stellte sich bei ihm ein schweres Kopfleiden heraus, dem er im Sommer 1900 erlag. 2 Jaher später starb Karl in der Sommerfrische beim Baden eines plötzlichen Todes. Er wurde außerhalb des Teiches, wo er gebadet hatte, tot aufgefunden. Ich vermute, dass es sich um einen ähnlichen Zustand handelte, wie ich ihn habe, dass bei anhaltender Bestrahlung die Hautgefäße isich stark erweitern, dass das Blut nicht mehr zum Herzen zurück strömt und Herzlähmung eintritt. Bald darauf starb auch der durch diese Unglücksfällr erschütterte und wohl auch durch den wirtschaftlichen und geschäftlichen Rückgang mit Sorgen beladene Vater Schönbrunner. Einen sehr großen Eindruck machte auf mich die Generalversammlung der „österreichischen Leogesellschaft“, der Heinrich bereits seit dem Vorjahr angehörte und der auch ich beitrat. Damals hielt Prof. Dr. Willmann – der große christliche Pädagoge und Verfasser der „Geschichte des Idealismus“, die ich später in dem Seidenbergerischen Auszug durchstufierte und die als richtunggebend für die Geisteshaltung der gebildeten Katholiken gelten muss – ein hervorragendes Referat, das auf mich großen Eindruck machte. Ich besuchte übrigens mit Heinrich auch fleißig die Montagabende der Leogesellschaft, die damals noch nicht in Esktionen aufgespalten war. Den Vorsitz in derselben führe meistens der Vizepräsident der Gesellschaft, apost. Feldvikar Bischof Belopotozky, und es kam dort alles zusammen, was für die geistige Unterbauung der aufstrebenden christlichen Volksbewegung Dr. Luegers tätig war. Von hier ausführte der Weg über Prälat Dr. Schindler – Dr. Seipel – geradewegs zu Dollfuß‘ christlichem Ständestaat. An diesen Montagabenden wurde alles besprochen: Soziologie, Finanzwissenschaft (wobei sich besonders Dr. Kienböck hervortat), kirchliche und kirchenpolitische Tagesfragen (wie z. B. die damals aktuelle des jüdischen G. R. Luzian Brunner gegen die Gemeinde Wien wegen der Beitragsleistung zu Kirchenbauten), Kunst (Prälat Dr. Swoboda, Maler Reich) und Stadtbau. Da manchmal der Besuch nicht allzu zahlreich war, hatten auch wir jüngeren, die leider in sehr geringer Zahl vertreten waren, obwohl ich mich sehr darum bemühte, BB heranzuziehen - dieselbe traurige Erscheinung wie später – Gelegenheit, in unmittelbare Fühlung mit den führenden geistigen Größen zu treten, was für mich immer Werte schuf, die die äußere Erfolglosigkeit meiner Hochschulzeit mehr als reichlich aufwiegen. Es war auch wohl in diesem Semester, wo beim Antrittskommers der Norica Dr. Kienböck den jungen Führer der christlichen Arbeiterschaft Kunschak – damals noch Sattlergeselle der k.k. Staatsbahnen und seit kurzer Zeit Gemeinderat – in unseren Kries einführte, wobei dieser eine Rede hielt, die von der überragenden Intelligenz dieses Mannes zeugte, der sich leider nie ganz durchsetzen konnte und dessen Kräfte von dem Übermaße organisatorischer Arbeit verbraucht wurden, ein Schicksal, das erübrigens mit den meisten Trägern geistiger Führerqualitäten teilt. Heinrich bemühte sich in dieser Zeit viel um die Lebensfähigkeit des christlichen Lesevereines, der auch die Finkenschaft heranziehen sollte, ähnlich wie es der deutschnat. Leseverein „Germania“ tat. Trotzdem es ihm gelang, nahmhafte Referenten zu finden, so in dieser Zeit zur Gen. Verslg. Am 24. 11. den berühmten Volksprediger P. Georg Freund O.S.S:r. – neben P. Abel S.J. der zweite Mittelpunkt des wiedererwachenden christlichen Lebens in Wien – ging nichts weiter. Heinrich wurde in dieser Gen. Vslg. Zum Obmann und ich zum Schriftführer gewählt. Wir hatten viel Arbeit, aber wenig – ich muss wohl sagen – gar keinen Erfolg und einige Semester später, bei unserem Scheiden von Wien, fand sich überhaupt niemand mehr, den Verein fortzuführen. Am 26. 11. Nahm ich mit Heinrich am LeichenbegängnisseDr. Höhslingers, des Vaters unseres Freundes Dr. Höhslinger, teil, das in Pressbaum b. Wien stattfand. Ich erwähne dies deshalb, weil gerade dieses Sereignis viel zu einem engeren Zusammenschluss mit letzterem und dessen Annäherung an die Kreise der Nc. beitrug, wodurch dieser außerordentlich tief veranlagte, ich möchte sagen „weise“ Mann persönlich Einfluss auf die Geisteshaltung mancher jüngeren BB gewann, die für die spätere Grundhaltung der Nc., die sich in dieser Beziehung immer über dem Niveau der anderen CV in Wien hielt, von Bedeutung wurde. Hauptrepräsentant und das Rückgrat dieser Richtung wurde später Robert Kraner.

[Katholikentag] Dieser Herbst brachte u. a. zwei große katholische Veranstaltungen: die schon erwähnte Generalversammlung der Leo-Gesellschaft und den II. nö. Katholikentag, die unmittelbar aneinander schlossen. Von ersterer erwähne ich noch einen Vortrag des Universitätsprofessors (Theologie) Dr. Albert Erhard, der damals stark unter dem Einfluss Huston Steward Chamberlains und dessen Grundlagen des 20. Jahrhunderts stehend den neuen Typ der katholischen Wissenschaftlichkeit in Deutschland repräsentierte, der in seiner weiteren Auswirkung zur christlichen Zensurierung des „Modernismus“ führte. Der Vortrag – Thema und Inhalt kann ich mich nicht erinnern – fand in einem Saale der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Alte Universität) statt und wurde in lebhafter Wechselrede insebsonder von dem kathol. Tiroler Politiker Prof. Prälat Dr. Schöpfer bekämpft. Bei der eigentlichen Hauptversammlung führte der Präsident der Leo-Gesellschaft Excell. Baron Helfert, der schon 1848 als Staatssekretär im öffentlichen Leben hervorgetreten war, selbst den Vorsitz. Am selben Abend (29. 11.) war die erste Vollversammlung des Katholikentages, die Baron (später Graf) Walterskirchen – den ich später auch persönlich kennenlernte – leitete und bei der u. a. Dr. Lueger, Bischof Dr. Rössler von St. Pölten, P. Abel und der Vorarlberger Bauernabgeordnete Jodok Fink, späterer Parteiobmann der christl. soz. Partei und österreichischer Vizekanzler, sprachen. An die Versammlung schloss sich ein akademischer Abend an, bei dem die X der beiden kath. Verbindungen Nc. und Austria sprachen. Ein Kommers war nicht zustande gekommen, da über das Präsidium desselben keine Einigung erzielt werden konnte. An der zweiten Vollversammlung am nächsten Tage sprachen der Cardinalfürsterzbischof Dr. v. Kralik, Leopold Kunschak – der hier zum ersten Mal ein der großen katholischen Öffentlichkeit auftrat – und Prinz Alfred Lichtenstein. Das 50jg. Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs feierte die Verbindung mit einem Gottesdienst bei St. Michael. Abends war eine großartige Festbeleuchtung der Stadt. Sonstige Festveranstaltungen unterbleiben über Wunsch des Kaisers mit Rücksicht auf den Tod der Kaiserin. Anlässlich des Kaiserjubiläums wurden die Onkel August und Wilhelm Grimburg mit Eiserne-Krone-Orden ausgezeichnet. Austria hatte anlässlich des Kaiserjubliäums eine Tochterverbindung „Rudolfina“ ins Leben gerufen, die sie auf einer großen öffentlichen katholischen Studentenversammlung promulgierte, was dem akademischen Gebrauche nicht entsprach und mit zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Au. und Nc. beitrug. Anfangs Dezember brachten wir (nämlich Heinrich, Ratschuler und ich) das erste Mal einen Sonntagnachmittag bei Hörthinger in Pressbaum zu, welche Sonntagnahmittage mir später außerordentlich wertvoll wurden. Der Spätherbst war mild und noch am 11. Dezember machten wir mit Ratschuler einen sehr schönen Ausflug über das Ham… nach Weidlingbach und über Döbling zurück. Um diese Zeit fand auch die erste organisatorische Zusammenfassung der Altherrenschaft der Nc. statt und wurde Sigl zum Phil X und Eichberger zum Phil XXX bestellt. Am Weihnachtskommers hielt Prof. Prälat Dr. Erhard die Festrede. Es waren u. a. Dr. Lueger und Universitätsrektor Dr. Neumann (kath. Theologe) anwesend. Am 8. Dezember war eine große Generalko…. Der katholischen Vereine und Marianischen Kongregationen in der Jesuitenkirche. Fast in der Nacht zum hl. Abend kam ich diesmal nach Linz, wo wir Weihnachten mit Tante Löffler, Ida Bauer und Onkel August bei den Tanten feierten. Am Stephanitag waren wir bei Prischl in Wels. In den Anfang des Jahres 1900 fällt außer dem Nc. Ball im Hotel Savoy die Gründung des christlich-deutschen Turnvereins durch Dr. Anton Frey (Fd), an der ich – trotz meiner persönlichen Unfähigkeit zu turnen – lebhaft mitarbeitete. Ich habe auch den Aufruf an die katholische Studentenschaft zur Beteiligung an diesem wichtigen Werke unterzeichnet. Ich erinnere mich noch gut der Sitzungen, die in einem Lokal im Trattnerhof am Graben vor sich gingen und im dortigen Cafe ihre Fortsetzung fanden und an denen sich außer Dr. Frey, dem eigentlichen Initiator dieser Gründung, die Lehrer …ösbauer und Emminger, Bundesbruder Solterer und aus akademischen Kreisen Dr. Höslinger und mein Leibfuchs Pultar beteiligten. Letzterer führte in der Nachkriegszeit die aus diesem Verein emporgewachsene christlich-deutsche Turnerschaft als Verbandsobmann an. Die letzten Februartage, Faschingstage, brachte ich mit Franz Schönbrunner im Stift Heiligenkreuz zu, wo Staar als Novize eingetreten war. Es war ein auffallend warmer Vorfrühling, der schon Veilchen und Himmelschlüssel hervorbrachte. Dafür brachte die 2. Märzhälfte Schneestürme, die sogar zu einer Verkehrsunterbrechung auf der Westbahn führten. Der Fasching wurde im Stifte mit großen Tafelfreuden gefeiert; einmal gab es als Extrawein einen „Inzerdorfer 64er“, der auf einem Boden gewachsen war, der sich schon längst in Wiener Stadterweiterungsplaäste verwandelt hatte; die Weinberge waren nämlich in den 70er Jahren den „Wienerberger Ziegelwerken“ zum Opfer gefallen.

[Sommersemester] Am 27. März promovierte Scholz zum Dr. jur. Anlässlich der Auffahrt der Chargierten kam es zu Tumulten auf der Universität, wobei der Rektor – obwohl auf unserer Seite stehend – eine allzu schwächliche Haltung einnahm. Scholz ließ gegen einen der Stänkerer Ehrenbeleidigungsklage erheben, bei der ihn Dr. Kienböck vertrat und ich als Zeuge erschien. Der Gegner, den Namen habe ich mir leider nicht gemerkt, wurde verurteilt. Prälat Dr. Scheicher, einer der führenden christl. soz. Abgeordneten aus NÖ, brachte aus diesem Anlasse eine Interpellation im Abgeordnetenhause ein. Die war nur der Auftakt zu einem nun wieder entbrannten heftigen Kampf gegen die katholischen Studenten, der sowohl auf der Universität als auch besonders anlässlich des zu Pfingsten in Salzburg stattfindenden Cartellfestes zu schweren Ausschreitungen führte. Am Salzburger Cartellfest – bei dem die Erzherzoginnen Margareta und Germana (von Toscana) der Norica ein Fahnenband stifteten – konnte ich nicht teilnehmen. Es kam dort zu schweren Ausschreitungen seitens der Deutschnationalen gegen die katholischen Studenten, wobei es mehrere Verletzte gab. Mit fiel danach in Wien die Aufgabe zu, aus den Aussagen der einzelnen Teilnehmer ein genaues Bild der Ereignisse zusammenzustellen, das Höslinger zu einem Memorandum an die Regierung, ich zum Bericht in der „Akademia“, dem Organ des CV, auswertete. Da die Zeit drängte, habe ich damals den Entwurf des Memorandums einem Kalligraphen diktiert und gleichzeitig den textlich abweichenden Bericht niedergeschrieben. Mit dem Studium aber war es schon längere Zeit nichts mehr. Ich hätte schon nach dem 4. Semester die erste Staatsprüfung ablegen sollen, da ich aber wie schon oben erwähnt in Mechanik, Mathematik und Physik damals nicht genügend vorbereitet war, schon ich sie auf, um das Fehlende während des 5. und 6. Semesters aufzuholen, was ich aber auch aus den schon früher aufgezeigten Gründen unterließ. Trotzdem ist mir um die „verbummelten“ Hoschschuljahre nicht leid und ich möchte diesbezüglich mit Goethe (Dichtung und Wahrheit II/9) sagen: „Das akademische Leben, wenn wir uns auch bei demselben des eigentlichen Fleißes nicht zu rühmen haben, gewährt doch in jeder Art von Ausbildung unendliche Vortheile, weil wir stets von Menschen umgeben sind, welche die Wissenschaft besitzen oder besuchen, so dass wir aus einer solchen Atmosphäre wenn auch unbewusst immer einige Nahrung ziehen.“ Für mich lag insbesondere in dem ständigen Verkehr mit Universitätsstudenten ein Ersatz für die mir versagt gebliebene humanistische Bildung, nicht so, dass ich mir dieselbe dadurch angeeignet hätte, denn dazu fehlte mir die altsprachliche Grundlage, sondern dass ich mich in die darauf aufgebaute Gedankenwelt hineinfinden und darin zurechtfinden lernte. Wenn cih von vornherein die Erfolglosigkeit diese 3. Hochschuljahres in der Richtung des technischen Studiums vorausgesehen hätte, so hätte ich es wohl besser wenigstens zu dem Versuche genützt, mir doch wenigstens die Anfangsgründe der lateinischen Sprache anzueignen, die mir später sowohl zum kirchlich religiösen Gebrauch als auch zu gelegentlichen Excursen auf das philosophische Gebiet sehr abging. Übrigens war auch das auf der Technik Gelernte für mich nicht ganz wertlos, weniger das eigentlich fachliche als vielmehr die Inhalte einiger Nebenvorlesungen, die ich dort hörte: Buchhaltung technischer Unternehmungen bei Prof. Kreibig, der später gemeinsam mit dem nachmaligen Finanzminister Dr. Reisch das Standardwerk „Bilanz und Steuer“ herausgab, das meiner Ansich nach die beste wissenschaftliche Darstellung der Zweikontentheorie der doppelten Buchhaltung enthält; ferner Nationalökonomie bei Hermann, dem Erfinder der „Korrespondenzkarte“, die sich als „Postkarte“ auf der ganzen Welt einbürgerte, und „Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaften“ bei Dr. Hugelmann. Als ich mir bei letzterem die Abtestur holte, hätte er mir gerne ein Colloquium abgenommen, da ihm mein Eifer im Besuch seiner Vorlesungen aufgefallen war. Ich hielt mich aber – da ich tatsächlich außer dem Vorlesungsbesuch nichts studiert hatte – für zu wenig vorbereitet, was ich später sehr bedauert habe. Gerade dieses Zeugnis hätte mich vielleicht später in meiner Diensteslaufbahn fördern können. Neben dem mangelnden Interesse an meinem eigentlichen Fache waren ea aber natürlich auch die äußeren Abhaltungen, die mich von einem geordneten Studium abhielten. Am Verbindungsleben beteiligte ich mich zeitweise in einem weit über das Pflichtgemäße hinausgehenden Maße, obwohl ich eigentliche Chargen nur im 3. Semester (Schriftführer) und im 4. Semester (Consenior) bekleidete. In letztere Amtszeit fiel allerdings die Vorbereitung des damals (1899) besonders groß angelegten Stiftungsfestes mit Kommers im großen Sophiensaal, zu dem u. a. zum ersten Male Bürgermeister Dr. Karl Lueger unter jubelndem Beifall erschien. [Ende der Aufzeichnungen mit Seite 103]

Autobiographische Notizen Hanns M.

4 mehrfach gefaltete und oft überarbeitete Blätter im Konzeptstil, mit Bleistift geschrieben und großteils sehr schlecht lesbar. Offenbar als Gedankensammlung für die Fortsetzung des obigen ersten Teiles der Autobiographie gedacht und vor allem wegen der vielen Personennamen interessant ("Netzwerk").

Mittelschule und Studium Da ich offenbar nicht mehr dazukomme, meine Erinnerungen in dem Umfange niederzuschreiben, wie es in vorstehenden der Fall war, so möchte ich nachstehend nur einen Überblick geben über meinen weitern Lebenslauf. Mittelschule U Realschule Rampersdorferstraße, Abgangsklau-sel, Pensionierung d. Vaters, Übersiedlung nach Linz – vorher 1891 Eschlberg mit Mu, Besuch Tante Louises, 1892 u. 1893 E[schlberg], 1892/92 Heinrich in Wien, Fest im Belvedere, Linz a Realschule, (Pinter) 4. Kl. – Instruktion franz, - Pfr…er(??) - … 5. Kl., ganzkl.(?) 6 u. 7. Kl. 6. Kl. – Affaire Breitenth. – Heinrich Matura – Sommer 1894, 1895, 1896 Eschlbg. 1894 Tod O[nkel] Hrs[einrichs], Klavierspiel – Tanten – Wohng. Hopfengasse – Weihnachten – Gesellsch.Kreis d. Tten – Hptm Major Rovič – Isa Bauer, Emo(?), Fam. Reiter. 1895 od 96 ? Böhmerwaldpartie mit Papa. – 1896 Herbst Heinrich Universität – Papa Erkrankung u Tod – Mama Krankheit u Tod 1897, letzte Realschulzeit (darst. Geom.) Louise Rathausky Matura – Ferien 1897 Dachsberg – Reichenhall (Poche) – Technik Wien – Quartier Schend(?)gasse – Verwandten-besuche – Collegenkreis – Heinrich – Willy Gr – Nov(?) 1897 Einl[adung] z. Can Komm. – Univ.Kirche (Brunnmayr) – Schönbrunn - [1 Zeile durch Faltung fast unleserlich]…… …. – Leopolditag Kloster-neubg - ………. …..ions Komm 16/II, Bl 19/II, auf d. nächsten Kn[eipe] rec[ipiert] Lokal nicht mehr genau erinnerlich, wahrscheinl Gartenbau… - oder … halle in d Wallnerstr. – Congr. – Badeniun-ruhen – Farbenverbot – Hochschulsperre – Hochschulbetrieb + – 2/2 1898 Congr Aufn - Konsult - Sylvester 97 Ph[ilister] Z[irkel] Linz - 6/1 98 Ph[]ilisterZ[irkel] Tanzabend – Ebenhoch – Nasch… - Stänke-reien Doblinger (Dr Max Mayr) Frühjahr 98: Calderons Kralik – Ruhm Österreichs (Leo Gesell-schaft) – T. Sofie in Wien – Graz 10j Stiftf Car. – Juni Tod Hankes Seitenstetten - ….. Tod T. Grimburgs(?) – Prüfungen Chemie u Mi-neralogie – Burschung am Schlußkom[mers] f….. ……. – Hochzeit Funder Graz („Reichsfest“) – 1898/99, Schönbrunn, Himmelpfortgasse – Stipendiengesuch, Weihnachten (?) SS 99 XX, Wichsen, gr. Kommers, …fahren, …. eine Krone (Blondl) L(?)ueger, 13 Linden Hochzeit Stabulo, Rektor Neumann, Prof. Erhart, Prom. Dr Scholz, Gerichtsverhandlung Dr. Kienböck, Dr Vogler oder Fochler, Enzyklopädie d Staatswissenschaften, Buchführg …. …., keine Prüfungen - ……………. – Reunion – Stift[ungs]fest Austria(?) Kahlenberg (?1900) Somm…………. [neue Seite] 1899 Dorff – Heinr SS 99 in Innsbruck – Herbst 99 Hochw …….. Fleischmanngasse Brünn Nib[elungen]feier(?) – Höttlinger – Aufschwung d Verb[indung] – Pagat, …, ..gratan – Studium 0(?) – Weihnachten Linz, Fasching …. + Frühj 1900 Stellung(?) (taugl!) – Pfingsten (Salzburg), große Cravalle, Verhandl mit Rektoren – Pfingsten Ausspr mit Tanten, bef n. Schlierb[ach], Juli Maria … P. Abel etc., Politik, sozialer Curs, Linz, Gesuch f. D.(?) etc, Ausflug Magdberg; Eintritt RD, Nusko, Feyringer, Winkler, O. August etc. – Urlaub – Einrichtung – Arse-nal – Erkrankung – W[eihnachts] Comm[ers] (Lueger) – A…. (Kunschak) – Dr Kienböck – Strobach jun Barbarafeier …. …. – Whn(?) …… - Vmstr. – Ost… Corp (….) – Frühj – Sommer Stein-feld (Wein) Schießübungen – Sommer / Herbst – Vorbereitung auf Offzprüfung, Z…, Prater etc. W… …tin nach Pfaffstätten, Abm[arsch] d Komp nach Malborgeth, Off.Prüfg – Amtsantritt in Linz (Adjutum!) – Heinr studiert bis 1904 in Linz – Ph[ilister]Z[irkel] – kath[olisches] Casino – Prima..(?) - Mindl(?) - Herrenkongr – Schul-verein – lateiner …(B..mayer) – 1902 Assistent Waffenübung (Malborgeth Hptm …. Obstltn Schubert – Lt. Trimmel – Raitler Scharte – Flitsch, Erkrankung u Tod Rad…..(?) – 1902 Herbst (Politik u Schule, Hiasl – Reisenbich-ler) 1903 Urlaub – Reise: Steyr – Weyer – Innsbruck (Dr. Mayr) – Lindau – Konstanz – Wörishofen (TS) – München – Salzburg (Bräustübl, Rassmann(?), ….Dr Poschko) 1904 Gnaden Geb[urtstag] August[?], Pfingsten Innsbruck Am 40. St[iftungs]f[est] …. – Firmung Paul) Waffenübung (Langer, Hlavaček, C[?]uschani…, Raibl – Flitsch) 1905 Gmunden Reisenbichler, Traunstein, Sommer Hochzeit Proschko – Herbst Tour Reisetbauer – Paul – Priel – Herbst Groß-jährigkeit (Fritzsche(?) bezahlt Dammerberger bezahlt Maihochzeit Groß) öst Katholikentag – Referat Casino – später Enns – Piusver-ein – Preßverein – Pesendorfer 25/3 06 Gründgsvers[ammlung] d Piusver – Versammlgstätigkeit auswärts – Steyr – Ried – etc. Tummeltsham (1. mal allein) St Ulrich bei Steyr – Ansfelden – Gallneuk[]irchen – Arbeiten f. d. Gründg der Studenten Kon-greg[ation] – 1906 – Bef(?) d Hauser, Besuch – neuerliche Anfrage Hausers in Traun – Einladung nach Mk[Mauerkirchen?]. – Aussprache in Mk(?) – Gmunden – Urlaub Salzburg etc. (T. ….. Groß (Bräustübl) Heinrich Kaigasse. Watzmann – Steinmeer, Untersberg, Werfen, Bischofsh-ofen, Ischl (Sonnenbgr(?) ) – G… Turnfest – Rede – Ix(?) – Pius-versammg – Brief - ……… [neue Seite] 24/12, 27/12 (Kürberg Kom.), 30/12 Verl. etc. 1907 Jänner Salzbg, 24/6 . . . Juli Waffenübg Do..k, Hlavaček, (halb. Inf. … Erzh[erzog] Lepolold Salv[ator] …) Italien. Rekognosz[ierung] Flitsch-klause (Silvestri) Potiorek, Rückfahrt Gesäuse, Hochzeit, Hoch-zeitsreise ……, H. d. Stud. Korps, Okt Viki bei Heli, Marie Jäger, später allein 1908 Herbst 1908 Zilli Rohrauer, Sommer 1908 Schwarzach St Veit, T. Oberdorf, 2/12 Marianne, Kaiserjubiläum (1/12 Bisch Doppel-bauer +) 1909 ? April Heinrich Heirat, Nc 25. Stiftungsfest, Krh Urlb Gmunden Reisenbichler, Sanatorium, Tour Kaprunertörl Rudolfs-hütte Stubachthal (Groß, Krottenmüller), Fortsetzg d. CO2bäder in Linz, Viki Molln, ich Mariazell Reisetbauer, Pesendorfer, Rock-hart(?) etc. 1910 Radfahren 14/1 Icky – Sommer Magdalena, mit Heinr u Mimi Mariaz[ell], 24/12 Hans – Herbst(?) Grundkauf Harbach. 1911 Waffenübung (Trimmel, Malborgeth – DetKdo in Raibl – Generalsreise, Conrad v H) Sommer ab 1/8 Harbach! Herbst CV in Linz 1912 13/6 Eberhard. Sommer Harbach 1913 4/8 Heli. Sommer Harbach 1914 Urlaub Mai oder Juni Harbach, 26/7 Einberufg etc. . . . . . [neue Seite]

Im Weltkrieg: 1914: Einrückung nach Tarvis, Dr. Hoffmann Präsentierung, („Obltn“) Eintreffen in Malb[orgeth], Hösel(?), Hptm. Kölbl – erste Zeit Kl. Alperlspitz (Erschöpfg(?)) Beeidigung 15/8 „Ausrüstung“, Genie(?)direktion – Anf. Sept Hptm. Schöbel – Adjutant (feldmä-ßige Ausrüstung), Affaire Gürtner ? - ?, Affaire Curandowky(?) (Obstltn Gatti!) Applikat Übgen etc. 20/IX Lt…. „Bez.Art. Kmdt“(?) Ablösg, 1. 11. Obltn, 1/12 … Urlb., Weihnachten (Hptm Hoynar(?), Lt Silek, ⸸….., ) Ebner als Kmdt d. … Abt. zurück wann?, 1915 Rekognosz …skizzen, Marschübg …Stellung Seizera, Wolfsbach, Ostern Comp Obl. Harn…., Rapport in Uggowitz(?), Geschütztransporte, Nebria, Munitionsabtransporte, Arbeiterkom-pagnien, Henselfeier, [Randnotiz] Sprengdetachement. 20/5 1. Alarm-tag, Evakuierg der Zwit….. strenge Bereitschaft „1000/300“. Ver-rammelung d. Tunnels bei Luss…., Sprengung der Eisenbahnbrücke u Abbau der Straßenbrücke bei St. Kathrein. Assentierung(?) u Ein-treffen der „K. fr[eiwilligen]. Sch[ützen]“, Auflösg des L[andwehr?] bes(?) Det. ….4, 1 M. Komp 27, 1 M. Komp. Feldj., 1 Last(?)baon f. Str….., Tel[efon]Kabelbau, Kriegserklärg, Bohrmaschine, Verlegg d Lp(?)Kdos auf d. Nebria, Verl. d. Bz Art Kdos zugleich[?] Kmdo d WkrA[?] im Fort; Beginn d. Beschießung … (lt. T.B. [Tagebuch]) [Randnotiz]August Lorli, Feldmesse im Vernella Sattel Nebria. M.V.K. (KD) [neue Seite] 1915: W[eihnachten] Urlaub: T[an]ten in Ebelsberg! Vikt[oria] war im Herbst in Salzbg! 1916. Rückkehr nach Uggowitz – nicht mehr Nebria, dann Febr. Distanz…ckung, zurück ins Lager Nebria, 9 cm Batterien[?] Nebria (Ostern), dann Obstlt Petate(?), zurück ins Lager, Mjr. Hochhauser, Adjutant ArtKdo Nebria ….. Reitkurs Wolfsbach, Seiser(?)rummel! Hensel¬feier, [Randnotiz] Feldmesse Sommerurlaub, abgehen Hochhauser, Hptm. Rollinger, Olt(?) Ba-izer, Mitagskofel. Rell. krank, Hptm Hellensteiner, Franz Josef +, Kaiser Karl B…., Woche Urlaub 1917 Mjr Foltin u Hptm[?] Wichmann SubgruppenKdo Se….a, Mjr Wölzl, Obstlt Crvik. Henselfeier, Gruppe III Pfingsten Hptm Ebner, Gr V Hptm Rollinger (früher Gr II Hptm v Tetzen(?)) Matia-sek Sperrfeuergürtel – Rapp[ort] u. KTKr[Karl Truppenkreuz] Verleihg auf Strebizza (Erschöpfg Verc. Sattel) subfr[?] GrpKmdt, Nachtge-fecht beob. am Mte Nebria, Inspiziergen, Einbau einer Geb.B[atterie] (…..), Hptm Lappaček, Rekognoszierung auf Stellg II Schwarzen-berg[?], zurück in den dürren[?] Gr[?], letzte Kämpfe, Auflösung d. Front, Vormarsch (T[agebuch] ?). Kaiserbegegnung [Randnotizen] Ostern! Bttie Obltn Gärtner, der cz. Feldkurat. Onkel Aug. +. Heinrich +. Urlaub. T. Johanna +. Korresp[ondenz] Sperre [neue Seite] Per la carnia – Amaro (Weinkeller) – Tolmezzo (la fabriqua, bib-liothek [Encyclopädie, Thomas v Aqu.]) – Barbarafeier - Sch[?] Di-vision v Rollinger – Hptm (Gage!) – Instradierungsschwierigkeiten – Rückfahrt – Tarvis – deutsche Überwachungsstelle! – Quartier – Offiz. Messe – Unterhaltungsabend – Ausflug Breth - … Urlaub, - Woche Urlaub 1918 Malborgeth – Abfahrt nach Wöllersdorf – Kontrolle Arnoldstein – Neue Fabrik – Wr. Neustadt – Kapuziner – Fischauer Berge – Explosion u Begr d Opfer – [eine Zeile durch Faltung unleserlich] … Kader in Felixdorf (zu Fuß!) – Urlaub (Fahrt über St. Pölten) – Schneebergausflug – Nc Tagung in Wien – Kmdo(?) d Art Formati-onen(?) – Kircheneinweihg – Kaiserparade – Kirchenkonzert In Fischau - Urlaubsfahrt nach Geras – Auflösung – Linz Amtsantritt [neue Seite] 1919 April Greiner Josef +, 3/9 Annerl, Dez. Rechnungsrat 1920 21/8 Gottfried, Oberrechnungsrat 1921 Mariazell?, Hans Seitenstetten, Icky Salzburg, 6/11 Karl 1922 Juni Anforderung [gestrichen: Beschlagnahme] der Villa-wohnung, Pichler. Juli Mariazell u Geras?. Hans Staatsgymnasium Linz 1923 10/2 Verw. Ga tot ….., Zentralfriedhof. 23/2 t Marie +. Hypothek: Icky u Hans St-Gymnasium Linz, Ebi Petrinum. Dez. Wien Nc 40j Stiftgsfest. T. D(?)ini + 10/12 1924 Icky 2. Sem. Bgsch Urs. Linz, Hans Bgsch. Gmunden – Salzburg. GrVat. Wirtsch. Drosselg. Icky Her Schule, Heini Petri-num 1926 Hans Aufnahmeprüfg Päd. Wachau. Böhmdorf 1927 Heini Blinddarm. Krankheitsurlaub, CO2-Bäder [Ende der Aufzeichnungen]

Familiengeschichtliche Notizen

von Sophie v. Anthoine

Sophie A. skizzierte in mehreren Schreibheften eine breit angelegte, aber nie ausgeführte Familiengeschichte, Die Ausführungen über die Familie ihrer Schwester Luise (verh. Marckhgott) und die militärische Karriere ihres Neffen und Ziehsohnes Hanns enthalten manche interessanten Details.

Familie Marckhgott Eberhard Aloisia Anna von Anthoine vermählte Marckhgott … Aufgewachsen unter den Augen der Eltern und im heiteren Geschwisterkreise genoß Luise eine äußerst sorgfältige Erziehung und wurde zum Lehrfach ausgebildet. Ihre vielen Kenntnisse verwertend, wendete sie sich dem Berufe der Erzieherin zu. Näheres über diesen Lebensabschnitt sowie über ihre Mädchenjahre und Abstammung ist anderwärtig zu lesen. Erst am 16. Juni 1876 reichte sie einem getreuen Bewerber Eberhard Marckhgott die Hand zum Lebendbunde. Die Trauung fand in der Stadtpfarrkirche Linz statt, wonach bei ihren Schwestern im Kreise der nächsten Verwandten ein kleines Festmahl eingenommen wurde. An ihrem Bestimmungsorte in Scheibbs NÖ, wo Eberhard Marckhgott als k.k. Steuerinspektor fungierte, fand sie ein wohnlich eingerichtetes Heim vor. Nicht lange dauerte der erste Glanz dieser Schönheit, da beim (… Juli) 1876 in Scheibbs stattgefundenen heftigen Erdbeben (bekannt in Geologenkreisen als Scheibbser Erdbeben) während ihrer Abwesenheit zu Antrittsbesuchen der Spiegel im Salon von der Wand fiel, zerbrach und Mörtel Luisens neue Möbel bestäubte etc und namentlich in der Küche durch Kaminsturz den neuen Herd zerstörte, was ihrer Köchin einen Nervenchoc eintrug. Im Wechsellauf von Leid und Freud, wie es das Leben unter bescheidenen Verhältnissen mit sich bringt, floß das Leben ruhig dahin, Luise in ihrer Stelle als Hausfrau und Mutter aufgehend. In der ersten Zeit ihrer Ehe hatte sie ihre Schwägerin Klara Marckhgott – Arbeitslehrerin im Orte – bis zu ihrer Verheiratung mit dem Steuereinnehmer Schwarz und dann ihre Schwester Marie zeitweilig auf längere Zeit bei sich im Haushalte, sowie Schwester Sophie sie zweimal auf einige Tage besuchte. Am 12. Mai 1877 wurde ihr Ehebund mit dem ersten Knaben gesegnet, Heinrich, sowie nach 2 ½ Jahren mit dem zweiten Sohne Johann Baptist, welcher am 18. September 1879 das Licht der Welt erblickte. Beide wurden in der Pfarrkirche zu Scheibbs getauft und hatten beide Heinrich von Schidenhofen zu Stumb – einen Onkel ihrer Mutter – zu Taufpaten. Zu Firmpaten hatte Heinrich seinen Onkel Oberbaurat Wilhelm Grimus Ritter von Grimburg und Hans dessen Bruder Hofrat Dr. August Grimus R. v. Grimburg. Letztgenannter wurde auch ihr Vormund nach dem Tode ihrer Eltern (Schwester Marie war Taufpatenstellvertreterin). Für ihre etwas angegriffene Gesundheit suchte Luise Erholung in Bad Mühllacken, während sie ihren 11 Monat alten Heinrich der Pflege ihrer Schwestern in Linz anvertraute. Als liebe, aufgeweckte Knaben wuchsen die Kinder zur Freude der Eltern heran. Doch nicht von bleibender Dauer war ihr Aufenthalt in Scheibbs; wiederholte Transferierungen führten sie 2 Jahre nach Linz, 1 ½ Jahre nach Baden bei Wien, wo Luise schwer krank war, und 8 Jahre nach Wien selbst, wo schließlich Eberhard nach 42jährigem treu vollendeten Staatsdienste in den wohlverdienten Ruhestand trat im Jahr 1893. Es fand sich dann bald Gelegenheit, ihren Wunsch durch Aufbringung einer netten Wohnung, noch dazu im Hause ihrer dort wohnenden Schwestern, nach Linz zu übersiedeln. Leider war dem alternden Ehepaare dort kein dauerndes Glück beschieden in ihrer eigentlichen Heimat, das der Tod jäh die Bande dieser friedlichen Ehe löste. Am 4. November 1896 verschied Eberhard M. unter ungewöhnlichen Umständen. 14 Tage vor seiner Erkrankung fuhr er im besten Wohlsein nach Wien, um dort seinen Sohn Heinrich bei Verwandten einzuführen und ihm ein gutes Quartier zu verschaffen als angehender Student jur. Nachdem dies alles gelungen, kehrte der Vater heim, jedoch schon mit dem Unwohlsein, aus dem sich bald eine böse Halsentzündung entpuppte und kein Zweifel des Arztes mehr vorlag, daß Eberhard in Wien den Keim zur Dyphteritis mitbrachte. Welcher Schrecken! Die beste Pflege, woran sich besonders der jüngste Sohn Hans als opferfähig bewährte, konnte ihm das Leben nicht mehr retten. Es war dem armen Kranken noch die Gnade zuteil, die hl. Sterbesakramente zu empfangen trotz der fortschreitenden Schlundlähmung, die die Erlösung von dem schrecklichen Leiden herbeiführte. Bei vollem Bewußtsein unter dem Angelusläuten, zum Gebete des Englischen Grußes auffordernd, hauchte er seine Seele aus. R.I.P. Rechtzeitig eilte sein Sohn Heinrich ans Sterbelager seines Vaters und traf ihn noch am Leben. Dies war der erste große Schmerz, den die braven Söhne erlebten. Bald wurden sie von einem fast noch größeren übertroffen durch das Hinscheiden ihrer schwer leidenden Mutter, welche am Tage Maria Lichtmeß, also am 2. Februar 1897, fast zur halben Stunde ihrem Gatten nachfolgte, auch nach Empfang der hl. Sterbesakramente, vorher noch ihre jungen Söhne dem Schutze und der Obhut ihrer Schwestern empfehlend. Über das leibliche und geistige Wohl der Jungen zu wachen, waren die Tanten bemüht, ihnen das Heim zu ersetzen und zu erhalten, so lange, bis jeder von ihnen zufolge der verschiedenen Berufe ihre eigenen Wege einschlugen und sich selbst einen häuslichen Herd gründeten. Zu diesem Zweck blieb ihnen der größere Teil ihrer Elternwohnung bis zu jenem Zeitpunkte erhalten. Zur Zeit des letzten schmerzlichen Todesfalles war der ältere Sohn Heinrich stud. Jur. in Wien und der jüngere Hans stand vor der Matura an der Realschule. Der Studiengang der Brüder, die in inniger Liebe an den Eltern hingen und auch untereinander sich gut verstanden, war verschieden. Dieser führte zu erstmaliger Trennung von einander, trafen sich aber immer in ihren Ferien- und Urlaubszeiten in ihrem Heim bei den Tanten. Auch die Eltern fühlten sich bei diesen heimisch und erfreuten sie oft mit kürzeren oder längeren Besuchen, namentlich auch in ihren verschiedenen Sommerfrischen, wozu sie gerne alte Schlösser auserwählten, wie Schloss Haus, Riedegg, Tischingen – Bergham, Eschlberg, Dorff und die Asyle Maria Schmolln und Stadl Paura. [Zur Erinnerung an die einundzwanzigjährige Wiederkehr des Hochzeitstages sei meinen Lieben Viktoria und Hans der Familienartikel Marckhgott gewidmet! Ebelsberg, 15. August 1928, am Tage Maria Himmelfahrt.]

Hanns Marckhgott aus "Familienchronik" Heft 2 S. 57ff (nur ungerade Seiten) 1879 Kindheit und Studienzeit Hans, der jüngere der beiden Söhne des Eberhard u. der Luise Marckhgott, geb. von Anthoine, brachte seine Kindheit u. erste Jugendzeit in Scheibbs, Linz u. Baden zu. Die Volksschule besuch-te er vom Herbst 1885 angefangen in Wien, V. Bez. Grüngasse, machte im Sommer 1890 die Aufnahmsprüfung in die Unterreal-schule in der Rampersdorfergasse u. besuchte diese Schule bis zur Übersiedlung der Eltern 1893. Von da an setzte er die Studien an der Oberrealschule in Linz fort und beendete sie mit der Maturi-tätsprüfung im Juni 1897, worauf er sich dem chemischen Studium an der technischen Hochscule zu Wien zuwandte, woselbst er sich der katholisch akademischen Verbindung Norica u. der akademi-schen Kongregation anschloß u. sich auch sonst in dem politischen u. geistigen Vereinsleben der damals aufblühenden christlich sozia-len Partei wie sein Bruder Heinrich betätigte. Im Sommer 1900 ent-schloß er sich jedoch, das Hochschulstudium aufzugeben, u. trat als Rechnungspraktikant bei der Landesfinanzdirektion in Linz ein. Militärdienst Im Frühjahr desselben Jahres bereits bei der Assentierung taug-lich befunden, rückte er am 1. Oktober als Einjährig Freiwilliger zum kuk. Festungsartillerie Regiment Kaiser von Rußland Nr. 1 ein, wo er nach Absolvierung der Einjährigfreiwilligenschule bei der 1. Feldkompagnie die Schießübungen am Steinfeld mitmachte u. nach abgelegter Offiziersprüfung als Feuerwerker in die Reserve trat. An seinen Civildienstposten zurückgekehrt, wurde er nach abge-legter Fachprüfung 1903 zum Rechnungsassistenten u. 1910 zum Rechnungsoffizial ernannt. In Linz setzte Hans seine bereits in Wien begonnene Vereinstätigkeit intensiv fort, beteiligte sich inebe-sonders am Katholisch patriotischen Kasino, dessen Obmann er nach dem Tode Dechnt Dechant Lietls 1912? wurde, u. an der sich durch den 3. Österr. Katholikentag angeregten Gründung des Pius-vereines zur Förderung der katholischen Presse, im Zusammenhang womit er auch in zahlreichen Versammlungen in ganz Oberöster-reich als Redner auftrat. Am 30. Dezember 1906 verlobte er sich mit der Tochter des Nähmaschinenfabrikanten Johann Jax. Das Brautpaar feierte am 15. August 1907 seine Hochzeit, worüber die Zeitung Bericht erstatte-te. Die Trauung wurde in der Herz Jesu Kirche aufs feierlichste vollzogen. Die ebenso schöne als interessante Hochzeitsreise führte die Neuvermählten an den Rhein, nach Paris, Biarritz, San Sebasti-an, Lourdes u. Einsiedeln. Dieser jungen Ehe wurde am 2. Dezember 1908 ein Töchterchen geschenkt, welchem bald noch 9 Geschwister nachfolgten. Liebe, gute Kinder in günstiger geistiger u. körperlicher Entwicklung, wachsen sie zur Freude der Eltern heran. Gott schütze sie! … Nur der hervorragendsten Ereignisse soll hier noch Erwäh-nung geschehen. Dazu gehört der 1911 erfolgte Bau eines Sommer-heims, einer reizenden kleinen Villa in Harbach Nr. 18 in Urfahr. Der große Garten sorgt für den Bedarf an Obst u. Gemüse u. bildet den Tummelplatz für die liebe Jugend. Ein Ereignis der einschneidensten Bedeutung war die Einberu-fung des Familienvaters zu dem Weltkriege, wozu Hans selbst nachstehende Daten angab: Im Jahre 1906 zum Leutnant i. d. Reserve ernannt, mußte Hans am Beginn des Weltkrieges schon bei der teilweisen Mobilisierung am 26. Juli 1914 nach Malborghet zur 1. Feldkompagnie des Fes-tungsbataillons Nr. 4 einrücken, welche die Artilleriebesatzung der Kärntnersperre stellte u. in deren Bereich er schon vorher Waffen-übungen gemacht hatte. Zur Besatzung des Forts Hensel eingeteilt, wurde er während der Ausrüstung der Sperre im Herbst 1914 mit der Führung der Adjudanturgeschäfte beim Sperrkommando be-traut, mußte jedoch anfangs 1915 die Stelle des Bezirksartillerie-kommandanten im Fort übernehmen, als welcher ihm der gesamte nicht administrative Kompagniedienst u. im Ernstfalle die artilleris-tische Gefechtsleitung des Forts u. der dazugehörenden Außenbat-terien oblag. Kriegsbeginn im Süden 1915 Dieser Fall trat mit der am 24. Mai 1915 erfolgten Kriegserklä-rung Italiens ein. Vorher waren noch große Befestigungsarbeiten im Außenbereiche des Forts vorzunehmen gewesen. Am 9. Juni 1915 setzte, nachdem sich das Fort bisher nur zur Unterstützung der ei-genen Aussentruppen in kleinere Artilleriekämpfe eingelassen hatte, die feindliche Beschießung des Forts ein, welche durch mehr als 2 Monate fortgesetzt wurde u. die Baulichkeiten u. Kampfstellungen schwer beschädigte u. insbesondere am 22. Juni durch einen Voll-treffer im Werk B auch schwere Verluste bewirkte. Hans wurde aus diesem Anlasse im Juli 1915 mit dem Militärverdienstkreuz mit der Kriegsdekoration ausgezeichnet, schon früher hatte Erzherzog Eu-gen als Kommandant der Südwestfront der Besatzung von Malborghet in einem ehrenden Befehlsschreiben gedacht. Nachdem schon zu Beginn der Feindseligkeiten die Infanterie-besatzung zur verstärkung der ganz unzulänglichen Aussentruppen aus dem Fort gezogen worden war, wurde Ende Juni auch die Ar-tilleriebesatzung in ein am Fuße der Nebria nächst Ugowitz gelege-nes Lager versetzt u. besorgte von dort aus den Dienst bei den we-nig gefechtsfähig gebliebenen Geschützen des Forts ablösungswei-se. Die Gefechtsleitung wurde auf den Beobachtungsposten auf dem Gipfel der Nebria verlegt, welchen Hans am 1. Juli 1915 be-zog. Da durch diesen Berg gedeckt, eigene schwere artillerie gegen den Feind wirkte, war derselbe auch im Juli u. August 1915 der Gegenstand heftiger feindlicher Beschießung. Als im weiteren Verlauf bei der Neueinteilung der Artillerie der Abschnittsbereich des ehemaligen Sperrkommandos als Artillerie-gruppe II der 59. Gebirgsbrigade geschaffen wurde, blieb Hans als Gruppenbeobachter auf diesem Posten bis Ende des Jahres, unter-gebracht in einem sehr primitiven Unterstand, in dem sich auch die Telefonzentrale befand. Aus dieser Zeit stammt auch das Gedicht, welches die „Illustrierte Kriegsbeilage zum Linzer Volksblatt“ vom 8. August 1915 Nr. 27 brachte: [Faksimile] … Und es kam anders! Niederschmetternd traf im Jahr 1918 die Kunde des Umsturzes, der Zertrümmerung der schönen, großen Monarchie Österreich das Herz des Patrioten! – Und was verblieb? Ein kleines, armes Vaterland, noch Österreich genannt, aber nichts-destoweniger heiß geliebt! (Anmerkung der Tante Sophie) 1916 Im Februar 1916 wurde Hans zum Distanzmesserkurs nach Laif-nitz kommandiert, nach dessen Beendigung er mit 1. März das Kompagniekommando übernahm, nachdem er bereits 1914 zum Oberleutnant ernannt worden war. Die Kompagnie bestritt die Be-satzung eines großen Teiles der Aussenstellungen, hatte daher sehr große Stände und erforderte die häufige Anwesenheit des Kom-mandanten beim Wirtschaftsstaffel. Hans blieb daher vorläufig im Nebrialagerwo er später auch Adjutanturgeschäfte beim mittlerwei-le geschaffenen Artilleriekommando der Gruppe Fella besorgte. Die dauerte bis anfangs 1917. 1917 In diese Zeit fällt der italienische Angriff auf den Schulterpunkt unserer Stellung, den kleinen Mittagskofel, bei welcher Gelegenheit Hans in Abwesenheit des Artilleriekommandanten die Einleitung des erfolgreichen Artillerieabwehrkampfes zufiel, wofür er mit dem „signum laudis“ ausgezeichnet wurde. Um Ostern 1917 Übernahm Hans das Kommando der Subgruppe Seisera und damit die Leitung des dort errichteten Sperrfeuergürtels. Er war dann mit der Errich-tung der Artilleriegruppe IV aus Kote 1222 betraut und hatte dieses Kommando mehrmals interimistisch inne. Am 9. Juni 1917 besichtigte Kaiser Karl Truppen der 59. Ge-birgsbrigade am Plateau Greuth bei Tarvis, wobei er sämtliche Offi-ziere sprach, darunter Hans. Als Erinnerungszeichen an den Welt-krieg besitzt Hans das Karl Truppenkreuz und das Militärjubilä-umskreuz sowie einen eisernen Ring, den Erzherzog Eugen zu Weihnachten 1915 den Offizieren der Südwestfront widmete. Im Sommer 1917 hatte Hans seinen Standort bei den Batterien am „dürren Graben“, welche intensiv in das Demonstrationsschie-ßen anlässlich des Durchbruchs von Flitsch eingriff. Am 27. Okto-ber löste sich die gegenüberliegende italienische Front am Köpfach und Dognasattel auf. Die Kompagnie wurde nun aus den Stellun-gen herausgezogen und mit der 2. Kompagnie, welche die Artille-riebesatzung der Sperre Raibl gestellt hatte, bei Tarvis zu einem Halbbataillon vereinigt, das die Aufgabe erhielt, als Bedeckung der schweren Artilleriegruppe Obstlt. Naab sofort nach Herstellung der Straßen den vorausgegangenen mobilen Truppen zu folgen. So ge-langte Hans mit seiner Kompagnie in Fußmärschen anfangs No-vember nach Tolmezzo, wo die Kompagnie bis zum Einlangen wei-terer Befehle Bergungsarbeiten des erbeuteten feindlichen Artille-riematerials durchzuführen hatte. Mit 11. November 1917 wurde Hans zum Haptmann i. d. Reser-ve befördert. Im Dezember 1917 wurde die Kompagnie nach Tarvis zurückbeordert und von dort im Februar 1918 in die Munitionsfab-rik in Wöllersdorf am Steinfeld. Beim Zusammenbruch anfangs November 1918 kehrte Hans nach Linz zurück. Er nahm seinen Civildienst wieder auf. Während des Kriegs zum Rechnungsrevidenten ernannt, rückte Hans im De-zember zum Rechnungsrat vor und erhielt 1920 den Titel eines Oberrechnungsrates. 1927 wurde er nach der neuen Titelordnung für die Beamten zum wirklichen Amtsrat befördert in der Finanz-Landesdirektion Zollamtsstraße 7. Am 1. Jänner 1929 wurde Hans in das Gebührenbemessungsamt Museumstr. 10 zur Leitung beru-fen.

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