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4. 9. 1887
lf. Nr.
Aussteller
Emilie, Neffe Gustav
Empfänger
Sofie A.
Meine liebe theure Sofie!
Vorgestern in unser liebes Heim zurückgekehrt, wo wir mit großem Jubel von den Kindern empfangen wurden, muß ich mich beeilen, Euch, meine Lieben, unsere herzlichsten Grüße zu senden sowie nochmals vielen Dank für alles Liebe, was wir bei Euch genossen! Es wird uns der Aufenthalt in stets lieber Erinnerung bleiben.
Könnten wir es nur erreichen, Euch auch einmal bei uns zu sehen. Doch dieser Wunsch scheint mir sehr in die Ferne gerückt, sosehr ich auch um Eure liebe Gegenwart bitten mag. Vielleicht entschließt Du Dich, liebe Sofie, im Frühjahr auf 14 Tage zu uns zu kommen, wenn es schon nicht sein kann, daß ihr alle u. mit Tnate Johanna kommt. Diese Einladung, liebe Sofie, soll ich im Namen Gustav’s u. der Kinder auf das dringedste wiederholen u. hast Du ja übern Winter Zeit zum überlegen.
Unsere Hinreise hat Euch Gustav aus’s genaueste berichtet. Die 4 Wochen in Sylt waren einzig schön u. hoffe ich, daß der kräftige Wellenschlag meinem guten Mann sehr gut gethan. Jetzt geht es ihm unberufen besser, sieht wie ich blühend aus. Wir fuhren zurück per mare nach Wyk(?) u. Helgoland, wo wir 2 Tage blieben, ein reizender rother Felsen mitten im Meer. Von da nach Hamburg, Berlin, Dresden, Prag u. Wien. In jeder der Städte hielten wir uns 1 – 1 ½ Tage auf, nur in Wien 3 Tage, weil wir da mit unserem Ernst zusammentrafen, ihn daselbst installierten, da er jetzt im Geschäft bei Regenhart ist. Dies waren schwere Tage, da es doch immer ein gewichtiger Moment ist, wenn ein junger Mann das erste Mal das Elternhaus verläßt. Von all den Städten gefiel mir Berlin u. Hamburg am besten, jede in ihrer Art.
Daheim angelangt, fand ich alles im besten Wohlsein, auch Papa u. Schwestern, welche Euch alle herzlichst grüßen, u. dankt Papa ganz besonders der guten Tante Marie für das Bild, welches Papa, wie er meint, nach einem Jahr genug angesehen hat, dann wieder der Tante zurücksenden will, da sie sich doch schwer hievon getrennt.
Und wie geht es Euch allen, meine Lieben? Wie der guten Tante Louise u. den Buben? Hat sie sich recht erholt? U. bleibt Heinrich bei Euch im Winter? Hoffentl. Gibst Du mir, liebe Sofie, recht bakd Nachricht, da uns doch alles interessiert. Bitte netrichte die herzlichsten Grüße an alle lieben Tanten u. die beiden Buben sowol von mir als von meinem Gatten.
Es ist unglaublich, wie rasch die Zeit vergeht, u. kommen mir diese 6 Wochen auf der Reise jetzt wie ein Traum vor. Wir hatten immerf(?) schönes Wetter u. sind auch jetzt noch von demselben sehr begünstigt.
Nun meine Liebe innigen Kuß u. Umarmung von
Deiner treuen Emilie
Lasse bald von Euch hören.
Die herzlichsten Handküsse u. Grüße Euch liebe Tanten von Eurem Euch innig ergebenen Gustav.