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12. 4. 1880
lf. Nr.
Aussteller
Theresia Kisfaludy
Empfänger
Johanna A.
Meine liebe Cousine!
Für die Übersendung der 3 Stück Obligationen und des Tuches danke ich Dir sehr. Du hast sehr gut gemacht, alles zusammen zu senden. Empfange auch mein herzliches Beileid über den Verlust der guten seeligen Tante, die für Euch Freundin und Mutter war…
Den ganzen Monath März war auch ich sehr krank, denn nebst meinen gewöhnlichen Leiden bekam ich auch noch eine Rippenfellentzündung, die mich sehr herabbrachte, und noch jetzt, obschon ich außer Bette bin, habe ich noch dieses schmerzliche Stechen in der Seite, was sich auch, wie der Doctor sagt, nicht so bald verlieren wird. Daher mir auch der Doctor mit allem Ernste eine Badekur anordnete, und wenn ich nicht immer krank sein will, muß ich diese Anordnung auch befolgen. Und so werde ich auf 4 Wochen in ein von uns nicht fernes Bad mit Maria mich begeben. Ungarn hat zwar viele Bäder, doch stehen sie an Confort, gewiß auch an Kraft denen Österreichs weit zurück. Überhaupt kann ich mich an die ungarischen Mängel noch nicht gewöhnen und bin mit ganzer Seele noch Österreicherin.
Wer könnte dieses schöne Land, diese gebildete, gemüthliche Bevölkerung vergessen? In Ungarn kann dies gewiß nicht der Fall sein, denn weder Naturschönheiten noch Kunst noch Bildung biethen mir einen Ersatz, und so fühle ich mich eigendlich nicht ganz heimisch und bin durch meine Kränklichkeit gänzlich an das Zimmer gefesselt – und so muß der Mensch alles und so lange es dem Himmel gefällt hinnehmen und mit Geduld ertragen, den bey mir ist die in Pandoras zurückgebliebener Hoffnung in gänzlichen Mißkredit gerathen.
An Louise weiß ich mich zu erinnern, auch an Dich, liebe Cousine, glaube ich mich zu erinnern, aber Deine Schwestern kenne ich nicht, da ich schon nicht mehr in Linz war…
Solltest Du einmal Lust bekommen, das schöne Ungarn zu besuchen, so heiße ich Dich herzlich willkommen. Und nun, meinen Dank für Dein freundliches Schreiben wiederholend, küßt Dich herzlich im Geiste Deine aufrichtige Cousine
Therese
An Deine Schwestern meine Grüße, auch Maria sendet an Euch herzliche Grüße und mein Mann empfiehlt sich Dir.
Der Franz Josephplatz, wo ihr wohnt, ist mir neu und ich würde mich auch wahrscheinlich in Linz nicht gleich zurecht finden. Wo ist dieser Platz? Noch bitte ich Dich, liebe Johanna, mir den Geburtstag der guten seeligen Tante zu schicken, ich will an diesem Tag eine Messe lesen lassen.