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85

7. 4. 1880

lf. Nr.

Aussteller

Franziska Hayden

Empfänger

Johanna A.

Liebe Johanna!
Ich danke Dir für Dein Kondoliren und erwiedere dieß in schmerzlich gleicher Weise…
[Unsere gute Tante] wird immer in meiner Erinnerung leben und dankend nehme ich das Geschenk der 300 fl Obligationen an, welche ihre Güte mir zuerkannte…
Überhaupt habe ich mit Obligationen nicht viele Freude, da ich mich in den Coupon Interessen nicht recht auskenne. Habe mein Lebtag keine in Händen gehabt. Und da dachte ich mir, ich könnte die 300 fl Obligationen in Geld umsetzen, dafür Banknotenscheine einlösen, wenn der Cours derselben steigt. Was meinst Du? Ed[uard] glaubt freylich, ich verlöre die Interessen. Im übrigen, ich werde es wohl auch noch lernen, mit Obligationen umspringen zu können, und so müßte es auch recht seyn, wenns nicht anders geht.
Ihr holden Engel, in Betreff der Garderobe der guten Seeligen könnte ich schon einiges gut brauchen und es wäre sehr schön und liebenswürdig von Dir, wenn Du so gütig wärest, mit einiges zu schicken oder mitzubringen, ein paar Kleider vielleicht, etwas Weißzeug, Saktücher ein paar, vielleicht auch ein paar Häubchen. Wenn Tante eine alte schwarze Ueberschoß hatte, alles könnte ich brauchen, und wenn Du gute Cousine so freundlich seyn wolltest, mir nach Deinem Ermessen etwas zusammen zu richten, so würde ich Dir sehr dankbar dafür seyn, denn auf dem Lande kann man alles brauchen. Habe ich einmahl die sieben Sachen bey mir, so würde ich mich in einem Nu als Tante Mimi verwandeln und ich traue mir zu, nicht minder hübsch auszusehen als Du mit dem uralten Schlafrock. Auch schmeichle ich mir, daß ich der Seeligen gewiß auch gut gefallen würde und Freude machen damit, daß man ihre Sachen so in Ehren hält, könnte sie einen sehen.
Ja, das ist wahr, eine ettigkeit hatte sie in allen Dingen und eine Sauberkeit auf sich, daß man sich konnte daran spiegeln, und es ist unbegreiflich, wie sie nur ihre Sachen so lange und gut erhalten konnte. Und ich fahre ohne Umstände hinein und trage es vom Fleck weg, vorausgesetzt, daß mir alles paßt. Da wird es wohl ein bißchen happern und werde wohl etwas davon schneiden müssen und ich habe Zeit dazu. Also holdes Wesen, wenn Du etwas passendes für mich findest, so schicke oder bringe es mir nach Gelegenheit.
Jetzt aber ein paar Worte über die künftige Besorgung der kleinen Geschäfte. Liebe Johanna, wenn Du so gütig seyn willst, mit fernerhin meine Eingaben an die Stände zu besorgen, so wäre mir dies wohl am liebsten, weil ich Herrn von Scheda[?] erstens nicht kenne und zweytens nicht belästigen will, wenn es nicht durchaus nöthig ist… So thust Du mir wirklich einen großen Gefallen, wenn Du meine Geschäfte für gewöhnlich besorgen wolltest. Sie fallen ohnehin meistens in Herbst und Winter, wo Du ohnehin zu Hause bist und sich die Sache durch Dich schon machen läßt. Denn die Eingaben sind im Oktober zu schicken und die Quittungen zur Erhebung der ersten Ratten jedesmahl November und Februar, und zur Erhebung der zweyten Ratten am 1. May und am 1. August. Ich sende Dir hier schon die Quittungen zur Erhebung der 2. Ratte von Landesausschuß am 1. May und zur Erhebung der zweyten Ratte vom Ritterstand am 1. August…
Daß die Mädchen von Fritzi etwas erhalten, bin ich wirklich herzlich froh, denn sie sind arm und brauchen es wirklich sehr nothwendig und werden sich freuen über der Seeligen ihre Güte. Es freut mich, daß Dir die Mädchen gefallen haben. Mathilde hat jetzt eine kleine Post erhalten, was ein wahres Glück ist, da sie etwas sorgenfreyer leben können. Gott gebe, daß sie ihr Amtlein brav, anständig und rechtlich betreibt, damit sie es sich erhalte.
Theuere Cousine, wenn Du also wirklich so gütig seyn willst, mir von Tant Mimi ihrer Garderobe etwas zu senden, so bitte ich Dich, daß die Kleider von Wollstoff sind, wenigstens doch eines, und nicht gar von zu altem Machwerk, sondern von mehr jüngerem und neuerem Schnitte. Daß wäre halt gar schön, wenn ich ein Kleid von Wollstoff bekäme, wo auch eine Überschoß dabey wäre. Ich brauche eines und dürfte mir dann keine kaufen.Ich werde Hemden schneidern müssen davon und auch etwas anstückeln, da sie kleiner war als ich. Aber das macht nichts, ist eine kleine Mühe und kostet nicht viel.
Wenn Du nicht selbst kömmst, könntest Du mir dnn alles durch den Bothen schicken…
Nun aber schließe ich meine Zeillen, die Du mit Aufmerksamkeit lesen mußt. Lebe herzlich wohl und sey vielmahl geküßt von Deiner Cousine Fanny

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