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27. 11. 1870
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
27. 11. 70
Meine liebe Schwester!
Vor einigen Tagen erhielt ich den beigeschloßenen Brief vom Notar Seefeldner nebst der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Salzburg. Aus letzterer wirst Du ersehen, daß die Abhandlung als beendet erklärt wird, somit wir also insoweit fertig sind, zumal wir uns mit dem Gesamtnachlaß noch bei meiner Anwesenheit in Linz auseinandergesetzt haben u. nur mehr noch jene 500 fl in der Schwebe geblieben sind, welche ich Hn. Seefeldner auf Verrechnung zurück ließ.
Ich habe die Posten genau durchgegangen u. richtig befunden, halte sie aber zurück, um kein unnöthiges Porto zahlen zu müßen. Es sind nur Quittungen. Solltest Du sie jedoch zur Einsicht wünschen, so schreibe mir u. ich schicke sie Dir mit umgehender Post. Es wäre aber schade ums Porto.
Wie Du aus der Einantwortungsurkunde siehst, so sind 4272 fl 71 xr verblieben. Das wäre eigentlich nicht richtig, denn jenes Sparkassenbuch, welches ich Dir hier mit 1160 fl einlöste, war eigentlich Dein Eigenthum u. hätte sohin gar nicht in die Verlassenschaftsmasse gehört. Weil aber dieses Buch gleich verkauft wurde u. Du das Geld empfingst, so habe ich Seefeldner damahls geschrieben, daß er es nur – um die Sache so kurz wie möglich zu machen – mit in die Rechnung nehmen soll, worüber ich Dir auch seinerzeit berichtete. Der ganze Unterschied ist also jetzt der, daß wir jetzt an Erbsteuer und Stempelgebühr um circa 55 fl mehr bezahlten als es sonst der Fall gewesen wäre.
Wie Du aus Seefelders Rehnung siehst, so hat er von den überkommenen 500 fl nur 395 fl verwendet u. mir 105 fl Rest zugeschickt, welche wir nun zu theilen haben. Bei dieser Theilung aber ist zu berücksichtigen, daß Du gerade um jene 1160 fl mehr geerbt hast wie ich (weil wir nun schon einmahl Dein Sparbüchl zur Masse rechneten), u. folglich mußt Du auch um 55 fl mehr wie ich an Erbsteuer [und] Stempel zahlen([Anmerkung:] Bei Erbschaften von Geschwistern werden an verschiedenen Taxen 4 % Zuschlag 1 % gezahlt, was im Ganzen 5 %, also bei 1100 fl 55 fl macht). Ich werde also diese 55 fl von dem mir zugekommenen Rest pro 105 fl abziehen, u. sohin kommen nur noch die verbliebenen 50 fl zu theilen, von denen Du nun 25 fl anzusprechen hast. Diese Berechnung ist einfach, ich habe sie aber – um Dir ja nicht zu nahe zu tretten – mit einem mir befreundeten alten Oberlandesgerichtsrath, der hundert ehnliche Verhandlungen in Händen hatte, durchgegangen.
In der Einantwortungsurkunde ist am Schlusse von 55 fl die Rede, die einem Vorausvermächtniß zugeschrieben werden, was wahrscheinlich auf das im Eingange dieser Urkunde erwähnte Codizil v. J. 836 bezug hat. Ich schließe das gerichtl. beglaubigte Testament bei, u. in diesem ist von einem Codicil keine Rede, daher ich vermuthe, daß sich das auf die diesjährigen Dividenden jener 3 Rentenscheine beziehen müße, denn diese hat Dir, wie ich glaube, Ignatz schon damahls zugewieden. Wenn es nun dies ist, so haben sich die Herren geirrt, denn ich habe die Rentenscheine, die mir Seefeldner mitschickte, gleich eingelöst, d. h. abgegeben, zumahl sie mit dem Tod des Betreffenden verfallen, u. habe an dießjährigem Erträgniß nicht 55 fl, sondern 70 fl u. 28 xr erhalten. Diese übersende ich Dir ebenfalls, mithin Du samt den vorne bemerkten 25fl in Summe 95 fl 28 xr erhälltst. Ich lege die Kundmachung der Allgemeinen Versicherungsanstalt bei, wo ich mir die Dividenden anstreichen ließ, die Ignatz für das laufende jahr erhalten hätte, …..
Ich habe Dir nun die ganze Geschichte so gut auseinandergesetzt, wie ich es verstehe, u. nun bitte ich Dich erecht dringend mir zu sagen, ob Du im Reinen bist oder noch irgend einen Anstand hast. Sei in diesem Falle ganz aufrichtig, denn es ist zu meiner Beruhigung ganz unerläßlich, daß Du Dich in nichts verkürzt oder beeinträchtigt fühlst.
H. v. Seefeldner schrieb mir, wie Du hasthst, daß ich ihm eine Empfangsbestättigung schicken soll. Ich warte aber damit, bis ich von Dir Nachricht habe, daß Du das Geld erhalten hast u. daß Du in All u. Jeden im Klaren bist. Ich bin es, nur versteh ich die Geschichte mit dem Codicil u. den 55 fl nicht, wenn es nicht damit die oben bemerkte Beandtnis hat. Wenn Du mir schreibst, so schick mir auch alle Beilagen mit u. thu es so bald wie möglich, damit ich Seefeldner schreiben kann.
Stelle Dir vor, unsere Nichte Theres schreibt mir da auf einmahl u. zwar einen recht impertinenten Brief, worin sie mich verweist, daß ich ihr nicht den Tod Ignatz‘ selbst mitgetheilt habe, daß sie es erst von ihrem Bruder erfahren mußte u. daß es befremdend für sie sei, daß ich u. Du Erben sind u. sie nichts bekommt. Ich habe ihr geantwortet, daß Ignatz sein Testament 867 gemacht, daß ich ihn mehrmals drauf aufmerksam genacht, daß noch mehr Geschwister u. deren Kinder da sind u. daß sie beruhigt sein kann in ihrem Gewißen, daß ich weder das Testament erschlichen noch gefälscht habe. Ferners hab ich sie versichert, daß mich gar nicht befremdet hat, daß sie mir weder den Tod ihrer Mutter noch ihre Heirath notificirte, zumahl es nicht üblich, daß sich Leute, die sich eigentlich gar nicht kennen, schreiben, daß sie mir übrigens in ihrem ganzen Leben nie schrieb u. auch wahrscheinlich in der Folge nie geschrieben hätte, wenn sie nicht jetzt etwas zu erben hoffte. Hinsichtlich Deiner habe ich ihr bemerkl. gemacht, daß Du nach dem Tode unserer Mutter in bitterer Armut zurück geblieben bist, auf die Unterstützung Johanns angewiesen warst; endlich, daß ich auf eine Erbschaft von Dir so wenig wearthe, wie ich bei Ignatz nicht daraus gewarthet habe, daß ich übrigens nicht weiß, Dich auch nicht darum fragen werde, a) weil mich die Sache nichts angeht, u. b) weil es mir auch ganz gleichgültig ist. Ich glaube, sie wird mit dem, was ihr ihr schrieb u. wie ich es geschrieben habe, gerade genug haben.
Vom Eduard erhielt ich lange keinen Brief. Vielleicht ist er auch auf mich böse. Es sind sonderbare Leute.
Nun, liebe Mimi, sage ich Dir Adieu u. bitte Dich nochmahls mir gleich zu schreiben u. ja jeden Zweifel, den Du etwa haben könntest, unumwunden mitzutheilen. Die Beilagen vergiß nicht mitzuschicken, alles zu recommandiren aber nicht zu frankieren.
Louise grüßt Dich.
Dein alter Bruder Carl