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12. 10. 1870
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
12. 10. 70
Liebe Schwester!
Gestern erhielt ich Deinen Brief samt Einschlüßen. Ich glaube kaum, daß sich (natürlich nur vom richterlichen Standpunkte aus) eine eigentliche Schenkung jenes Sparkassenbuches gerichtlich nachweisen ließe. Für mich hat die Sache keinen Anstand, u. die daurch entfallenen 1160 fl, die ich Dir zuletzt schickte, bleiben Dein Eigentum. Damit aber die Verlassenschaftsabhandlung keinen Aufschub erleidet, so schrieb ich unter Einem an H. v. Seefeldner und bath ihn, dieses Büchl – das es nun inemahl verkauft ist – so wie den übrigen Nachlaß zu behandeln u. zwischen uns zu theilen, sonst haben wir noch eine Menge Schreibereien u. die Sache zieht sich in die Länge umso mehr, nachdem ich das Büchl auf keinen Fall mehr zurück erhalten könnte. Du verlierst natürlich nichts, denn Du hast einmahl Dein Geld und behältst es auchdarüber kann keine weitere Frage sein.
Was die Dividenden der Conten betrifft, so hat Seefeldner die Scheine behalten, um sie zu erheben u. sie werden seinerzeit in der Rechnung über die bei ihm befindlichen 500 fl erscheinen, worüber wir uns dann verständigen werden. Daß Ignatz seine Pension bis Ende September gefaßt hat, hab ich Dir schon gesagt, es ist demnach in dieser Richtung keine Forderung mehr ausständig. Sein Pensionsbogen war übrigens nicht aufzufinden, trotzdem ich überall darnach spähte.
Sohin glaube ich Deinen Brief vollkommen beantwortet zu haben, bis auf den Punkt, wo Du meine Dir bisher geleistete Unterstützung für die Folge ablehnst. Dies halte ich umso mehr für eine gaz überflüßige Faxe, weil wir auch dieses Capiel bei unserer Anwesenheit in Linz besprachen u. ich Dir schon damahls erklärte, daß ich Dir auf jeden Fall auch in der Folge dieselbe kleine Unterstützung laßen werde wie bisher, u. das wird auch geschehen. Dir wegen den par Gulden, die Du geerbt hast, Etwas zu entziehen, hätte auch gar keinen vernünftigen Sinn, u. ich glaube, daß sich darüber nichts Weiteres sagen läßt.
Ob Eduard heimgekehrt oder im glaubenseinheitlichen Tyrol eingefroren ist, weiß ich nicht, denn wir haben nichts mehr von ihm gehört, was uns besorgt macht, zumal er versprochen, gleich nach seiner Heimkehr zu schreiben, was mit Sigmund geschehen, d. h. ob dieser seine Prüfungen gemacht hat. Es wird doch kein Unglück geschehen sein.
Louise grüßt Dich. Lebe wohl.
Dein alter Bruder Carl