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5. 10. 1870
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Wien, 5. 10. 70
Liebe Schwester!
Gestern war ich in der Sparkasse, und nach den gemachten Erhebungen ist das in dem Nachlaß unseres Bruders vorgefundenen Sparkassenbüchl Nr. 2593, von dem Ignatz unter der Nr. 169386 gesprochen hat. Es sind nehmlich schon vor Jahren die Nummern bei Einführung einer neuen Manipulation umgeschrieben worden. Und da Dir Ignatz dieses Büchl geschenkt hat, so gehört auch der dafür entfallende Betrag mit 1129 fl 79 xr dein u. darf nicht unter uns getheilt werden. Ich habe noch gestern dieswegen an Herrn Seefeldner geschrieben u. ihn ersucht, mir den Brief des Ignatz gleich zu mir zu schicken. Das andere Sparkasse-Büchl Nr. 21787 mit 200 fl beträgt 470 fl 52 xr, u. da dies getheilt wird, so entfallen für Dich 235 fl 26 xr. Diese Summe zu jenen 1129 fl 79 xr gerechnet, macht 1365 fl 31 xr. Die alten 20 xr Stücke, die Du mir mitgegeben, werden nach dem Curs berechnet beiläufig 90 fl betragen, sohin Du im Ganzen circa 1450 fl bei mir liegen hast.
Ich war bei einem mir wohl bekannten Banquier, um zu fragen, was jetzt am vortheilhaftesten von Papieren anzukaufen wäre, u. er meinte: Rente u. Capitalien. Renten gibt es Papier u. Silber. Letztere bezahlen ihre Interessen in Silber, was allerdings mehr ist, solange der Silber Curs so hoch steht. Fällt aber der Silberkurs, so sind sie nicht mehr werth als die Papier Conten. Dafür kostet eine Silberrente dermahl 66 fl, während die Papierrente nur 56 fl kostet. Der Curs wechselt täglich. Creditactien, die einen Neuwerth von 160 fl haben, kosten heute 255 fl.
Entschließe Dich also, was Du gekauft haben willst, u. schreib mir dann u. ich werde Dir dann entweder die gewünschten Papiere oder das Baargeld senden. Schreib mir aber bald, denn ich habe nicht gern fremdes Geld bei mir liegen.
Meine Leute habe ich wohlauf gefunden. Sie grüßen Dich alle. Somit sage Dir lebewohl.
Dein alter Bruder Carl