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5. 6. 1861

lf. Nr.

Aussteller

Vater Anthoine, Mutter L.

Empfänger

Johanna A.

Liebe Johanna.
Schon vor etwa 8 Tagen kam ein Brief hier an mit der Adresse: „An Fr. Johanna v. A. in Bergham bei Linz“, dick gesiegelt mit einer Petschaft, die mit „Rosa“ bezeichnet war. Da wir nur Schneider-Commission, wie solche schon wiederholt vorkamen, vermutheten, so eröffneten wir den Brief, den ich dir hierneben sammt Beilage übersende.
Aus diesem Briefe geht hervor – so vermuthen wir es – daß Fr. Fanni nicht mehr bei der Familie Günter ist. Wir wissen jedoch nichts näheres, indem die Mutter mit Frl. F. in keiner Korrespondenz steht. Der mittlerweile zu einer Frau und Dame gewordenen „Rosa“ wirst du wohl bald das Dir geeignet scheinende schreiben müssen.
Was die Ferienzeit betrifft, so ist es wohl noch zu früh, schon itzt einen Entschluss zu fassen, denn die Ferien werden wohl erst Anfangs August beginnen.
Es kommt alles daraus an, ob du geistig, gemüthlich u. körperlich vollkommen u. so gesund bist, daß du die Hieherreise ersparen kannst.
Gewiß ist es mein u. der Mutter Wunsch, dich zu sehen, allein es kommt nicht allein auf den Wunsch, sondern auch darauf an, ob sich die Wünsche realisieren lassen u. ob die Erreichung des Wunsches mit den Mitteln in Einklang steht.
Doch wie gesagt: wir wollen uns den endlichen Beschluss vorbehalten. Vorläufig hast du dich nur zu erkundigen, ob du in Graz bei den Frl. bleiben kannst. Du wärst dann schon alt u. verständig genug, dich nützlich zu beschäftigen, dabei deiner Gesundheit allen möglichen Bedacht u. zwar in jeder Beziehung zuwenden.
..... wird dir am 15. Mai 5 fl behändigen. Mache davon einen beliebigen Gebrauch u. bringe deinen Namenstag froh u.freudig zu. Frau v. Schäffner sagte, daß sie dich gut aussehen gefunden habe, u. wir hoffen daher, daß du körperlich, geistig u. gemüthlich gesund u. stark, kräftig u. muthig, ruhig u. froh sein werdest.
Widme dir alle Sorgfalt und zwar dem Körper u. dem Geiste.
Gott segne, schütze und behüte dich.
Dein alter Vater Anthoine

Liebe Johanna!
Es ist zwar noch zu früh, um zu gratulieren, indessen handelt es sich, daß bis zum 15ten die Geldanweisung zur Auszahlung des Costgeldes etc. etc. geschehen muß, geht es unter einem. Ohnehin brauche ich immer einen Anlauf zum Briefschreiben.
Daß ich dir, mein liebes Kind, das Allerbeste wünsche, wirst du überzeugt sein. Gesundheit vor alle; es ist dieses ein himmlisches Gut, das man sich um keinen Preis in der Welt erkaufen kann. Gottes Gnade und Schutz sei mit dir, liebe Johanna, und wenn es der liebe Gott will, wird er dir auch eine frohe Zukunft bescheeren, wenn du auch das Deinige dazu thust. Wer in der Jugend fleißig war und gelernt hat, wird sellten im Alter darben müssen.
Das war recht freundlcih von der guten Spufer(?), daß die Euch besuchte. Sie fand dich recht gur aussehen. Hr. Docktor Reis(?) gibt alle Hoffnung zur völligen Genesung ihres ….., sie sollen nur bei den ….. bleiben, sagt er, er hält es für eine Ablagerung der ersten Krankheit, was mir wahrscheinlich vorkommt. Es ist noch nicht so ganz bestimmt, daß sie sich gerade nach Linz ziehen. Die Wohnungspreise sind hier in diesem Jahr so außerordentlich gestiegen und dazu noch schwer zu bekommen, daß es hauptsächlich von diesem Punkte abhängt.
Die Janowsky’schen grüßen Dich vielmals, die Anna wächst jetzt sichtbar, wird sich bald zu den Erwachsenen zehlen können, auch Johanna fängt an sich zu heben, wird aber nie ihre Schwester erreichen. Die gute Grimburg ist mit Mathildchen (die Lange genannt) auf das Land gegangen, im Salzburg’schen ist dieser Ort gelegen und heißt Seeham, liegt auch heut(?) am See. Es ist dort ein Wundermann (ein Symiede?) der für alle Uibeln durch Sympathie hilft, die im Blute liegen. Wir hoffen alles gute von dieser Cur.
Die Ferien sind noch immer zu sehr in der Ferne, als daß man Bestimmtes darüber verhandeln könnte. Kommt Zeit, kommt Rath, liebes Johannchen, wir werden sehen, ob es die Vorsehung gutheißt, daß wir uns sehen sollten.
Beiliegend wirst du ein Bildel finden, darum du dir nach deinem Geschmack kaufen kannst.
Lebe wohl. Es küßt dich mit ganzer Seele
Deine dichliebende Mutter L.

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