65
2. 1. 1861
lf. Nr.
Aussteller
Vater Anthoine, Mutter Louise
Empfänger
Johanna A.
Liebe Johanna, Dein Brief v. 27 Dez. hat mich recht beruhigt; du bist gesund, fleißig, zufrieden, hast gute Vorsätze u. das übrige wird sich geben: Arbeit u. Genügsamkeit, Nachdenken u. Benützung der Zeit werden die vortreffliche Dienste thun. Was ich in dieser Sache an Luise schrieb, wirst auch du liebes Kind beherzigen.
Deine Wünsche erwiedere ich auf das Lebhafteste- Möchtest du recht glücklich und zufrieden werden!
Da du den Unterricht im Tanzen wünschest, so will ich deinem Wunsche nicht entgegen sein. Du kannst durch 3 Monathe den Unterricht nehmen u. Frl. Ö. ersuchen, die bezügl. Auslage mit monathlich 2, zusammen 6 fl in die Rechnung zu bringen. Da dir die Mutter noch schreiben will, schließe ich, des Himmels reichsten Segen wünschend,
dein alter Vater
Anthoine
2. 1. 1861
Liebe Johanna! Die Briefe sollten heute noch fortgesendet werden, mithin muß ich mich beeilen. Des Himmels Segen sei über dich in diesem Jahre! Halte an deinen guten Vorsätzen fest, dann wird es gut für dich werden. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß mir dein Brief sehr viele Freude machte, deine Fortschritte sichtbar sind, überdieß …..igte mich deine Zufriedenheit. Du warst vernünftig genug, deine Stellung zu begreiffen, somit wird es wohl auch größtentheils von dir abhängen, selbe zu bewahren. Deine Briefe haben den Großeltern Freude gemacht. Marie(?) wird auch beiden bald schreibenu. Etwas senden, dafür ihr Euch bald bedenken müßtet, sei es nur in einigen Zeilen. Schön geschrieben natürlich, auf das halten sie was. Es war dein u. Louisens Brief recht schön u. ordnetlich geschrieben.
Trchte nur, Frl. Ölw. Die günstige Zuneigung durch Freundlichkeit u. Genauigkeit in allen Dingen zu erhalten!
Marie wollte dir selbst schreiben, wird sich aber(?) wohl auf ein anderes mal versparen(?) müssen, daß sie selbes mit mehr Muße ausführen kann. Du weißt, liebe Johanna, daß man gerade an den Feiertagen am allerwenigsten zum schreiben kommt.
Den Neujahrstag brachten wir bei uns selbst mit von Grimburg’schen und Minni ganz fröhlich zu. Wir gedachten Euer und wähnten Euch eben andiesem Tage bei (Anth…..?, Rath…..?). Ob wir es nicht errathen haben?
Reichenbach Deminte(?) ist vom Arzte aufgegeben. Das heißt, der Verlauf dieser Knochenerweichung geht unendlich langsam vor sich, wenn nicht die allgemeine Wassersucht ein schnelles Ende herbeiführt. Gehen kann sie nicht mehr, läßt sich immer zum Fenster hintragen u. sie sieht noch so aus, wie du sie verlassen hast, mit dem Unterschied, daß sie sehr angeschwollene Füsse hat. Du kannst dir denken, wie desparat die Mutter darüber ist. Clementine wird selbst bald schreiben.
Sofichen küßt dich vielmals! Manchmal fragt sie, wo ist meine Johanna! Die Antwort gibt sie immer selbst darauf: in Graz? Mit einer ganz feinen Stimme.
An Frl. Ölwein entrichte meine besten Empfehlungen und verbindlichsten Dank für die Glückwünsche u. daß du die Erlaubniß zum Tanzunterricht erhalten hast. Lebe wohl, liebes Kind, Gott erhalte dich gesund.
Deine Dich liebende Mutter Louise