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20. 11. 1860

lf. Nr.

Aussteller

Schwester Marie, Mutter Louise

Empfänger

(Schwester) Johanna A.

Liebste Schwester Johanna!
Schon einige Mahle habe ich dir, liebe Johanna, schreiben wollen, aber ich bin nie dazu gekommen.
Seit du von Linz fort bist, habeich noch viel mehr zu thun als früher, denn die ganzen Vor- und Nachmittage bin ich immer in der Nähschule beschäftiget, und in den Mittag- und Abendstunden geht die Arbeit auch nicht aus.
Die Großeltern laßen auch vielmals grüßen. Die alte Tante Haiden ist am 21. Oktober wieder zurück gekommen und zwar in Begleitung der Fritzi, die aber nach 3 tagen schon wieder nach Ungarn zurück ist. Die Haiden Hanni von Wels war bei dieser Gelegenheit auch in Linz, aber der Vetter Eduard konnte nicht kommen. Frau von Reichenbach hat itzt ein neues Kostmädchen, ein recht liebes Mädchen. Marie Reichenbach kann kein lautes Wort reden und die Klementine Reichenbach sieht elend aus. Wir sind immer allein und ich komme nirgens hin außer zur Grimburg Janoski.
Vor einigen Tagen führte mich der Vater [in] das Theater, wo die Oper „Wallfahrt nach Plörmel“ gegeben wurde. Es waren sehr schöne Gesänge, wir saßen neben den Denhoferischen von Leonding.
Lebe wohl, deine treue Schwester Marie
[gestrichen: Leonding] Linz den 20 November 1860

Ganz gut, mein liebes Kind, daß du dich im Handnähen übest. Ich wollte, ich hätte die Leinwand auf Hemden mitgegeben, Wenn du Schlafahuben benötigst, so kaufe einen Stoff dazu und mach sie dir. Wie sieht es mit dem Stricken aus? Vergeße nicht, daß du Komanst(?) von Mamman ein Battistsacktuch sticken mußt, daher du nie ganz außer Uibung kommen solltest.
Mit dder Zeit solltest du auch einmal den Janowskyi‘schen schreiben, die gute Seinuz(?) vermißt dich gar zu sehr. Mir scheint, sie verspätet sich mit ihrem Brief. Das ist fatal, daß ihr B. v. Schwarz nicht zu Hause getroffen habt, vielleicht glückt es euch das zweite Mahl.
Einige Flecke zu deinen Kleidern lege ich bey. Ich bedaure, daß ich nichts anderes beylegen kann, aber der Faden geht bei uns auch immer gleich aus; wenn er nur immer so lange ist, daß man damit das nöthigste bestreitten, darf man noch froh sein. (sic)
Wenn nur der Vater diesen Winter wieder gut übersteht, dann ist alles gut!
Lebewohl, liebe Johanna! Mit tausend Grüßen von den Deinigenund Umarmungen
Deine dich liebende Mutter Louise

Marie ist über ihre vermeintlich schlechte Schrift ungehalten , jedoch als entschuldigenden Grund gebe ich an, daß sie selben bei unserer bekannten brillanten Beleuchtung schrieb.

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