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18. 11. 1860

lf. Nr.

Aussteller

Vater Anthoine, [Mutter]

Empfänger

Johanna / Johannerl A.

Liebe Johanna.
Dein Brief ist recht hübsch und zieimlich gut geschrieben, u. was das beste ist, wir entnehmen daraus, daß du dich wohl befindest u. dich in deiner Lage behaglich fühlst. Du bist allerdings noch sehr jung, aber doch schon alt genug, um ernste Blicke in die Zukunft zu senden u. um die jetzigen Verhältnisse als eine Brücke zu erkennen, auf welcher du einer gesicherten Folgezeit entgegengehen kannst. Unbekümmert um die Stürme der Zeit, wirst du stets mit Ehren leben können, wenn die kurzen zwei Jährchen zurückgelegt sind. Sei also, liebe Johanna, getrost u. froh, sei fleißig u. thätig, kräftige auch so viel als möglich deinen Körper. Vorzüglich übe dich im Briefschreiben u. Aufsätze machen, im französischen Plappern u. lerne möglichst viel, auch im Kleidermachen übe dichso viel als es die Verhältnisse gestatten.
Den Fräuleins u. den Lehrern gegenüber benehme dich stets auf das anständigste, deinen Gefährtinnen aber gegenüber sei freundlich u. liebevoll, gütig u. wohlwollend. Suche mit Luisen die Feiertagsnachmittage bei Rath. Od. Schwarz zuzubringen, erheitere dich dabei u. laße im übrigen keine Zeit u. Gelegenheit vorübergehen, etwas zu lernen, besser u. verständiger zu werden. Was ich Luise geschrieben habe, wird auch auf dich Anwendung finden.
Lebwohl. Liebe Johanna, Gott segne dich u. möge sein Schutz mit dir sein.
Dein treuer alter Vater Anthoine

Liebes Johannerl!
Dein guter Vater hat schon ohnedieß alles berührt, was zu deinem Leitfaden dienlich ist u. was du mit gehöriger Aufmerksamkeit und Beherzigung in dir aufnehmen wirst und in das Leben übertragen. Dein guter Wille wird dir zur Seite stehen und das Werk vollbringen helfen.
Ganz besonders beruhigte mich deine Versicherung, daß du sich ganz nagewöhnt hast und zufrieden bist. Bemühe dich, dir stets das Wohlwollen von Frls. Oelw. zu erhalten!!
Frau v. Trabert hat in ihrem Breife an Maman das Erstaunen ausgedrückt, daß du sogar(?) jetzt in Gratz wärest. Sie weiß es von ihrer Enkelin aus, die auch selbes Institut besucht. Diese Schülerin müßte natürlich Chabert heißen, mir scheint, sie nannte sie Marie. Du kannst ihr dein Vergnügen bezeigen, daß du ihre Großmutter kennest.
Der Winter ist gar ein fataler Gesele, den wir nur einmal die erste Hälfte verdauet haben, die zweite ist weniger beschwerlich. Wie froh bin ich, heuer diese fatale Jahreszeit nicht mehr in Bergham verleben zu müssen! Wie leid ist mir um die angenehmen Kirchen(?) Spazierfahrten. Die herrliche Passage von dem Hotel Schafbauern nicht mehr passieren zu dürfen, etc. etc. etc.
Sofiechen bedankt sich gar schön für die hübschen Gamaschen. Sie wollte sich’s durchaus immer an die Arme stecken und nicht zugeben, daß sie für die Füße bestimmt wären. Endlich hat sie es doch auch für gut befunden und ihre eigentliche Bestimmung eingesehen. Trotz daß sie wenig jetzt in die Luft kömmt, sieht sie doch gut gefärbt aus. Ein graues Filzhutl habe ich ihr gekauft.
Endlich habe ich mich entschließen müssen, auch für mein Hapt einen Hut zu wählen, im Bazar kaufte ich ihn um 8 fl 50 x. Er ist lichtgrau mit braun und hat auch braune schwere Band (sic). Natürlich ist es Geschmackssache. Die Grimburg ließ sich einen recht hübschen grünen Hut machen.
Die Großelternu. Bruder grüßen euch beide herzlichst. In der ersten Hälfte Dezbr. Könnt ihr den Großeltern schon schreiben und eure Neujahrwünsche anbringen, ferners auch verschiedenes und über die Eintheilung der Lehrstunden schreiben. Ja nicht zu vergessen, daß du nocheinm. Dich dankbarst deines mitgegebenen Geldgeschenkes erweisest?
Ich werde noch einiges in Mariens Brief anbringen, weil ….. dieses Blatt zu Ende geht.

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