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6. 6. 1859
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Este 6. 6. 59
Meine liebe Mimi!
Wie ich Dir und Johann noch von Wien schrieb, so sollte ich am 17. May von dort abrücken. Dies geschah auch, ich ging mit meiner ganzen Brigade mittels Eisenbahn bis Adelsberg, dann wurde ich auf der Straße gegen Fiume vorgeschoben u. sollte den dort liegenden Truppen zur Unterstützung dienen, falls die Franzosen eine Landung machen und ins Land eindringen sollten, was in den ungeheuren Karstgebirgen, wo sich Stellungen genug biethen, nicht sehr schwer gewesen wäre. Um mich für den Fall des Bedarfes zu orientieren, habe ich das Land die Kreuz u. Quere durchzogen u. kam nach Fiume u. Triest, was in vieler Hinsicht für mich sehr interessant war.
Aber bald erhielt ich Order, plötzlich aufzubrechen, u. binnen zwei Stunden war ich mit meiner gesamten Armada im Marsch, um ins Venetianische zu gehen. Das war etwas fatignant u. ich machte ungeheure Märsche, 20 – 25 Miglien an einem Tage, sodaß ich binnen sieben Tagen gegen 36 Meilen zurück gelegt habe u. für meine Person manchmals 12 – 14 Stunden nicht vom Pferde kam. Aber man kann bei gutem Willen viel leisten, u. mein altes zerschoßenes Gebein hat redlich ausgehalten. Übermorgen komme ich bereits ins Lombardische u. meine vorläufige Bestimmung ist Ostiglia, wo ich die Po-Übergänge zu bewachen habe. Ob meine dortige Stellung eine bleibende sein wird, ob wir ins Modenensische hinübergehen oder abwarten werden, bis die Franzosen herüber kommen, das alles weiß ich natürlich nicht. Die Chancen im Kriege sind viel zu mannigfaltig, um hier auch nur mit einiger Zuversicht etwas sagen zu können. Jedenfalls befinde ich mich auf einem gänzlich vorgeschobenen Posten u. muß gewärtig sein, jeden Augneblick zum Handkuß zu kommen.
Bei solchen Geöegenheiten ist es sehr leicht möglich, daß man in Lagen kommt, welche längere Zeit jede Mittheilung unthunlich macht, u. es wäre sohin sehr leicht möglich, daß ich Dir auch Dein Geld mit 1. Juli nicht schicken könnte. Ich ergreife also die Gelegenheit , welche sich hier darbiethet, Dir die gewißen 30 fl pro Juli, Aug. u. September und, weil es sich gerade gut schickt, auch jene für October, November u. December zu schicken, was zusammen 60 fl macht. Da wir hier nur Silber erhalten, die letzten Curs-Notierungen aber von 40% schreiben, so schick ich Dir hier 50 fl in Silber, wodurch jene 60 fl zimlich ins Reine kommen dürften.
Du wirst lachen, daß ich mich auf meine alten Tage auf Curs u. Agio verlege, aber der Mensch muß sich in alle Lagen fügen u. schmiegen, u. da ich gerade in der lage bin es thun zu können u. man bei den dermahligen wirklich trübseligen Verhältnissen nicht wissen kann, was geschieht, so will ich Dich wenigstens für die nächste Zukunft mit meiner kleinen Beisteuer in Vorhinein versehen.
Grüße mir vielemahls meine Brüder, Louise u. ihre Kinder, auch unsere alte Theresia sei gegrüßt. Vielleicht lernst Du die Frau eines Generals Wachter kennen, eine sehr kränkliche, aber recht liebe u. gute Frau. Ihr Mann war inmeiner Brigade. Sie ist, als ihr Gatte ausmarschieren mußte, nach Linz gezogen, wo ihre Eltern leben. Empfehle mich ihr.
Und nun, meine liebe Mimi, nehme ich Abschied von Dir. Gott erhalte uns alle gesund, u. möge es Gott geben, daß ich glücklich wiederkehre u. auch alle nach überstandenen Gefahren u. Leiden wiedersehe. Ist es im Himmel anders beschloßen, so empfehle ich auch meine Kinder.
Dein alter Bruder Carl