59
18. 1. 1859
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
[Debrezin] 18. 1. 59
Liebe Schwester!
Die Mobilmachung so viele Truppen ließ mich in einigen Zweifel, ob nicht auch ich meine Bündel würde schnüren müßen; aber bis nun wurde ich noch nicht berührt. Indeß habe ich auch einen Telegrafen in meiner Station und wo sich ein solcher befindet, da ist der Mensch keinen Augenblick sicher. Dies ist der eignetlich Grund, warum ich Dir nicht früher schrieb, denn eigentlich hätte ich Dir schon mit 1. d. das Dir zugesicherte Geld schicken sollen. Indeß folgt dieses in der Anlage pro Jänner, Feb. u. März mit 30 fl CM. Ich rechne nehmlich noch immer in diesem Gelde u. kann mich nur schwer daran gewöhnen, daß der Gulden nicht mehr 60 Kreutzer haben soll. Aber an was muß sich der Mensch nicht gewöhnen, wenn er alt wird. Das Alter selbst ist eigentlich schon eine ganz schlechte Gewohnheit.
Ich danke Dir für Deine guten Wünsche u. erwiedere sie von Herzen. Aber mit den guten Wünschen ists eine eigene Sache, sie gehen nicht in Erfüllung. Ich wünsche mir übrigens für meine Pension gar nichts als Gesundheit, denn meine anderen Lebensverhältnisse sind erträglich und Debrezin ist noch lange nicht die schlechteste Garnison.
Von meinen Buben höre ich, daß sie gesund sind, aber mit dem Lernen geht es sehr langsam u. ich muß den Ältern seine Klaße repetieren laßen, weil er in der Mathematik nicht fortkommt. Es ist wirklich lächerlich, welche Anforderungen heut zu Tage von der Jugend gemacht werden. So ein 12jähriger Bub muß Mahtematik studieren. Mit dieser schönen Wissenschaft sollten sie mit 16 Jahren anfangen, dann wäre ein vernünftiger Erfolg zu erwarthen. Dafür wird manches andere, was für die Kinder so nothwendig wäre, vernachläßiget. Überhaupt bliebe hinsichtlich dieser Institute viel zu wünschen übrig – aber auch das bleiben unerfüllte Wünsche.
Warum Ignatz u. ich nicht korrespondieren, weiß ich wirklich nicht, aber es addirt noch von 18 – 20 Jahren her, als er anfing, meine Briefe unbeantwortet zu laßen. Als meine Frau starb, da erhielt ich ein Condolenzschreiben, das ich zwar beantwortete, aber dabei blieb es.
Ich schließ hier auch einige Zeilen für Bruder Johann bei. Er wird Ängste Haben wegen Emilie, aber ich glaube kaum, daß sie begründet sein dürften. Hoffen wir das Beste.
Und nun lebe wohl, erhalte mir Deine Liebe u. sei versichert, daß auch ich stets verbleibe Dein alter Bruder Carl.
Unserer unverwüstlichen Jungfer Schwägerin recht viel Schönes.