58
31. 10. 1858
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Debrezin, 31. 10. 58
Liebe Mimi!
Ich bin am 22. August von hier abgegangen, hielt mich in Wien nur 1 Tag auf u. ging dann nach Baden, zog meine beiden Buben an mich, badtet und machte alle Excursionen, die man machen kann, denn ich bin gottlob noch ein ganz guter Ausgeher.
Meine Kinder, die immer sehr an mir hingen, waren in ihrer Glücklichkeit. Aber am 20. September fühlte ich mich plötzlich unwohl. Weil ich aber den Buben den Spaß nicht verderben wollte, so that ich mir Gewalt an u. fretete mich durch bis zum 28., an welchem Tag ich sie in Hainburg übergab.
Ich ging nun meiner Geschäfte wegen nochmals nach Wien, wo mir aber immer miserabler wurde, u. als ich endlich am 4. d. hieher kam, so war ich im vollen Ernst hart krank. Ich ahbe da 10 – 12 sehr schlimme Nächte u. nicht weniger böse Tage erlebt, einsam u. verlaßen. Nun ists wieder vorüber, aber noch nicht ganz gut. Seit gestern amtiere ich auch wieder.
Diese meine Krankheit war Schuld, daß ich Dir nicht schrieb. Ich wollte Dir aber nicht sagen, daß ich krank sei. Ich würde Dir sonst schon geschrieben haben, umso mehr, da ich Dir noch für diesen Monat kein Geld geschikt hab. Es folgen also 30 fl pro Oktober November u. December. Johann grüße ich vielmahls. Er meint, ich solle ihm per Post einen Mann schicken für seine Tochter, einen Ungarn. Ich bin recht froh, daß ich das nicht kann, denn diese Leute sind hierlands so roh, daß ich eigentlich nicht begreife, wie sich überhaupt ein Mädchen entschließen kann, sich einem solchen Lakel anzuschließen. Diese Leute sind zu keinem Amt brauchbar. Das einzige Geschäft, das sie u. z. so schlecht wie möglich betreiben, ist Wirtschaft u. Jagd. Außerdem wird gespielt u. gesoffen. Es gehört zum bon ton, sich, besonders wenn sie in die Stadt kommen, so roh wie möglich zu zeigen. Wenn ich also Deiner Pflegebefohlenen einen Mann schicken soll, so muß sie schon warten, bis ich in eine andere Provinz versetzt werde.
Wäre ich um ¼ Jahrhundert jünger, so würde ich selbst einen schüchternen Versuch machen, mich ihr zu Füßen zu werfen, ungeachtet der einzuholenden päpstlichen Dispens.
Meine liebe Mimi, leb wohl. Ich danke Dir für Deine Erinnerung zu meinem Namenstag. Viele Grüße an alle.
Dein alter Bruder Carl