55
1. 6. 1858
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Debrezin, 1. 6. 58
Liebe Schwester!
Ich bin erst vor Kurzem nach Hause gekommen. Seit 2. April, wo ich nach Wien ging, war mein Aufenthalt im eigentlichen Garnisonsort nur momentan. Ich fuhr in die Keruz und Quer im Land herum. Das waren aber keine angenehmen Vergnügungsreisen, sondern der leidige Dienst hat sie herbeigeführt.
Aus Deiner letzten Mittheilung ersehe ich mit Bedauern, daß es Dir etwas knapp geht, umsomehr da ich Dich nicht so unterstützen kann, wie ich es gewiß von Herzen gerne möchte. Indes, so viel habe ich gottlob, um Dir wenigstens einigermaßen unter die Arme greifen zu können. Ich werde Dir vom laufenden Monath angefangen regelmäßig 10 fl C. M. monathlich seinden, u. wenn Du etwa krank wirst oder sonst eine besondere Hülfe benöthigest, so schreib mir offenherzig, u. Du wirst mich gewiß jederzeit bereitwillig finden, Dich nach meinen Kräften zu unterstützen. Beiligend folgen pro Juni u. July 20 fl CM.
Meine Buben habe ich gesund angetroffen, auch von Kronstadt höre ich Gutes von meinem Jüngsten. Ich bin auch gottlob so gesund, als man es von einem so alten, zermarterten Burschen noch erwarten kann. Mein stets reges Leben erhält mich in meiner Rüstigkeit – so glaub ich wenigstens.
Meine zwei Buben hoffe ich heuer ins Cadeten Institut zu bringen. Aber Gratisplätze sind für höher gestellte Offiziers nicht zu haben, sondern nur sogenannte Aerarial-Zahlplätze, u. so kommt mich so ein Bub auf ca. 300 fl aufs Jahr. Nun, wenn sie nur gut lernen und brav werden. Ich lebe seit dem Tode meiner guten Frau einzig nur für meine Kinder, u. so lange ich kriechen kann, will ich mich ihnen zulieb auch fortrackern. Bin ich einmahl hin, dann mag der Himmel für die sorgen.
Ich hoffe, liebe Mimi, daß Dich mein Brief bei gutem Wohlsein antrifft, wenigstens wünsch ich es von ganzer Seele. An Johann mit allden Seinen viele Grüße, auch an Ignatz u. Therese Hayden. Dich umarme ich. Und gedenke in Liebe Deines alten aufrichtigen Bruders
Carl