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2. 4. 1858
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Debrezin, 2. 4. 58
Liebe Mimi!
Deinen u. Johanns Brief nebst allen frommen Wünschen zu meiner endlich erfolgten Beförderung habe ich noch vor mehr als einem Monath erhalten u. ich danke Euch umso mehr dafür, da ich überzeugt bin, wie gut Ihr es immer mit mir meint.
Meine Bestimmung als Brigadier ist hier in Debreczin. Dies ist eine immens große Satdt mit 4000 Häusern und 36.000 Einwohnern, der Sitz des wahren Magyarenthums. Hier hatte 1848 Kossuth sein Unwesen getrieben, u. die reformierte Kirche, in welcher am 15. März die Detronisierung ausgesprochen wurde, steht mir vor der Nase. Und so oft ich dieses Haus Gottes sehe, so fällt mir immer unwillkührlich ein, daß, wenn rechtzeitig vor dieser Kanzel der … obligate Galgen errichtet worden wäre, was da alles für Unheil verhüttet werden können. Nun ists auch so gut, oder beßer gesagt, es muß gut sein.
Eehe ich hieher ging, besuchte ich meinen kleinen Buben in Kannstadt, dem es dort im Hause seiner Tante, wo noch 5 Kinder von 3 – 13 Jahren sind, unter großmütterlicher Aufsicht sehr gut geht. Von da retournirte[?] ich nach Hermanstadt u. ging dann über Klausenburg u. Großwardein hieher, wo ich am 7. v. M. ankam. Ich bin hier vortrefflich bequartiert, aber damit ist auch alles gesagt, denn das gesellige Leben steht da unter Null, … ist keine. Zehn Schritt außer dem Ort steht man auf einer unabsehbaren Busta. Kein Feld, kein Grashalm außer dem sogenannten Stadtwald, zu dem man auch nur über ein Sandmeer gelangt, ist nichts Grünes, kein Hügel von der Höhe eines einstöckigen Hauses, kein Bach, gar nichts zu sehen. Ich kann mir nichts trostloseres denken als die Environs de Debrezin. Das Einzige, was gut ist, ist daß die Eisenbahn bis hieher geht, mittels welcher man in 18 Stunden in Wien sein kann. Mit dieser Gelegenheit gehe ich heute ab, bin morgen früh 5 Uhr in Presburg, von wo ich mittels Dampfboth nach Heinburg fahre und bei meinem Julius, der dort im Kadeten Institu ist, den Chrasamstag u. den ersten Feiertag zubringen will. Montags früh 9 Uhr gedenke ich in Wien zu sein. Ich muß mich da als neugebakener General beim Kaiser und bei wenigstens noch 33 anderen hohen, höheren und höchsten Herrschaften vorstellen und will auch die entsprechenden Schritte machen, um meinen zweiten Buben, der in Wien im Privat Institut ist, heuer in das Cadeten Institut zu bringen.
In acht Tagen will ich nach Pesth retournieren, wo mich wieder eine Menge Milion Eliquets [?] u. dienstliche Vorstellungen erwarten. Dann soll ich meine Brigade bereisen, die aber sehr zerstreut ist, daher ich von Pesth über Temesvár – Arrad – Großwardein wieder hirher kommen soll. SO steht es im Programm des gehorsamst Gefertigten, ob aber der liebe Herrgott oder sonst ein irdischer Herrscher nicht anders disponieret, das weiß ich nicht u. bin nur froh, daß wenigsten die Göttinnen[?] keinen starken Einfluß mehr auf mich nehmen.
Du siehst, meine liebe Schwester, daß ich nichts weniger als ein ruhiges Leben führe. Ich bin aber gottlob gesund dabei. Wenn es nur noch recht lange so bleibt.
Nun lebe mir recht wohl, der Himmel erhalte Euch alle. Grüße an Ignatz, Johann u. alle die Seinen, von Deinem alten Bruder
Carl