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11. 12. 1856

lf. Nr.

Aussteller

Carl A.

Empfänger

Marie A.

[Wien?] 11. 12. 56
Liebe Mimi!
Du weißt, daß ich ein Stock[?] war im Gratulieren, aber dießmahl nimm ich das neue Jahr zum einzigen Vorwand dieses Schreibens und bringe Dir meine besten Wünsche dar, zwar nicht in so schönen Worten, wie sie einst Emile Plank dichtete, als Du ihm das Wünschen schwer machtest, sondern in einfacher Prosa. Also der Himmel erhalte Dich, u. wenn er will auch mich u. s. w.
Ich habe da einige Kleinigkeiten zusammengepaßt, von welchen ich wünschte, daß sie meinen verschiedenen Muhmen u. besonders den Nichtleins eine kleine Freude machen sollten. Sie also so gut, sie ihnen zum Christkind zu offeriren. Die daran klebenden Zettel bezeichnen die künftigen Besitzer derselben.
Ich halte seit einiger Zeit Spital im Hause. Zuerst hatten die zwei größeren Buben bedeutenden Cartharr, welcher sie acht Tagezu Hause hilet, dann wurde das Kleine krank, und endlich meine Schwiegermutter, Nun geht’s wieder besser bis auf einen sogenannten Schafs- oder Eselshusten, der bei dem Einen noch immer nicht weichen will. Ich war bisher noch am tapfersten, fange aber doch an allmählich einzusehen, daß die ganze Wirtschaft auch keinen Teufel mehr werth ist u. das Haus anfängt alt zu werden. Aber das Alter resp. das „Altwerden“ ist die Schattenseite des langen Lebens, und da ich mich, so lange ich jung war, nicht erhängt habe, so muß ich mir nun nebst manchem anderen auch das gefallen laßen.
Ich habe unlängst dem Eduard Hayden geschrieben, seine Schwester Theres hat mir einige Date über seine Familie gegeben. Er will, glaub ich, eine Geschichte daraus schreiben. Von Fritzi hab ich nichts mehr gehört. Die ist ein tüchtiges u. recht gescheites Weib geworden. Aber Mad. Kornblum hat mir wieder geschrieben. Oncle Plank, weiß ich, hat behauptet, daß sich ihre Mutter, die Großmama, ein Loch in den Thränen[?]sak gerißen hätte, und dieser Riß ist seines ganzen Umfanges nach an die Tochter übergegangen, denn es ist beispiellos, was mir diese Frau fortwährend vorlamentiert u. vorkrächzt.
Grüße mir Johann samt all den Seinen, auch Schwägerin Theres und Eduard Hayden, wenn Du ihn siehst. Auch Du sei mir herzlich gegrüßt.
Dein alter Bruder Carl
Da der Plunder, den ich da überschicke, gar keinen Werth hat, um ein Post-Porto dran zu wenden, so gab ich ihn heute schon zusammen, um ihn gelegenheitlich zu expedieren, habe aber vorläufig noch gar keine Idee, wann Du ihn erhalten wirst. Leb wohl.

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