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14. 8. 1854

lf. Nr.

Aussteller

Johann A.

Empfänger

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Besteigung des Untersberg Montag am 14. August 1854
Jene colossale Gebirgsmasse, welche einerseits bei Reichenhall der Saal das Gebieth vorzeichnet, auf der anderen Seite aber das Berchtesgadner Ländchen begränzt, ist unter dem Namen Untersberg bekannt. Um so höher nimmt sich dieser Gebirgsstock aus, da er ohne irgend ein Vorgebirge mit einemmahl aus der Erde zum Himmel emporstrebt und dem Beschauer seine ganze Breitseite in das Gesicht stellt!
Nachdem ich vom Schlammischen Badehaus aus die ungeheuren Kämme dieses Gebirges vom 9. August an immer vor Augen hatte, entstand in mir der Wunsch, dessen Höhen zu besteigen.
Da die der Stadtseite zugewendete Gebirgsbreite den ganzen Rücken auf grünschattig bewachsen sich darstellt, war es klar, daß die eigentlichen Höhen in Mitten des Stockes lagern müßen. Am 13. AUgust war ein herrlicher Sommertag; indem sich der Abend erquickend über die Landschaft ergoß, zeigten sich alle Höhen ringsum im dunkelblauen Firmamente rein gegränzt, mit Millionen Sternen war der Himmel geschmückt – nur dem Gefühle, nicht aber dem Gehör machte sich ein belebender Luftzug bemerkbar; tiefe Stille ringsum. Einer solchen Nacht muß ein schöner Tag folgen – er brach an in aller denkbaren Pracht.
An Schlaflosigkeit leidend, findet mich ein lähmender Schlaf erst in den frühesten Morgenstunden; es war 5 Uhr wie ich das Bett und 6 Uhr wie ich das Badhaus müde und matt verließ; mein Weg war zuerst in die Mayerei von Glanegg gerichtet. Gang und Frühstück richteten mich ein , der Wegweiser wurde bestellt, der Vorrath für Hunger und Durst geordert, der Bergstock ergriffen und der Weg in die Kugelmühl eingeschlagen. Es war 7 Uhr früh. Wir – der Führer und ich – schritten auf der Straße fort, den Fürstenbrunn und die Amrmorbrücke links lassend. Beim oberen Steinbruche, welcher ein europäische Berühmheit hat, wendeten wir uns aufwärts im kühlen Schatten eines Waldes, welcher sich bis zu den sogenannten sausenden Wänden erstreckt. Wohl mag hier der Strum gewaltug tosen, da selbst der Schwerzruf laut sausend den Wiederhall findet, der sich mit dem Getöse der aus den Eingeweiden der Berge hervordringenden Wässer vereinigt. Hat man diese Wände hinter sich, so erreicht man das Sulzenkarl, einen niederen Kaar, in dessen kesselförmigen Räumen einst Schaaren von Gemsen gesulzt worden sind. – Nicht eines dieser ebenso kräftigen als zarten u. genügsamen Geschöpfe ist hier dem Verderben entronnen. Weiter aufwärts geht der Anstieg zum Seppendorfer u. über die Schwabmüller Alpe. Nach einer kleinen halben Stunde verlieren sich die Bäume allgemach und schon befindet man sich auf einer Art weiten steinigen Plateau.
Bald verschwinden die Höhen, welche man von Salzburg aus sieht, nehmlich der Kühsteinspitz, der Sommerbichl, der Abfalter, immer öder wird die Gegend, schon beginnen die Kiefern ihren Wachsthum zu kriechen. Man ist im Bereiche der Latschen, wenn man die Höhe erreicht, welche zum Mukenbrunn, zum Steinernen Hasen, zu den Häuseln genannt wird.
Jetzt erst steigen die drei höchsten Köpfe des Untersberggebirges in kolossalen Forman empor. Welche Hand hat auf Berge Berge gethürmet, welche Kraft auf wüste Höhen die hohen Throne errichtet? Die 3 höchsten Köpfe heißen: die hohen Throne u. der Ochsenkopf. Auf jenem hohen Thron, welcher der Stadt Salzburg näher liegt, waren unsere Schritte gerichtet. Es geht steil und hoch aufwärts, rechts senkrechte Wände, links undurchdringliches Latschach, zwischendurch Geröll und Gestein, durch dasselbe und über das hinauf dein Steig als den man selbst wählt (?). So erreicht man nach nicht gefährlichen, aber doch beschwerlichen Steigen den hohen Thron, auf dessen oberster Spitze ein Kreuz errichtet ist, wie es wohl einfacher nicht sein könnte, welches aber vollkommen hinreicht, den Ersteiger darauf aufmerksam zu machen, daß das höchste Wesen, welches mit allmächtigem Winke Berge und Thal erschuf, auch in den Menschen einen Funken Leben legte, welcher ermöglicht, daß wir die Herrlichkeiten der Welt u. die Allmacht des Ewigen – wiewohl mit blödem Auge und beschränktem Sinne – erkennen.
Es war 12 Uhr vorüber, der Weg von der Kugelmühle bis zur höchsten Spitze ward sohin in 5 Stunden zurückgelegt.
Frischer, froher und weniger müde als 5 Stunden vorher lagerte ich mich am Fuße des Kreuzes. Mit Wonne schweifen die Blicke über die Länder, der Himmel war günstig, die Witterung ließ icht zu wünschen übrig, kaum war die Bekleidung mit einem erwärmenden Rocke nöthig.
Man sieht einen Theil des Königs-, weiter den Chiem-, den Waginger-, den Absamer-, den Matsee, den Seekircher- u. Fuschlsee. Die Spitzen der Berge des Untersberges, die man von Salzburg aus sieht und für die Höhen des Untersberges hält, muß man suchen, nur der Geieregg(?), wiewohl vielleicht 1000‘ niederer, ist noch voragend, dagegen ist der Berchtesgadner Thron u. der Ochsenkpof etwas höher als der österr. Hohe Thron, benehmen aber nichts von der Aussicht. Der Staufen zeigt sich gleich hoch mit dem Throne. Der Gaisberg mit seinen Nebenbergen erscheint hügelartig, ebenso der Haunsberg. Maria Plain liegt in fast ebener Lage. Es kann kein Berg vorstehen und man müßte München u. was dann folgt , das halbe Bayern, den Innkreis u. s. f. übersehen, wenn das Auge alles erfassen könnte, und sich nicht alles je weiter desto mehr verflachen würde. Die Donauberge sind wie ein Streif. Erhebend ist der Anblick der Gebirge. Wer zählt wohl die hervorragenden Häupter, das steinerne Meer mit seinen zahllosen Höhen, den beiden Watzmännern und dem Hundstor, das spitze Achtelhorn, das Tennengebirg, die Kapruner-, Fuscher-, Rauriser-, Gasteiner-, Großarl u. ……(?)tauern.Mehrere Köpfe, die ich vom Speierek*, der Göllwand*, dem Gamskaar*, dem Sonnkopf*, vom Brettnerhorn* wohl schon gesehen und auch bestiegen haben mochte, - die Jahre vergehen, aber die Werke des Herrn bestehen ewig – glaubte ich zu erkennen, den pfeilgeraden Kitzstein, das Wisbachhorn u. die Tauern von Mallnitz**.
Nach gethaner Arbeit ist gut ruhn – wie liegt es sich so weich auf der steinigen Höhe! Wie mundet der Wein, wie stärkt und schmeckt das einfachste Mahl. Gott sie Dank, doch einmahl nach langer Zeit wieder mit Lust gegessen! Nach einer Ruhe von 1 ½ Stunden auf der Höhe von mehr als 6000‘ wurde im Rückweg noch der Geieregg bestiegen. Über die sogenannte Firmian-Alpen – längst sind diese in den Händen anderer Besitzer – kommen wir in der Nähe von Glanegg bei der Finanzwachkaserne herab, und es schlug 6 Uhr Abends, als ich in das Badhaus eintrat.
Schon hingen da auf den Höhen kleinere Nebelmassen, schon zeigte sich eine bedenkliche Luftkühle. Der 15. War Morgens schön, verlokte so manche, die Besteigung zu wagen, allein keinem gelang sie, denn bald lagerten sich dichte Nebel, der Wind fing zu heulen an und Ströme von Regen ergossen sich. Mir aber war das Glück günstig, und mit einem aufrichtigen „Gott sei Dank“ schließe ich.

[Ende]

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