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17. 3. 1846
lf. Nr.
Aussteller
Carl A.
Empfänger
Marie A.
Ropczice am 17. 3. 1846
Liebe Mimi!
Dein Brief vom 26. Februar hat mich tief betrübt u. diese gute Seele, die so wenig frohe Tage erlebte, so viel Ungemach ertragen und alle ihre Leiden mit einer Hingebung u. Resignation ertrug, die man nur bewundern kann, hat nun ausgelitten. Ich kann Dir nicht sagen, liebe Mimi, wie weh es mir gethan hat, die Nachricht Ihres Todes zu erhalten umsomehr, daß es mir sehr unvermuthet kam. Die Gute hat mir noch vor etwa einem Monath geschrieben und eine so herzliche Theilnahme an meiner Verheirathung geäußert. Möge der Himmel geben, daß sie jenseits nur den zehnten Theil finde von der Wiedervergeltung u. die Gnade Gottes , auf die sie mit so frommer Zuversicht stets baute.
Ich danke Dir von Herzen für Deine Glückwünsche u. Liebe, die zu mir u. meinem kleinen Weibchen geäußert werden. Ich bin überzeugt von Deinem guten Herzen, wir liebten uns ja stets. Selbst damahls waren wir uns herzlich gut, als wir nach einer unvernünftigen Jugend uns bisweilen von unzeitiger Hitze hinreißen ließen u. feindlich gegen einander auftraten. Das ist nun vorbei, wir sind alt geworden u. Du hast wohl ganz recht, wenn Du sagst, daß uns der Tod unserer Schwester Theres nur noch mehr verbinden soll. Jung sind wir keines mehr u. über kurz oder lang muß Eins nach dem Andern davon.
Meine eheliche Glückseligkeit habe ich nicht lange ununterbrochen genoßen. Du wirst gehört haben von dem tollen Zeugs[?], welches die Pohlen in ihrem ewigen Freiheitsschwindel angefangen haben. Wir lebten zuerst in Lemberg in einer stetten Aufregung, ewige Alternierungen, stetter Wirrwarr. Ich habe wochenlang nicht ausgezogen zu Hause schlafen können. Endlich erhielten wir Marschbefehl u. mußten binnen 24 Stunden weg. So bin ich seit 2. d[ieses Monats] von Lemberg fort, mußte nathürlich die Frau zurücklaßen, was ihr und mir doppelt weh that, zumahl sie dort ganz fremd ist. In dessen habe ich so viel Bekannte, daß sich die Sache noch ziemlich gut gemacht hat und sie an mehreren Orten eine herzliche Aufnahme fand. Seit einigen Tagen bin ich nun hier, wo ich mit meiner Comp[agnie] dieses kleine Judennest besetzt habe. An Insurgenten ist nicht mehr zu denken, die sind aufgelöst. Aber das Landvolk, welches großen Theils seine Grundherren u. Beamten erschlug, die ihnen Aufruhr predigten, ist noch nicht ganz ruhig, u. bis da nicht alles applanirt ist, ist auch an keine Enderung unserer dermahligen Aufstellung zu denken. Das ist fatal.
Ebenso betrübt ist es, daß sich die Sache mit meiner Beförderung so lange hinzieht; vorgeschlagen bin ich u. im Regiment weiß ich, daß ich nicht übergangegn werden kann, aber ein Fremder kann vom Hofkriegsrath heringeschummelt werden, wogegen sich leider nichts einwenden kann. Du weißt ja meine ausgezeichnete Protektion, deren ich mich stest erfreut. Da muß man immer aufs Schlimmste gefaßt sein.
Was werden denn jetzt die armen Mädchen machen, die Theres u. Emilie; ein Glück, daß Fritzi geheirathet hat, es kann vielleicht eine Schwester zu ihr gehen. Mit welcher Freude die gute Theres mir die Verbindung ihrer Tochter mittheilte u. wie sie sich vornahm, Dich im kommenden Spätjahr zu besuchen. Aber so ist es: man soll nicht 24 Stunden voraus rechnen. Wir armen Erdenwürmer sind doch sehr miserabel dran. Was vor uns ist, sehen wir nicht, und bleiben wir zurück, so sind nur Schmerzen und Leiden die Punkte, an denen sich die Erinnerung festhält.
Nun lebe wohl, liebe gute Schwester, erhalte mir Deine Liebe, der ich auch meine kleine Frau empfehle, die ein seelengutes Geschöpf ist u. von der ich überzeugt bin, daß sie Dir gewiß gefallen würde – nicht ihrer Schönheit, aber ihrer Güte und sonstigen guten Eigenschaften wegen.
Nochmahls, lebe wohl. Ich küße dich ganz herzlich, Dein alter Bruder
Carl
Wenn Du mir jetzt schreibst u. mich Dein Brief hier finden soll, so müßtest Du ihn nach „Sendziszow“ addressirn, was meine nächste Poststation ist. Den Kindern der Schwester viele Grüße.