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26

8. 3. 1846

lf. Nr.

Aussteller

NN Strasser

Empfänger

Marie A.

Meine liebe herzensgute Cousine!
Obwohl ich gestehen muß, daß ich auf keine tröstende Antwort meiner ergebensten Zuschrift an Sie gefaßt war, so hat mich doch das so schnelle Ableben der theuren Cousine Haydn zu vernehmen tief erschüttert. Ich bin überzeugt, daß Sie, liebe Marie, meinen Worten den gerechten Glauben beimeßen, welchen innigen Antheil an dem Verlust immer einer so achtbaren Verwandten nehme, und bitte, mein herzliches Beileid der trostlosen Familie mitzutheilen.
An der Vermählung des Herrn Bruder Carl nehme ebenfalls jenen freudigen Antheil, den man in solch einer traurigen Stimmung wie unser beiden jetzigen zu nehmen im Stande ist. Ich versichere Sie, liebe Marie, daß ich oft sehr kleinmüthig bin und die Stunde segnen werde, die mich in eine bessere Welt rufft. Indessen Herr, Dein Wille geschehe.
Nur mein guter Sohn, der mich so kindlich ehrt und liebt, macht mir noch das Leben einigermaßen erträglich, denn es fällt mir auch schon nicht selten schwer, daß ich mich bei meinem vorgerückten Alter nach so vielen überstandenen Kummer und Sorgen noch täglich mühsam plagen muß. Übrigens muß ich noch Gott danken, daß er mich mit Ausnahme der natürlichen Abname der Kräfte noch so ziemlich gesund erhält, um meinen Berufsgeschäften pflichtschuldigst nachkommen zu können.
Leben Sie wohl! Ich küsse Ihnen ehrfurchtsvoll die Hände und bin lebenslänglich Ihre getreuer Freund et Cousin Straßer.

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