24
0. 0. 1846
lf. Nr.
Aussteller
Nichte Fanny
Empfänger
Mimi A.
Liebste beste Tante!
… Jetzt zur Berührung eines anderen Punktes. Vor einigen Tagen bekam ich von Fritzi einen Brief, wo sie mir schrieb, daß sie doch jetzt gottlob gesund ist. Sie lud mich auch ein auf das Frühjahr zu ihr zu kommen, was wenn Gott will geschehen wird. Ferner schrieb sie mir, daß auch dast ganz Sárvár in Wasser steht, indem die Flüße ausgetretten sind. Ganz Sárvár gleicht einer Insel. Auch war eine Feuersbrunst, es brannten beynahe 50 Häuser ab. Resi, Susi und Fritzi schleppten alles schon in den Keller, weil sie auch der Gefahr ausgesetzt waren. Dieses Sárvár ist ein recht unglückliches Nest.
Man kann auch in Ungarn fast keinen Schritt zum Haus hinaus machen ohne nicht in der Angst zu seyn, entweder von einem großen Büffel oder Schwein verfolgt zu werden. Es wäre nothwendig, immer eine Waffe bey sich zu tragen. Resi wurde auch von einem großen schwarzen Schwein verfolgt und würde sie wahrscheinlich gebissen haben, wenn nicht auf ihr mörderhaftes Geschrey eine Magd herzugekommen wäre und dieses Ungethüm verjagt hätte. Und so ist alle Augenblicke etwas anderes. Doch jetzt hoffe ich doch, daß etwas mehr Ruhe seyn wird. Diesen Winter wird Fritzi vermuthlich auch in Sárvár bleiben, da das Haus noch zu wenig ausgetrocknet ist.
Daß der Herr Pfleger Hingsamer in Hall gestorben ist, wird Dir vielleicht schon bekannt seyn. Ich war ein paar Tage in Hall und wohnte dem Leichenbegängnis bey. Ich war froh, wie es vorbei war, da zu schmerzliche Erinnerungen in mir erwachten, denn der Verlust meiner so trefflichen guten Mutter, welche mir niemand mehr ersetzen kann, schmerzt mich noch wie neu, obgleich sie nun bereits ein halbes Jahr im Grabe ruht. Mich dauert die H…[?] sehr, denn sie hat an ihm einen brafen und guten Mann verlohren und auch in seinen schönsten Jahren, denn er zählte erst 46 Jahre. Sie lebt jetzt in Feldern[?] und wird sich wohl später nach Linz ziehen. Vielleicht besucht sie mich jetzt auf ein paar Tage, was mich freuen würde…
Seit Tant Theres hier ist, leb ich wieder mehr, da ihre Anwesenheit doch zuweilen Besuche herbeyführt. Doch nach ihrer Abwesenheit, welche nach Theresia erfolgen wird, fängt wieder das einförmige Leben an für mich. Da ich ohnedieß mehr eine Freundin von der Einsamkeit bin, ist es besonders die Wintermonte doch so zimlich erträglich. Tant Theres würde vermuthlich verzweifeln vor Langweille, da sie kaum jetzt einen Tag allein sein will.
Indem ich hoffe und herzlich wünsche, daß Dich diese Zeilen im besten Wohlseyn antreffen möchten, … verharre ich mit aller Hochachtung, liebste beste Tante,
Deine Dich herzlich liebende Nichte Fanny.