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17. 9. 1845
lf. Nr.
Aussteller
NN Strasser
Empfänger
Marie A.
Liebe herzensgute Cousine Marie!
Soeben von einer langen Reise an die türkische Grenze und vom Banat zurückkehrend, beeile mich Sie vielmals um Entschuldigung zu bitten, daß ich nicht wie gewöhnlich zu gehöriger Zeit Ihnen pflichtschuldigst meine Gratulation darbrachte. Doch lebe in der angenehmen Hoffnung, daß Sie mir diesfalls verzeihen und sich überzeugt halten werden, daß ich Ihnen für diesen Festtag gleich für jeden Ihres ganzen Lebens Alles von Gott Gesegnete von ganzem Herzen wünsche. Mein Sohn meldet ebenfalls seine ehrfurchtsvollen Glückwünsche und wir beide küssen Ihnen vielmals die Hände.
Sie erhalten diesen Brief durch Güte Ihrer Nichte, weil ich auch nicht weiß, ob Sie dort oder noch in Mauerkirchen sind. Ohne Zweifel haben Sie den Sommer wieder angenehm bei Ihren lieben Verwandten verlebt, was ich Ihnen gewiß von ganzer Seele gönne, wie Sie es auch verdienen, und hoffe Sie recht gesund, vergnügt und wie immer sehr zufrieden. Was mich anbelangt, bin ich zwar Gottlob ziemlich wohl, doch nicht selten sehr nachdenkend, und fühle, daß ich alt bin. Übrigens bin auch sehr beschäftigt, was meine Kräfte einigermaßen in Anspruch nimmt. Ich vertraue auf den Allmächtigen, der mich noch nie verlassen und gewiß mein Gebeth erhören wird, mich nicht länger leben zu lassen als ich arbeiten kann, um niemandem zur Last zu sein.
Leben Sie wohl, liebste Marie, und erhalten Sie mich in Ihrem fernern Wohlwollen. Beglücken Sie mich recht bald mit Ihrer Zuschrift zu meiner Erheiterung und glauben Sie mich stätts als Ihren Sie mit Ihrer Hochachtung und Verehrung liebenden aufrichtigen Freund Strasser.
Meine dermalige Wohnung ist: Landstraße, Ungargaße Nr. 363, 1. Stiege, 1. Hof im 3. Stock, Thür Nr. 41