V/4
Erinnerungen Johanna Lax
Der Vater erzählte uns Kindern sehr selten von der Vergangenheit; er lebte ja vor allem der Gegenwart, die ihm vollauf zu denken und zu tun gab. Er hatte aber bei seinem Schaffen wohl auch manchmal Fernblick in die weite Zukunft, sprach zum Beispiel von Unternehmungen, die sich in späteren Jahren als dringend notwendig zeigten. Im Greisenalter, als sich der Vater krankheitshalber im Ruhestand befand, traten die Erinnerungen an seine Kinder- und Jugendzeit lebhafter vor sein Geistesauge und er wusste da sehr interessant gelegentlich der Besuche befreundeter Personen zu erzählen; so wurden ihm so manche Berichte aus längst vergangener Zeit entlockt, um sie – ohne dass er es ahnte – der Nachwelt zu überliefern. Ich sah den lieben Vater in seinen letzten Jahren nur mehr, wenn er zur hl. Messe nach Marienheim kam, was ihn immer sehr anstrengte; er musste hernach auf der Sofa ausruhen, bevor ihn unser „guter alter Michel“ wieder in die Villa zurückführte. Aus den ersten Lebensjahren unseres Vaters weiß ich daher nur wenig zu erzählen, was sich eventuell – falls man solches für geeignet findet – den Berichten der Chronik, die mein lieber Schwager mit der ihm angeborenen Genauigkeit auch ins Detail eingehend geschrieben hat, und dem so herrlichen Artikel „Lebensgeschichte eines Neunzigjährigen“ von H. Dr. F. Pfeffer noch beifügen ließe. Von dem, was sich nach meinem Eintritt ins Kloster daheim noch ereignete, ist mir auch nur Weniges bekannt, was dienen könnte. Das Wenige will ich hier niederschreiben mit der Bitte und unter der Be¬din¬gung, dass man alles Unnütze oder irgendwie Hinderliche auslasse, und bitte, das Übrige korrigieren zu wollen.
(zu Chronik S. l)
Der kleine Johann, der in der Taufe am Tag nach der Geburt den Evangelisten als Namenspatron erhalten hatte, wuchs zunächst im Elternhaus als Bauernbübl auf. Sein Unternehmungsgeist war schon in frühester Kindheit rege. Eines Tages sah er zu, als man im Hof Holz spaltete. Er meinte dieses auch leisten zu können und ergriff im ersten unbewachten Augenblick die Hacke, nahm sie aber verkehrt in die Hand, die scharfe Kante nach oben, holte nach Kräften damit aus – und schon war das Unglück geschehen. Dieser erste kühne Versuch hätte ihm das Leben gekostet, wäre nicht sein schützender Engel an seiner Seite gestanden, denn es ging bei dem tiefen Schnitt nur mehr um einige Millimeter. Beim Geschrei des Kleinen eilte die Mutter sofort herbei und fand das Büblein, von Blut überronnen, am Boden liegend. Die starke Wunde heilte verhältnismäßig schnell, hinterließ aber eine Narbe und um sie herum einen kl einen unbewachsenen Kreis wie eine Tonsur, der ihm zeitlebens blieb, so dass ihn viele bei unbedecktem Haupt, wie in der Kirche, für einen Priester hielten.
Herr Jax hätte Talent gehabt zum Studieren, aber es fehlten ihm dazu die Mittel und die Anleitung. Vermutlich war es die Erfahrung aus seiner Kindheit, die ihn in späteren Jahren zur tatkräftigen Unterstützung armer, braver Priesterstudenten bewog. Er hatte stets große Achtung und Ehrfurcht für Priester. Als Herr Jax auf die Wanderschaft ging, überreichte ihm der Herr Pfarrer von Reichental ein Büchlein mit dem Wunsche, er solle womöglich täglich daraus lesen, was Herr Jax auch tat. Das Büchlein war stets sein treuer Begleiter und es hat ihm sehr genützt. Nach eigenem Geständnis verdankte er ihm seine tiefe Frömmigkeit und dass er auch beim Militär brav blieb. Er hielt sehr viel auf gute Lektüre.
(zu Chronik S.8)
Er war stets ein dankbarer Sohn, unterstützte nach Möglichkeit seine mittlerweile verwitwete Mutter und die 5 jüngeren Geschwister. Als Herr Jax 1875 ein eigenes Heim hatte, nahm er die Mutter in sein Haus mit seiner Schwester Marie, die er als Kassierin in seinem Geschäft anstellte. Als sich die Familie vergrößerte und sich das Haus als zu klein erwies, sorgte Herr Jax dann immer für eine gute, geräumige Wohnung im Parterre. (Zuerst waren sie im sogenannten Melcharhaus bei den Elisabethinen rechts im Parterre. Als man diese Wohnung zu einem Geschäftslokal benötigte, waren sie in der Kapuzinerstraße neben Baron Gagern, zuletzt lange Jahre Stifterstr. 27 oder 28. Seine Mutter war bis ins hohe Alter noch sehr rüstig und geistig frisch und starb mit 92 Jahren.) Vis-a-vis waren kleine, niedere Häuschen, von alten Leuten bewohnt. Herr Jax kaufte (oder mietete) diese Gärten zu einer Radfahrbahn, als er die Fahrbahn am früheren Eislaufplatz gegenüber dem Volksgarten aufgeben musste (da steht jetzt das Lehrerseminar).
(zu Chronik S. )
Frau Jax hatte 5 Brüder: Julius, Gottfried, Franz, Anna, dann kam noch ein Bruder Anton – ich weiß nicht, wie sie der Reihe nach kamen. Julius war viele Jahre sehr beliebter Bürgermeister in Waidhofen a. d. Ybbs. Vor seinem Hause stand eine mächtige Linde, von einer Bank umgeben. Man gab da oft dem Bürgermeister ein Ständchen. Neben dem Haus befand sich seine Gräberei.
Gottfried Jax war bis zu seiner letzten Krankheit Landtagsabgeordneter und hat sich als solcher große Verdienste erworben, indem er es trotz seines mächtigen Gegners, des reichen Waidhofer Rothschild, nach langen Partei kämpfen im Landtag endlich doch durchsetzte, dass eine Bahn ins Ybbstal errichtet wurde (mit Hilfe seines Du-Freundes, des berühmten, damals hochgeschätzten Wiener Bürgermeisters Dr. Lueger). Die Arbeiter waren vorher genötigt, alle Tage stundenweit zu gehen. Rothschild hatte die großen Waldungen im schönen Ybbstal und befürchtete, dass durch die Bahn das Wild verjagt werde,
daher sein großer Widerstand. Herr Gottfried Jax hatte ein Schloss in Zell mit schönem Garten, angrenzend an den Volksgarten. Er besaß eine reiche Marken- und Münzensammlung, für die man nach seinem Tode leider zuwenig Verständnis hatte (1902).
Als 1904 die Ursulinen aus Auch (Südfrankreich) vertrieben wurden und mehrere davon nach Linz kamen, hätte Herr Jax gerne gesehen, dass sie sich in Waidhofen ein Pensionat errichten, und bot ihnen zu diesem Zweck das Schloss zu mäßigem Preis an. Es waren aber – hauptsächlich wegen der Fremdsprache – zu wenige, die nach Österreich kamen.
(zu Chronik S.25)
Als guter, tief religiöser Vater war er stets treu besorgt um das leibliche und geistige Wohl seiner Kinder. Als sie noch klein waren, stand ihnen der große, schöne Garten bei der Fabrik zur Verfügung, in dem sich auch ein kleines Bergerl und ein winziges Wäldchen befanden. In den Sommermonaten sorgte Herr Jax immer für Luftveränderung. Zuerst war es das Schloss Ranna-riedl, wo man nur wenige Wochen blieb wegen der vielen Donaunebel. Ein anderes Jahr ging man nach St. Georgen a. d. Gusen; dort wäre es ja schön und gut gewesen, aber es streiften sehr viele Zigeuner herum, da wollte Frau Jax schon nicht lange bleiben. Für die Kinder wäre es ja interessant gewesen, denn neben der Villa befand sich ein kleiner Bach, da konnte man plantschen und spielen, aber man war dabei ständig in Angst um die Kleinen. Da erfuhr Herr Jax, dass im Stangl-hof (Ende Kapuzinerstraße, wo die Leondingerstraße einbiegt) zwei einfache, schöne Zimmer mit Küche und Aussicht auf den Garten, auf Wiesen und Felder zu mieten wären. Dies schien Herrn Jax am günstigsten für seine Kinder. Da hatten sie nahe in das liebe Freinbergerkircherl zum Frühgottesdienst und konnten sich dann den ganzen übrigen Tag auf der so großen Wiese, die ihnen zur Verfügung stand, frei herumtummeln. Die Eltern Jax waren sehr froh, ihre Kinder so nahe der Stadt und doch in gesunder, reiner Luft zu wissen. Da verbrachten sie nun viele Sommer bis in den späten Herbst hinein mit dem braven Kindermädchen Marie und der guten Köchin Lina. Frau Jax war im Geschäft und im Haushalt tätig.
In früheren Jahren gab es sehr strenge Winter und hatte man sehr viel Schnee, so dass die Kinder mit Schlitten in die Schule gefahren kamen. Damit sich die Kinder in der kalten Jahreszeit auch fleißig im Freien aufhielten, ließ ihnen Herr Jax alljährlich auf der Terrasse im 2.Stock eine Schlittenbahn von Tischlern anfertigen, auf der sich auch die Kleinen schon manchmal im Sport übten. Als dieses durch den Aufbau einer Terrasse im 3.Stock nicht mehr möglich war, mussten die Kinder an schulfreien Nachmittagen bei halbwegs günstiger Witterung mindestens 2 Stunden Spazierengehen. Meistens ging man da gegen Lustenau, wo nach dem Bahngeleise noch lauter Wiesen, Felder sowie einige Wäldchen in der Richtung St. Peter waren. Ein- oder zweimal im Jahr unternahm Herr Jax mit seiner ganzen Familie eine Schlittenfahrt. Er befand sich da mit den Größeren im ersten Schlitten, im zweiten, der unmittelbar folgte, war seine Frau mit dem Kindermädchen und den Kleinen. Flugs ging da unter dem lieblichen Geklingel der Schellen die weiße, weite Schneefläche dahin, und im Nu war man am Bestimmungsort St. Florian, Enns, Traun oder in Saurüssel angelangt. Gestärkt und gekräftigt durch die gute Luft, ein Glas Milch mit Brot (in Saurüssel gab es im Gasthaus gewöhnlich auch tellergroße Bauernkrapfen, die besonders gut mundeten) gings dann ebenso schnell und lustig heimwärts zu. Einige Male fuhr Herr Jax auch mit den größeren Kindern an einem schönen Mai tag wegen Holzbestellung zum Meier von Plesching (Herr Aumeier?), der ihm später dann bei der Erwerbung des Grundes für das Landgut der Ursulinen sehr behilflich war. Auf diese Fahrt freuten sich die Kinder ganz besonders, war es ja zur Blütezeit und in den Wäldern gab es viele Maiglöckchen; alles stand in frischem Grün.
So lieb und gut Herr Jax in der Familie war, konnte er auch daselbst strenge sein. Er achtete sehr auf anständiges Benehmen bei Tisch, in der Gesellschaft, auf der Straße etc. Hievon nur einige Beispiele. Eines Tages ging er geschäftshalber in der Nähe von St. Peter wegen Holzbestellungen zu den drei Teufeln: kleiner Teufel, großer Teufel und Teufel in der „Hernersteig1(Hühnersteig). Bei einem dieser Bauern bot man Schwarzbrot an und Milch. Da die Gläser nicht rein waren, wollte keines der Kinder daraus trinken. Der Vater bemerkte dies und es gab dann auf dem Weg eine ernste Rüge.
Besonders streng sah Herr Jax in der Erziehung auf Gehorsam und Wahrhaftigkeit. Als eine Kleine einmal dem Kindermädchen nicht folgen wollte und rot vor Zorn mit dem Füßchen auf den Boden stampfte, nahm Herr Jax das Kind und setzte es in den Schnee in der Meinung, es sei in seiner jüngsten Krankheit verzogen worden. Das Kind war sofort still und bleich im Gesicht. Der Vater erkundigte sich sogleich beim Doktor in der Angst, er habe einen Fehlgriff getan. Dieser aber beruhigte ihn: „Herr Jax hätten gar nichts Besseres tun können; das Blut war nach der Lungenentzündung zum Kopf gedrungen, daher das bitzelige Benehmen. Das Kind ist jetzt von dieser Folge der überstandenen Krankheit geheilt.“
Einmal erfuhr er von einer handgreiflichen Lüge einer Kleinen – es war deren erste und vielleicht auch die letzte. Herr Jax sperrte das Kind in ein finsteres Zimmer mit der Weisung: „Jetzt denke nach, was du getan hast!“ Damit die Phantasie nicht zu rege werde, wollte er auch nie, dass die Kinder Märchenbücher bekamen.
Es gab damals noch eine Straßerinsel. Manchmal fuhr da die Familie hinüber bei Ankündigung des Frühlings, um Palmkätzchen zu pflücken. Es war dort auch ein Gasthaus, das man jedoch nicht besuchte. Dieser Spaziergang wurde jedoch bald unterlassen, indem sich manches Gesindel auf der Straßerinsel herumtrieb.
Herr Jax machte mit den größeren Kindern an Sonn- und Festtagen bei halbwegs schönem Wetter gerne einen Spaziergang in die Umgebung von Linz, gewöhnlich auf den Kalvarienberg, wo er seine Lieblingsandacht, den Kreuzweg, verrichten konnte. Auf der oberen Donaulände standen ganz kleine, niedrige Häuschen, in denen meist arme Familien von Steinbrucharbeitern wohnten. Die Eltern waren unter der Woche bei der Arbeit, die Kinder trieben sich unbewacht auf der Straße herum; an Sonntagen war dies auch nicht viel anders. Herr Jax hatte stets ein offenes Auge für alle Not und alles Elend; es ließ ihm keine Ruhe: da musste geholfen werden! – Margareten gehörte noch zur Stadtpfarre, die mit Arbeit überladen war, da sich die Stadt an der Unteren Donaulände sehr vergrößerte. Er besprach sich mit den Pfarrherren und bald schon eröffneten die Tertiarschwestern (jetzt Marienschwestern) einen Kindergarten. Sie ließen sich die Erziehung dieser ganz vernachlässigten Kinder sehr angelegen sein. Nach einigen Jahren wurden auch die Stationsbilder und die Grabstätte bei der 14. Station renoviert. Herr Jax ließ sich auch eines Tages die Paramenten zeigen durch den Messner, der seine idyllische Einfamilienwohnung wie ein Schwalbennest oberhalb der lieben Kapelle Maria im Tal (?) hatte. Die Paramente hatten durch die Feuchtigkeit am Aufbewahrungsort sehr gelitten und befanden sich in elendem Zustand, desgleichen die Kirchenwäsche. Das kleine Kirchlein hätte auch einer gründlichen Reparatur bedurft. Des Herrn Jax heißester Wunsch war es, dass Franziskaner auf den Kalvarienberg kämen. Er fuhr einge male nach Pupping. Sein Plan ließ sich aber erst 1898 verwirklichen.
In diesem Jahr kamen zwei sehr eifrige, tüchtige Patres Franziskaner und einige arbeitsame, liebe Fratres auf den Kalvarienberg. Der schon bejahrte Pater Superior, P. Florentin Troger, beschäftigte sich hauptsächlich mit der Seelsorge. Der jüngere, heitere P. Ireneus Bernauer konnte gut zur Jugend, die er in Religion unterrichtete und für den Kirchengesang heranbildete. Kalvarienberg war alsdann bald nicht mehr zu kennen. Die Kirche wurde renoviert, erhielt einen kleinen Seitenaltar, und bald erhob sich auch ein kleines Klösterl daneben. Unter den fleißigen Händen der Laienbrüder wurde die Wildnis, die oberhalb der 12.Station nur Dornengestrüpp und einige alte Fischten besaß, in einen großen, schönen Gemüsegarten verwandelt und mit einer hohen Planke umgeben. Links davon machten die Fratres einen ziemlich breiten, bequemen Gehweg, mit Stufen und Geländer versehen, für die Kirchenbesucher und Spaziergänger. Bis dahin hatte man große Mühe gehabt, den steilen Weg zu gehen, der in den Jägermeierwald führt.
Am Karfreitag ging Herr Jax alljährlich mit seinen Kindern, als sie schon in die Schule gingen, in aller Frühe auf den Kalvarienberg, um dort die Kreuzwegandacht zu verrichten. Um 5 Uhr, beim Läuten des Angelus, überschritt man da meist schon den Hauptplatz (damals noch Dreifaltigkeitsplatz). Der Vater musste um 1/2 7 Uhr im Geschäft sein. In der Nähe der Brücke war es beim Rückweg interessant zu sehen, wie die vielen Fische ans Land gebracht wurden, alle möglichen Gattungen, und am Hauptplatz, der am frühen Morgen noch leer stand, befanden sich schon viele Buden für den Fischmarkt. Herr Jax ging an Wochentagen immer um 1/2 7 Uhr in die nahe Karmelitenkirche, seine Pfarrkirche, in die hl. Messe und zur hl. Kommunion, nahm dann eine Tasse Kaffee mit Brot und ging hernach sofort ins Geschäft. Bald traf dann auch seine Schwester ein, und um 7 Uhr war alles an der Arbeit.
Noch ein Beispiel, das deutlich von der großen Güte, vom Verstehen auch fremder Leute und fremden Leides spricht. An besonders schönen Tagen machte Herr Jax gerne einen Umweg durchs herrliche Zaubertal oder über den Jägermeierwald zum Freinberg. Eine seiner Töchter pflückte auf einem dieser Spaziergänge verschiedenartige Blumen und Zweiglein zu einem Bouquet für die Botanikstunde. Da kam ihr wie gewünscht ein mit Blüten reich behangenes Zweiglein eines jungen Kirschbäumchens, das über der Hecke eines Gartens lag. Es nahm sich sehr schön aus im frischen Grün des Straußes. Als der Vater dieses – leider zu spät – bemerkte, gab es diesmal einen ernsten Verweis (gewöhnlich genügte ihm ein ernster Blick). Man sah und fühlte am ganzen Rückweg an seiner gedrückten Stimmung, wiesehr es ihm nahe ging, dass ein Kleinhäusler durch diese unbesonnene Tat einer großen Freude beraubt wurde.
Herr Jax war großer Naturfreund. Er liebte schöne Gegenden, die ihn, gleich einem Hl. Franz von Assisi, zum Lobe, zum Preis und Dank Gottes aufforderten. Wenn er im Marienheim die herrlich blühenden Bäume schaute, pflegte er zu beten: „Herr, gib, was Du uns zeigst!“ Er liebte auch die Tiere, besonders die Singvögel. Für Marienheim ließ er einmal über 60 Starhäuschen anfertigen. Als seine Kinder keine Schlittenbahn mehr haben konnten wegen der Überdachung der Terrasse, ließ er jedes Jahr ein 3 – 4m langes Häuschen aus Latten, mit Reisig verkleidet anfertigen für die Vöglein, die dort nicht nur gegen Frost und Kälte geschützt waren, sondern auch von den Kindern reichlich verköstigt wurden. Mehrere Meisen kamen für die Nacht auch gerne zwischen eines der Küchenfenster, wo es angenehm warm war und sie vergnügt auf dem Tannenreisig am Morgen ihr Lob- und Danklied dem Herrgott sangen.
In den Neunzigerjähren verbrachte man einen Sommermonat in Neufelden (Mühlkreis), wo in der Großen Mühl Bade- und Schwimmgelegenheit war und man Gondelfahren konnte. Man machte daselbst auch fleißig Ausflüge in das schöne, mitunter wildromantische Mühltal, in die Höfleiten, oder besuchte den lieben kleinen Wallfahrtsort Maria Pötsch usw. Im folgenden Sommer war man während einiger Wochen der großen Ferien in Hohenfurt. Dort befinden sich große Waldungen, die zum Prämonstratenserstift gehörten. Da gab es liebe, lauschige Plätzchen wie „Vogelsang“, die mit Tischen und Bänken versehen die müden Spaziergänger zu einem schönen, angenehmen Ruhe- oder Plauderstündchen in frischer, stärkender Luft einluden. Im Jahr 1894 wurde das nahe gelegene Pulgarn bei Steyregg zum Aufenthalt für einen Monat des ausnehmend heißen Sommers erwählt.
Es war ein überaus großer Schmerz und Verlust für die Familie Jax, als die älteste, liebste Tochter am 10. Oktober 1894 starb. Anna wollte Ursuline werden. Sie machte zu diesem Zweck das Pädagogium bei den Ursulinen in Salzburg. Allseitig sehr begabt, war sie daselbst immer die Erste in der Klasse. In den letzten Weihnachtsferien war sie noch gesund und kräftig, ja die stärkste von ihren Geschwistern. Gegen Ostern beschlich sie ein starkes Fieber, das als gastrisches vom Arzt behandelt wurde. Nur zu bald stellte sich heraus, dass es galoppierende Lungensucht war, die von einer starken Erkältung herrührte. Die Ärzte gaben alle Hoffnung auf Heilung der schon zu weit fortgeschrittenen Krankheit auf. Der tiefgläubige Herr Jax brachte seine Tochter in einem Expresszug noch nach Lourdes, im festen Vertrauen auf eine Heilung durch die Fürsprache Mariens. Anna war sehr eifriges Marienkind. Anna sollte ihr schönes Geburtstagsfest am 8. Dezember, dem Hochfest Mariens, schon im Himmel mitfeiern können. Am 5. August empfing sie die Sterbesakramente, dann folgten noch sehr schmerzvolle Tage, besonders litt das Kind unter der Hitze des damals besonders heißen Sommers. Jax war in diesem Jahr wegen des Petrinums sehr in Anspruch genommen. Unzählige Male fuhr oder ging er zum Leisenhof, um den Ankauf desselben zu ermöglichen, und hernach, um beim Bau selbst nachzusehen. Somit hatte er untertags selten einen freien Augenblick; dieser aber galt seiner kranken Tochter. Herr Jax ließ es sich nicht nehmen, die letzten Nächte des heißgeliebten Kindes in dessen Zimmer in einem Fauteuil zu verbringen. Anna starb ruhig und fast freudig eines erbaulichen Todes. Herr Jax ertrug dieses vielleicht größte und schwerste Opfer seines Lebens ebenfalls mit größter Ergebung in den Willen Gottes.
Im Jahr 1895 hatten zwei seiner Töchter ihre Studien mit lauter Vorzugsnoten vollendet und durften zur Belohnung dafür am 8. August mit dem Vater nach Lourdes fahren. Die Fahrt ging mit dem Schnellzug über Bischofshofen, Innsbruck, Arlberg, Basel, Beifort, Paris, Bordeaux, jene Route, die Herr Jax gewöhnlich nahm. Er teilte es so ein, dass man die schönen Strecken immer bei Tag zurücklegte. Damals dauerte die Fahrt viel länger als heutzutage. So zum Beispiel fuhr Herr Jax mit seinen zwei Töchtern Marie und Johanna und seiner zukünftigen Schwiegertochter Leopoldine Greiner, die er als Kollegin seiner Töchter zur Mitfahrt eingeladen hatte, um Mittag in Linz ab und kam erst nach 9 Uhr abends in Innsbruck an. Man nahm im Hotel Stern, am Innufer gelegen, schnell ein Abendessen und begab sich dann gleich zur Ruhe. Am nächsten Vormittag wurde die Stadt besichtigt, das Andreas Hoferdenkmal, man nahm das Mittagsmahl und dann bestieg man den Zug. Mit Vater Spazierengehen war lustig und interessant, noch besser aber mit ihm reisen. Er wusste so vieles zu erzählen von seinen Wanderjähren. Das Zillertal, das er einst, schwer beladen und mit viel Heimweh, zweimal durchwanderte, von dem wir vom Zug aus nur den Beginn zu sehen bekamen, links auch erblickten wir die Rottenburg (Hl. Notburga) aus dem Walde hervor. Uns war alles neu und hochinteressant. Die farbigen Kirchtürme, die Dächer der Häuser mit den großen Storchennestern, die prachtvollen Gegenden, besonders das herrliche Trisannertal, auf das man von schwindelnder Höhe hinabblickt. Man machte einen kleinen Abstecher nach Maria Einsiedeln. Am nächsten Morgen, nach dem Kirchenbesuch und Frühstück, wurde die Meinradsklause besucht sowie die unterirdische große Benzingerfabrik, und dann hieß es wieder Abschied nehmen von dem schönen, andächtigen Wallfahrtsort. Wir begegneten noch vielen Pilgern in ihren farbenprächtigen, ganz eigenartigen, schönen Trachten verschiedener Schweizer Kantone, und bei der Haltestelle der Bergbahn einer Klasse fröhlicher Mädchen in Dirndlkostümen, die uns beim Abfahren des Zuges mit ihren Almrauschsträußchen noch ein freundliches Lebewohl zuwinkten. Nun gings zunächst nach Konstanz. Dort begaben wir uns ins Inselhotel, ein erstklassiges Hotel, das mit seinen schönen, breiten Gängen und Stiegen sowie herrlichen, großen Räumen ein ehemaliges, vornehmes Kloster vermuten lässt. Die Fresken im Kreuzgang stellen Begebenheiten aus dem Leben des Ketzers Hus dar sowie dessen Tod am Scheiterhaufen, wie er angesichts des Todes nochmals hartnäckig verweigert, seine Irrlehre zu widerrufen. Während des Konzils war Hus hier gefangen und wurde auf dem Platz vor dem Haus verbrannt. Der getäfelte, herrliche ehemalige Konzilssaal ist jetzt Speisesaal. Wir nahmen daselbst unser Mittagessen ein. Im Laufe des Nachmittags fuhren wir in einem Segelboot eine kleine Strecke auf dem spiegelglatten See und stiegen dann ans rechte Ufer, wo einige Häuser standen und Bade- sowie Schwimmgelegenheit war. Im See waren große Fische, die ganz nahe an uns herankamen, so dass man sie hätte fangen können. Sie waren sehr zutraulich, wahrscheinlich gewöhnt, hier von den Badegästen gefüttert zu werden. Trotz großer Müdigkeit konnten wir an diesem Abend lange nicht einschlafen wegen des so schönen Strandkonzertes, das erst gegen Mitternacht endete und uns mit den melancholischen Tönen der „Lorelei“ in festen Schlummer wiegte.
Am nächsten Tag fuhren wir wieder durch herrliche Gegenden. Um Mitternacht kamen wir an die französische Grenze, und nun ging’s direkt, ohne Unterbrechung, Paris zu. Zuerst besuchten wir die Herz-Jesu-Basilika auf Montmartre. Nach verrichteter Andacht – Herr Jax ging auch auf Reisen womöglich immer in die hl. Messe und zur hl. Kommunion – frühstückten wir im nächstliegenden Gasthaus, dann nahm Herr Jax einen Fiaker zu einer Besichtigung der Stadt. So durchfuhren wir die schönen, breiten Boulevards von Paris, besuchten auch einige schöne, berühmte Kirchen wie Notre-Dame, Ste. Madeleine etc., bestiegen den Eiffelturm, vielmehr fuhren in die 2.Etage, gingen von dort aufwärts in schwindelnde Höhen. Wir fuhren auch nach Versailles. Es war herrlich, aber wir waren froh, als uns der Zug abends dem großen Straßenlärm der Hauptstadt entführte, dem vielen Verkehr der Wagen sowie dem Geschrei der Verkäufer. Da die 2.Klasse Schnellzug meist überfüllt war, redete Herr Jax mit dem Schaffeur oder gab ihm Zigarren, der uns dann 1.Klasse aufsperrte, dass wir die ganze Nacht ungestört schlafen konnten. Am Nachmittag ging es meist durch Föhrenwaldungen, und ich meinte daher am Morgen beim Erwachen wieder solche Waldungen in der Ferne zu erblicken, bis der Vater erklärte, dass dies das Meer sei und wir nun schon nach Bordeaux kämen. Dann dauerte es nicht mehr lange und wir konnten vom Zug aus rechts die Grotte von Massabi eile sehen und Maria begrüßen.
Am Bahnhof von Lourdes war reges Leben. Wir begaben uns gleich ins Hotel de L“Ange Gardien zu Soubirous, das der Schwägerin von Bernadette gehörte, wo Herr Jax sich in Lourdes immer aufhielt. Es liegt auf dem Weg vom Bahnhof links und nahe der Gavebrücke. Zu diesem Haus gehört auch die Mühle, das Geburtshaus von Bernadette. Das Hotel ist ganz daneben. Wir suchten unsere Zimmer auf, machten Toilette und begaben uns dann sofort in die Basilika und zur Grotte. Wir knieten uns ins Innere der Grotte, wo sich so gut beten lässt, ganz ungestört. Jetzt wird es wohl nicht mehr so sein. Man hörte da nur das Rauschen der Gave und das leise Säuseln in den hohen, schattigen Bäumen des nahen Waldes. Nach verrichteter Andacht besuchten wir die anderen Kirchen und kehrten dann ins Hotel zurück. Um 4 Uhr war die Sakramentsprozession unter zahlreicher Beteiligung. Auf dem großen Platz vor der Basilika waren 2-3 Reihen von Kranken, die den Segen mit dem Allerheiligsten empfingen, das meist von einem Bischof oder höheren Würdenträger getragen wurde. Die Volksmenge befand sich hinter den Kranken oder auf den Stiegen und dem Gelände oberhalb der Rosenkranzkirche. Es herrschte da große Ordnung. Dem Allerheiligsten folgte gewöhnlich damals gleich nach der Geistlichkeit Dr. Henry Lasserre; ihm schlössen sich die Kranken an, die bei der Prozession geheilt wurden (das darf jetzt, in diesem Jahrhundert, nicht mehr sein, da Missbrauch und Schwindel getrieben wurden). Es geschahen bei diesen Prozessionen tatsächlich oft Wunder und es war rührend zu sehen, wie sich Schwerkranke vom Lager erhoben und der Prozession folgten. Man sah sich in die Zeit zurückversetzt, da der Heiland durch die Reihen der Kranken schritt und sie heilte.
Herr Jax war achtmal in Lourdes: die ersten male im Pilgerzug und mit seiner Frau, später dann mit seinen Kindern. Leider sind mir nicht mehr alle Jahreszahlen bekannt; sicher ist: 1894 mit der schwerkranken Tochter, 1895 mit Poldy Greiner und seinen zwei Töchtern Marie (Schwester Bernadette) und Johanna (Mater Aloisia), 1898 mit seinen Töchtern Johanna und Margaret, als er Johanna ins Pensionat nach Auch (Südfrankreich) zur weiteren Ausbildung brachte, 1899 zum gleichen Zwecke mit Viktoria (Frau Marckhgott).
Am Abend war noch eine herrliche Lichterprozession. Einmal war ein Pilgerzug mit Holländern nach Lourdes gekommen und wurde Herr Jax ersucht, mit seiner kräftigen, klangvollen Stimme den Vorbeter zu machen, was er natürlich ablehnte, um keine Sprachenverwirrung hervorzurufen. Besonders feierlich gestaltete sich die Sakramentsprozession am 15. August, dem einzigen Marienfest in Frankreich. Zu dieser Prozession fanden sich viele hohe Würdenträger ein. Herr Jax widmete 1898 Maria seine große, vom Kaiser verliehene Dekoration „Das goldene Verdienstkreuz mit der Krone“, das dann in der Basilika beim ersten Nebenaltar rechts neben anderen wertvollen Dekorationen angebracht wurde und sich vielleicht noch dort befindet.
Wir machten einige kleine Ausflüge in die Umgebung von Lourdes, so nach Nevers in das Kloster, in dem Bernadette Schwester war. Man zeigte uns dort einige hübsche Stickereien, die sie als Sakristanin angefertigt hatte. In diesem Kloster bekam Herr Jax einige Stupfer von den Glycinien, die dort damals gerade herrlich blühten und man bei uns in Österreich noch nicht kannte. Er setzte solche Pflanzen später in Marienheim ein, wo sie das Kloster viele Jahre schmückten, dann aber Pfirsichbäumen Platz machen mussten. Von einer Lourdesreise brachte der Vater einmal von der Grotte Massabielle einige Triebe der herabhängenden grünen Blattpflanzen, die sich auch bei uns rasch verbreiteten und, feucht gehalten, gut gedeihen. Einmal blühte der Rosenstrauch, den Maria im Winter auf Verlangen des Herrn Pfarrers Peyremale hatte erblühen lassen, besonders schön, und Herr Jax hegte den Wunsch nach einem solchen Rosenblatt. Da ging er denn am frühen Morgen in das Innere der Grotte. Als er da ins Gebet versunken war, kam ganz plötzlich ein sanftes Lüftchen und es fiel ein solches Blatt vor ihm auf den Boden, das er sich als Gruß der Himmelskönigin zum Andenken auf ein Lourdesbildchen klebte. 1895 ließ sich Herr Jax mit seinen drei Begleiterinnen auch in der Lourdestracht zur Zeit der Erscheinungen fotografieren.
In Begleitung einer guten Freundin von Mme. Soubirous, Mlle. de Glock, die den Dolmetsch machte und uns auch in Lourdes herumgeführt hatte, unternahmen wir noch einen lohnenden, schönen Ausflug in die Pyrenäen. Über Bayonne ging es zuerst nach dem so herrlich am Meer gelegenen Biarritz. Wir waren ganz entzückt über die Schönheit des dortigen Meeres mit seinem tiefdunklen Blau und den vielen weißschäumenden Wogen. Gar gerne hätten wir ein Seebad genommen, aber es waren keine anständigen Badeanzüge zu bekommen. Zur Entschädigung durften wir über die Brücke gehen zum weit draußen im Meer emporragenden Felsen, auf dem eine schöne Marienstatue mit dem Jesuskinde sich befindet. Bei Biarritz sind viele Riffe und Klippen mitten im Meer, daher die stark schäumenden Wogen, die wir nicht genug bewundern konnten. Ab und zu begrüßte uns eine Welle mit einer erfrischenden Dusche. Nachträglich erfuhren wir, dass das Schwimmen bei Biarritz im Meere gefährlich sei wegen der stürmischen Wogen. Leopoldine, eine leidenschaftliche Schwimmerin, hätte sich vielleicht zu weit hinausgewagt; es wurden dort schon viele von den Wogen verschlungen.
In St. Sebastian, unserem Reiseziel, angelangt, hatte der Vater große Mühe, ordentliches, reines Nachtquartier für uns aufzutreiben. Endlich bekamen wir zwei Zimmer in einem Privathaus, das zu einem Hotel gehörte. Nun gingen wir schnell an den Meeresstrand, um zu plangen, wo wir aber nur zu bald von der Flut überrascht wurden. Eine ungestüme Woge hatte sich schon ein Kleidungsstück geholt, und ich eilte ihr schnell nach – zum nicht geringen Schrecken des besorgten Vaters- und konnte ihr noch rechtzeitig die Beute entreißen. Nun besichtigten wir die Auslagen mit den herrlichen Schmuckgegenständen und den sehr kostbaren Edelsteinen. Die Spanier halten bekanntlich viel auf Schmuck. Die Damen trugen weiße Kleider, schwarz geputzt, sind meist sehr hübsch, dunkle Augen, schwarzes Haar. Am Morgen gingen wir in die nächste Kirche, die an Reinlichkeit und Ordnung sich nicht mit unsern Kirchen messen konnte. Es waren sehr wenig Leute beim Frühgottesdienst, obwohl St. Sebastian an Fremden ganz überfüllt war wegen des Stiergefechtes, das am Nachmittag stattfand. Die Königin war am Vortag schon mit ihrem Hofstaat dazu erschienen. Als wir gegen Mittag zur Bahn gingen, führte man die mit herrlichen Blumenkränzen geschmückten, kräftigen Stiere in die Arena, die ganz nahe beim Bahnhof ist. In Bayonne, in Frankreich gelegen, wo die Stiergefechte bereits verboten waren, fand am gleichen Tag auch ein Stiergefecht statt und wir hörten vom Zug aus das Gejohle und wilde Geschrei der heißblütigen Südländer und sahen, wie die Leute den Siegern mit den Fächern zuwinkten und ihnen Geschenke zuwarfen.
Noch einige Tage in Lourdes, wo wir auch die Piscinen (Bäder) mit dem eiskalten Quellwasser aufsuchen konnten trotz des immer noch sehr starken Andranges, dann hieß es Abschied nehmen von dem so schönen, teuren Wallfahrtsort. Wir fuhren wieder über Bordeaux. In Paris musste man einen ganzen Tag verbleiben; es fuhren in damaliger Zeit erst abends wieder die Züge. Wir machten da mit einem Fiaker noch Ausflüge nach Versailles, aux Champs-Elysees, bestiegen den Stern-Triumphbogen (Are de Triomphe de L’Etoile), von wo aus man den schönsten Ausblick auf Paris genießt, schöner als vom Eiffel aus. Hier ist der Mittelpunkt, von dem aus die herrlichen Boulevards sich strahlenförmig verteilen. Wir fuhren auch ein Stück mit der Untergrundbahn, um Paris auch von dieser Seite kennenzulernen (Arbeiterviertel). In Innsbruck wurde wieder übernachtet, dann ging’s direkt, ohne Unterbrechung, nach Linz, wo man uns mit Freuden begrüßte.
(Familie S.25)
Herr Jax nahm seine beiden älteren Töchter nun ins Geschäft und wollte aus ihnen tüchtige Geschäftsfrauen machen. Der älteste Sohn erteilte ihnen mehrmals in der Woche auf der Terrasse – um nicht gestört zu sein – Stenographie- und Rechenunterricht und brachte seine Schülerinnen dahin, dass sie in der Minute 120 – 140 Silben schrieben und schwere Rechenprobleme zu lösen vermochten. Frl. Marie erteilte meist den Kund¬schaften Unterricht im Maschinennähen und -sticken. Johanna Jax war meist mit der Korrespondenz beschäftigt; Herr Jax und die Angestellten diktierten ihr die Briefe, die sie dann auf der Adler-Schreib¬maschine tippte, bei der Kopierpresse kopierte und sie zur Unterschrift den Betreffenden einhändigte. Herr Jax diktierte sehr angenehm, doch einmal brachte er seine Tochter sehr in Verlegenheit, weil sie beim Schluss nicht mehr mitstenographieren konnte: Herr Jax hatte die Tramway erblickt und schon war er nachgeeilt und aufgesprungen; nun saß sie ratlos über dem Concept. Es handelte sich um eine Holzbestellung. Der Bruder wusste darum und kam ihr zu Hilfe. Der Brief lag zur Unterschrift beim Vater, als er zurückkam. Zu meiner Beruhigung las er ihn diesmal von A-Z, was er sonst gewöhnlich nicht tat; wahrscheinlich war es ihm zu Bewusstsein gekommen, dass er mich zu schnell verließ.
Das Geschäftslokal nahm damals die ganze Vorderfront des Hauses ein und reichte zurück bis zur Tischlerwerkstätte, in der die Nähmaschinen zum Versand verpackt wurden. Das Geschäft war durch den Eingang, der zugleich als Zugang in die Geschäftsräume des 1. und in die Familienwohnung des 2. und 3.Stockes diente, in zwei Hälften geteilt. Rechts befanden sich die Herren sowie die Kassierin Tante Marie, links die Fräulein. Vis-a-vis der Eingangstür waren unter Rahmen und Glas in großen, deutlichen Lettern folgende Zeilen zu lesen, die so recht den immer tätigen Herrn Jax charakterisierten: „Zeit ist Geld, das merke Dir, komm geschäftlich nur zu mir. Willst Du unterhalten sein, stelle Dich am Abend ein.“
Wie er selbst immer die Zeit gut auszunützen pflegte, erzog er auch seine Kinder dementsprechend. Gelegentlich der Neujahrsgratulation richtete Herr Jax auch immer einige liebe, väterliche Worte an seine Kinder, mit denen er ihnen gewöhnlich die gute Benützung der Zeit, die fleißige Übung der guten Meinung bei den Beschäftigungen ans Herz legte, die ihnen erst den wahren Wert verleiht, „wie die Eins vor vielen Nullen“. Dieses leuchtete in seiner Einfachheit auch allen ein. Man hörte ihn auch manchmal sagen: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“.
Herr Jax liebte seine Arbeiter sehr. Die fleißigsten standen bei ihm in besonderer Achtung und er machte auch nur solche zu seinen Werkführern. Dieser seiner Anschauung von der guten Benützung der Zeit entstammte vielleicht seine Vorliebe zum emsigen Bienenvolk. Er konnte sehr gut zu den Bienen und hatte über 20 Bienenstöcke im Bienenhaus auf der Terrasse. Oft öffnete er da einen Stock und zeigte uns mit Bewunderung die Bienchen an ihrer Arbeit. Zu seinem Bedauern fehlte ihm in späteren Jahren die Zeit, sie gehörig zu betreuen. Er gab daher einen Großteil seiner Bienenstöcke seinem Schwager Anton Jax, der auch Bienenzüchter war und sich dafür sehr interessierte; die übrigen vermachte er den Kapuzinern, die an P. Caspar Jurasek ein fleißiges Mitglied des Bienenzüchtervereins hatten. Die Zubereitung des Honigs besorgte Frau Jax. Herr Jax besaß eine große Schleudermaschine, und sie gewannen alljährlich viele Liter guten Honigs, der in der Familie und auch auswärts Liebhaber fand.
Herr Jax lehrte nicht nur rege Tätigkeit, sondern gab hierin selbst das beste Beispiel. Jeden Morgen ging er in die erste Hl. Messe in der Karmelitenkirche und dabei zum Tisch des Herrn; meist begleitete ihn auch die Köchin Lina, sonst eilte er ihr voraus. Gegen 6 Uhr ging Herr Jax heim zum einfachen Frühstück (eine Tasse Kaffee und Stück Brot oder Semmel), dann ging er gleich das Geschäft aufsperren. Um 1/2 7 Uhr kam schon seine Schwester Marie, dann nach und nach erschienen auch die Angestellten. Die Arbeit begann immer um 7 Uhr und dauerte bis 12 Uhr. Gegen 10 Uhr nahm man bei damaliger Zeiteinteilung eine kleine Jause. Herr Jax nahm sich selten die Zeit dazu. Über Mittag verblieb die Tante Marie allein im Geschäft. Von 1 bis 6 Uhr war dann wieder Geschäftsbetrieb. Nachmittag nahm Herr Jax gewöhnlich eine Tasse Milch mit Schwarzbrot. Mittag und abends speiste er dann mit der Familie nach verrichtetem Tischgebet.
Am Sonntag stand Herr Jax etwas später, gegen 6 Uhr, auf und ging dann in die Kapuzinerkirche. Nach Tisch legte sich Herr Jax täglich auf 1/2 Stündchen auf den Di van. Wenn er einschlief, musste man ihn um 3/4 2 Uhr wecken. Nach dem Abendtisch las der Vater gewöhnlich die Zeitung oder sprach mit der Mutter. Am Samstag wurde um 8 Uhr gemeinschaftlich der Rosenkranz gebetet,
bei dem der Vater auch immer kniete. Um 9 Uhr mussten alle im Bett sein, ausgenommen, wenn Bestellungen von Lourdesbüchlein vorlagen; darüber freuten wir uns immer sehr. Da ging der Vater mit uns ins Geschäft, wo jedes der Kinder seine bestimmte Arbeit hatte; es ging ganz fabriksmäßig zu. Im Nu waren 25kg und auch 50kg-Pakete fertig, laut Sprichwort: „Viele Hände machen der Arbeit ein Ende“. Manchmal wurde es zu unserer großen Freude auch 1/2 10 Uhr, dann mahnte Herr Jax aber energisch zum Aufbruch. Diese gemeinsame Arbeit war uns sehr lieb geworden, und gar oft wurde Herrn Jax aus Kindermund die Frage gestellt: „Gibt es heute Bestellungen?“
Als Herr Jax Musikwerke in Verkauf nahm, gab er ins Wohnzimmer einen großen Polyphon mit einer Musikbande Chinesen (hölzerne Figuren, die scheinbar Streichorchester spielten). Da ließen wir einmal den Donauwalzer ablaufen. Es war schon 9 Uhr vorbei und wir hatten nicht bedacht, dass man das Musikwerk, das laut wie eine kleine Orgel spielte, weit und breit hörte. Es dauerte auch nicht lange, kam schon der Vater vom 3.Stock (rückwärts auf der Gartenseite) mit strengem Verweis wegen des Ungehorsams – um 9 Uhr hätten wir ja schon schlafen sollen. Der Vater stellte sofort das Musikwerk ab. Wir hatten auch nicht bedacht, dass die drei Fenster auf die Landstraße offen waren, wo sich schon eine Menschenmenge angesammelt hatte, der schönen Musik zu lauschen. Am nächsten Morgen erschien der Vater bei uns noch mit ernster Miene. Das Gesicht heiterte sich aber sofort auf, als wir, unserer großen Schuld uns bewusst, mit reuigen Gesichtern Abbitte leisteten. Es war einmal und nie wieder !! (Es wäre aber billige Geschäftsreklame gewesen!)
Im Geschäft waren immer sehr nette, gewissenhafte Angestellte, von einigen Arbeitern und Agenten wurde aber die Güte und das Vertrauen des Herrn Jax mit schwarzem Undank vergolten und hatte er dadurch großen Geldverlust. Hier nur einige Beispiele.
Herr Jax nahm Ende des Ersten Weltkrieges einen Lehrbuben aus einer scheinbar reellen Familie auf. Sein Vater war Hausbesitzer und Holzschuhfabrikant. Die Familie lebte auf hohem Fuß. Dieser Lehrbub von 16-17 Jahren hatte unter anderen Beschäftigungen den Fahrradsalon täglich abzustauben und darin auf Ordnung zu sehen; er hatte also daselbst immer freien Zugang. Nun ersuchte dieser Junge sehr oft während der Arbeit den Werkmeister, zum Arzt gehen zu dürfen, zeigte die ärztliche Bestätigung vor – dieses Ansuchen durfte man niemals abschlagen. Da bestieg er nun jedes Mal ein ganz neues, montiertes Fahrrad. Nach langer Zeit lief einmal eine Zahlung ein für ein Fahrrad, das nicht als verkauft verbucht war; so kam man darauf, dass bereits mehr als 30 Fahrräder abgingen. Dies geschah zu einer Zeit, da die Gummireifen sehr schwer und nur für teures Geld zu bekommen waren. Der Bursche war noch nicht großjährig und seine Eltern weigerten sich, auch nur einen Groschen Ersatz zu leisten. Der Junge wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt; Herr Jax ließ ihn in seiner edlen, tief religiösen Gesinnung von der Gefängnisstrafe freisprechen. Er sagte: „Davon habe weder ich noch er einen Nutzen. Im Gefängnis wird der Junge nur noch schlechter“ (Im 2.Weltkrieg bekam dieser (?) Bursche eine Anstellung als Beamter in der Kommandantur. Vielleicht ??? hat er sich bekehrt? Bezweifle es sehr, denn wäre er gewissenhaft gewesen, dann hätte er bei dem guten Gehalt, welchen er nun hatte, meinem Bruder einen Teil der Schuld abbezahlt, nachdem die Fabrik durch 4 Bomben sehr beschädigt worden war.)
Herr Jax hatte alljährlich einen oder mehrere Firmlinge, darunter befand sich ein armer Bauernsohn. Er bekam wie alle übrigen ein Gebetbuch, einen Rosenkranz, wie dies damals Sitte war, und ein Sparkassenbüchl mit einer Einzahlung anstatt einer Uhr, damit sich die Buben frühzeitig ans Sparen gewöhnten. Als dieser Bursche seinen Militärdienst in Linz machte, lud ihn Herr Jax ein, an Sonn- und Feiertagen zu einer Jause zu ihm in die Wohnung zu kommen, um ihn an den freien Nachmittagen von schlechter Gesellschaft abzuhalten – was er sonst bei keinem tat – und ihn für gute Lektüre zu interessieren. Die Bibliothek stand ihm offen, er konnte wählen. Doch sie sprach ihn scheinbar wenig oder nicht an, denn nach der Jause entfernte er sich gewöhnlich wieder. Nach vollendetem Militärdienst ließ ihn der Vater in der Werkstätte auf der Landstraße das Schlosserhandwerk lernen und machte ihn später dann zu einem Agenten. Als man ihm aber auf Betrügereien kam, wurde er entlassen. Eines Nachts, als die Eltern ganz allein im Hause waren, hörten sie großen Lärm im Geschäft. Herr Jax wollte hinuntergehen, aber seine Frau ließ es nicht zu. Was war es? Dieser Schurke war über die Karmelitenmauer geklettert, hatte ein Eisengitter der Werkstätte entfernt, drei abgesperrte Rouleaux im Geschäft erbrochen, die große Kasse zu erbrechen gelang ihm nicht; was er aber an Material, Zwirn, Nadeln, Schiffchen etc. mitgehen ließ, konnte man nicht feststellen. Diesen ließ Herr Jax im Gefängnis, er hatte sein Vertrauen schon zu oft missbraucht.
Herr Jax war die personifizierte Güte und war gewohnt, auch von anderen gut zu denken. In der Familie hörte man nie ein abfälliges Wort über andere, obwohl so manches Mal Anlass dazu gewesen wäre. Er besaß hinwiederum auch das Vertrauen und die Liebe seiner Angestellten und Arbeiter. Beweise hiefür waren die innigen Glückwünsche, die sie alljährlich zum Namensfest und zu Neujahr mündlich oder schriftlich darbrachten, sowie die rege Anteilnahme bei festlichen Anlässen wie Jubiläen etc. Herr Jax wünschte auch immer, dass alle bei besonderen Familienfesten mitfeierten. So lud er sämtliche Angestellten und Arbeiter gelegentlich der Hochzeit (15. 11. 1902) seines Sohnes Franz, der das Geschäft einmal übernehmen sollte, mit ihren Familien ein zu einem großen Gastmahl mit Braten, Torten, Wein etc. im Velodrom (Fahrsaal), bei dem die Militärmusik auf der Tribüne spielte. Die Familie befand sich mit den Verwandten und Hochzeitsgästen im Nebenraum neben dem Büffet. Als das Brautpaar durch die Reihen der Arbeiter schritt, wurde der Brautchor aus Lohengrin von Richard Wagner auf der Tribüne vom Militär gespielt. Ein Arbeiter stieß in seiner Begeisterung beim Toast so stark an das Likörgläschen, so dass Herr Jax mit dem Stängel in der Hand, ohne Glas und Inhalt zurückkam, zur allgemeinen Erheiterung aller Anwesenden. Herr Franz war bei den Arbeitern schon damals sehr beliebt. Er war ja viele Jahre in ihrer Gesellschaft und zahlte ihnen auch ab und zu eine Jause von seinem ersparten Lohn.
(zu S.12)
Jax erwarb daher an der Ecke der Bürgerstraße und Humboldtstraße einen freien Platz, in dem sich das Hammerl’sche Ringelspiel in einem achteckigen Fachwerkbau befand. Diesen richtete Jax zuerst als Werkstätte ein für die Tischlerei und ließ an der Außenseite eine große St. Josef-Statue anbringen. Anschließend an dieses kleine Häuschen baute Herr Jax ein langes, einstöckiges Haus, das nahezu bis zur Bürgerstraße reichte, und einige Schritte von dieser Werkstatt entfernt, dem Garten zu, einen großen Pavillon mit einem 3 – 4m langen, 2 – 3m breiten Bassin; letzteres diente zum Reinigen und Trocknen der Maschinengestelle. Links vom Eingang in den Garten befand sich ein kleines, niedriges Portierhäuschen, das der Portier und Gärtner, Herr Diesenberger, mit seiner Frau und seinem kleinen Mäderl Marie bewohnte. Der Garten war ziemlich groß und gut gepflegt, hatte viele Blumenbeete. Von den größeren Kindern hatte jedes ein Beet mit den Lieblingsblumen zu betreuen, Maiglöckchen, Vergissmeinnicht, Lilien etc. Längs der Planke befand sich eine Allee, in der Humboldtstraße mit einer Weinlaube, die im Herbst große, süße Trauben trug. Sie führte zum kleinen Fichten- und Föhrenwäldchen, das vorm kleinen Häuschen (Ringelspiel) war. Der Garten wurde von den Kindern viel benützt, die damals noch nicht alle in die Schule gingen.
1892 baute Herr Jax einen 30m hohen Rauchfang beim sogenannten „Ringelspiel“ und eine neue Kesselanlage und circa um diese Zeit auch an Stelle des Gartens ein neues Fabriks- und Geschäftsgebäude an der Ecke der Bürger- und Humboldtstraße, in dessen Giebel er eine große Marienstatue anbrachte, deren Glorienschein an Samstagen und Marienfesten abends weithin erstrahlte.
(zu Chronik S.15)
Anlässlich der Eröffnung des Velodroms war im Fahrsaal Blumenkorso. Die Fahrräder waren alle aufs Herrlichste geschmückt mit Rosen, Nelken, Flieder, Schneeballen etc. Herr Jax, seine Familie, der k.k. Statthalter und andere Honoratioren befanden sich auf der Tribüne, wo Militärmusik spielte. Einige Herren kamen, die Töchter zum Fahren einzuladen; Herr Jax gestattete es nicht; ebenso lehnte er die Bitte zu einer Tanzbelustigung ab. Das Fest gestaltete sich fein und schön; von der Tribüne hatte man herrlichen Überblick. Die Festtafel war beim grünen Baum (soviel ich mich erinnere, oder im Hotel Austria?). Das zweite Familienbild dürfte von diesem Festtag, 25.11.1895, stammen.
Um auf der Straße Rad fahren zu dürfen, musste man sich einer Prüfung unterziehen, die im Velodrom stattfand. Die Söhne und einige Töchter des Herrn Jax haben diese Prüfung gemacht und betrieben bei schönem Wetter diesen Sport mit Vorliebe auf den Fahrbahnen, dem ehemaligen Eislaufplatz, später dann in der Stifterstraße, wo jetzt das katholische Lehrerseminar steht (vis-a-vis der damaligen Wohnung der Großmutter und Tante Marie). Jeden Donnerstag war im Velodrom Militärabend, der immer sehr besucht war. Es spielte da auch immer Militärmusik. Herr Jax hatte angrenzend an das Geschäftsgebäude ein Haus mit elegant eingerichteten Zimmern für die Offiziere der Reichswehr bauen lassen, das bei Beginn des 2.Weltkrieges sofort von der SS beschlagnahmt wurde, was zur Folge hatte, dass die Amerikaner auf die Fabrik 4 Bomben abwarfen, was ungeheuren Schaden verursachte. Herr Franz Jax hatte nur mehr 4 Arbeiter, brachte es aber mit regem Fleiß, großer Mühe, Sparsamkeit und Umsicht innerhalb 10 Jahren wieder auf circa 300 Arbeiter. Bei der so großen Konkurrenz, die durch die zollfreie Einführung der Nähmaschinen aus dem Ausland (sogar aus Japan?) nach dem 2. Weltkrieg einsetzte, war es ihm jedoch nicht mehr möglich, das Geschäft zur früheren Blüte zu bringen.
(zu Chronik S.26)
So machte der älteste Sohn Hans das Gymnasium bei den PP. Jesuiten am Freinberg, kam dann zur weiteren Ausbildung fürs Geschäft in die Handelsakademie, wo er infolge seiner Kenntnisse und seines Eifers eine Klasse überspringen konnte. Der jüngere Sohn machte nur die Unterstufe des Staatsgymnasiums auf der Spittelwiese. Der Vater nahm ihn dann in die Werkstätten, damit er die Arbeiten gut lerne, für die er Interesse und Geschick zeigte, und mit den Arbeitern in Kontakt komme, deren Chef er ja werden sollte. Sie gewannen ihn sehr lieb, besonders da er ihnen ab und zu von seinem ersparten Lohn eine kleine Jause zahlte.
Die Töchter besuchten Volks- und Hauptschule bei den Ursulinen, auch noch die damalige Töchterschule, und kamen dann teilweise auch zur weiteren Ausbildung in auswärtige geistliche Internate. Die zwei ältesten Töchter, Frl. Marie und Frl. Johanna, hatte Herr Jax ins Geschäft genommen in der Absicht, sie hierin tüchtig zu machen, und sie hatten seinen Erwartungen auch entsprochen – doch es sollte (nur zu bald) anders kommen. Beide waren sehr gerne im Geschäft, der liebe Gott wollte sie aber für sich haben. Frl. Marie hegte schon immer den Wunsch, Karmelitin zu werden. Schließlich war dies kein Geheimnis mehr. So kam denn eines Tages der damalige P. Prior der PP. Karmeliten, die Pfarrgeistliche und als Nachbarn der Familie Jax gut bekannt waren, mit der Frage, ob Frl. Marie nicht gewillt wäre, in Gmunden einzutreten. Herr Jax fuhr denn mit seiner Tochter dahin und besichtigte mit bischöflicher Erlaubnis das dortige liebe Klösterl. Das Kloster ist allerliebst, gesund und herrlich auch seine schöne Lage, mit dem Blick auf den See und den bewaldeten Traunstein, so recht geeignet zum Lobe und zum Preis Gottes. Man kam sehr befriedigt nach Hause; der Besuch hatte alle Erwartung weit Übertroffen. Die Karmeliterinnen hatten angrenzend ein Haus gebaut zum Empfang des Hochwürdigsten oder geistlicher Vorgesetzter sowie zur Vermietung an die Sommergäste. Herr Jax versprach die Bauschulden zu decken und den Garten zu verschönern und zu verbessern. Er ist reich an schönen Schnittblumen, an gutem Gemüse und herrlichem Obst, besonders Spalierobst. Hätte es ihm die Zeit gestattet, so wäre Herr Jax gerne manchmal einige Tage in Gmunden geblieben; so waren es aber immer nur Besuche auf einige Stunden. Die lieben Karmelitinnen wahren Herrn Jax unter dem Titel „Vater Jax“ ein treues, dankbares Andenken und erinnern sich seiner noch fleißig im Gebete.
Maria war immer ein sehr frommes, stilles Kind gewesen; nicht so Johanna, die zwar auch fromm, aber viel lebhafter war und liebte, mit den Brüdern herumzutollen. Sie dachte schon in früher Kindheit daran, Ursuline zu werden, und meinte, der Vater denke noch daran, nachdem sie ihm diesen Wunsch im Alter von 10 Jahren einmal mitgeteilt hatte. Ganz unerwartet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, traf ihn daher gelegentlich einer Werbung die Antwort aus dem Munde seiner nunmehr 18jährigen Tochter; „Vater, du weißt doch, ich will ja ins Kloster gehen!“ – „Du, in’s Kloster?“ -- Dann trat eine lange Pause ein. Man merkte, dass Herr Jax schwer mit sich selbst kämpfte. Er sah still vor sich hin. Es handelte sich um die Umstellung seiner langgehegten Zukunftspläne, ein viel entscheidender Augenblick für sein so gutes Vaterherz! – Er hat sein Abrahamsopfer dem lieben Gott gebracht, sein Fiat gesprochen; er drückte Johanna die Hand mit den Worten: „Es freut mich!“ Dass es ihm ernst damit war, bewies Herr Jax schon am nächsten Tag, als er mit seiner Tochter zu den Ursulinen ging, um für sie um Aufnahme als Kandidatin zu ersuchen sowie zu einer längeren Besprechung betreffs der Aufnahmebedingungen. (Bitte: davon nicht viel für die Öffentlichkeit!!, da ich die spätere Vereinbarung bis heute nicht erfahren konnte. Die Eltern haben ihren Lohn schon von unserm Herrgott erhalten (herrliche Träume!).
Die Chronik für Marienheim wurde erst in den Kriegsjahren und hernach von M. Klementine geschrieben). Als Dotation waren damals 6000 Gulden vorgeschrieben, von denen jedoch viele auf Ansuchen ganz oder teilweise dispensiert wurden. Frau Oberin erzählte, dass man auf der Suche nach einem Landhaus, einem Erholungsheim für kränkelnde Klosterfrauen sei. Man hatte bereits Geld für den Ankauf eines Baugrundes oder eines Landgutes gesammelt. Herr Jax wollte in seiner uneigennützigen und tiefreligiösen Gesinnung, dass die Töchter, die ins Kloster gingen, gleich den ganzen, ihnen voraussichtlich einmal zukommenden Erbteil erhielten. Er versprach daher der Würdigen Mutter Filomena, einer sehr frommen, tüchtigen Oberin, ein Erholungsheim zum damals sehr hohen Betrag von 36000 Gulden herzustellen, und ging auch gleich auf die Suche nach einem passenden Landgut in der Umgebung von Linz. Es waren mehrere Objekte als verkäuflich ausgeschrieben. Er unternahm die Fahrten immer in Begleitung von Fachleuten: Arzt, Ingenieur und Frau Oberin, zweimal auch mit seiner Tochter Johanna. Das Schloss Ottensheim sowie die Villa des Baron Schick (im Zaubertal) wurden wegen ungesunder Lage sogleich als untauglich erklärt. Das Jagdschlösschen Rufling hätte ganz umgebaut werden müssen und befand sich in protestantischer Umgebung, etc. etc.
Herr Jax hatte bei seiner Suche fürs Petrinum bereits Erfahrung gewonnen und dachte daher an ein Grundstück am südlichen Abhang des Pöstlingberges. An einem schönen Herbsttag nahm Herr Jax einmal gelegentlich eines Sonntagsspazierganges mit seinen Söhnen und Töchtern den Weg vom Pöstlingberg über die Diesenleiten und besuchte Herrn Schieferseder, von dem er wusste, dass er manchmal in seinem Ärger über die Dienstboten schon daran dachte, sein Landgut zu verkaufen. An diesem Tage aber war der Bauer nicht dazu gestimmt. Eines Tages aber äußerte sich Herr Schieferseder: „Wenn Herr Jax heute hier wäre, würde ich ihm sofort mein Gut verkaufen!“ Herr Jax, davon durch seinen Holzlieferanten, Herrn Aumeier, in Kenntnis gesetzt, war mit diesem sogleich zur Stelle. Der Vertrag wurde sofort mündlich und schriftlich gemacht, aber kaum war er abgeschlossen, als ihn Herr Schieferseder auch schon wieder rückgängig machen wollte. Herr Jax ließ aber nicht mehr locker. Zum Bauernhof gehörte auch viel Grund: Wiesen, Felder und Wälder, von denen ein Großteil in der Diesenleiten war. Später kauften die Ursulinen auch noch ein Stück angrenzenden Wald dazu.
Herr Jax erkundigte sich bei Fachleuten, was in Marienheim für die Wirtschaft am erträglichsten sei; man empfahl ihm Milchwirtschaft, weil viel Wiesengrund dabei war, und Obstkultur, wegen der ausgezeichneten, günstigen Lage am südlichen Abhang des Pöstlingberges. So stellte man Kühe ein und Herr Jax pflanzte mit viel Mühe selbst mit nur einem Gehilfen circa 600 Obstbäume, fast nur Edelobst. Es befanden sich bereits viele alte Mostobstbäume beim Haus. Herr Jax pflanzte den Weg zum Bach entlang und gegen den Steinbruch noch Mostobstbäume, am Rand des Baches Eschen und auf dem Weg nach Mareinheim hinauf Nussbäume – diese und die Eschen wegen des wertvollen Holzes. Leider hat man aus Unverständnis die Eschen zu bald entfernt. Das Schiefersedergut besaß eine weithin berühmte Mostschenke. Herr Jax machte selbst den Plan für den Obstgarten, pflanzte in gehöriger Entfernung voneinander die besten Sorten von Apfel- und Birnbäumen, dazwischen immer Zwetschken-, Pflaumen- oder Kirschbäume, die nicht so lange tragen und nach deren Entfernung sich die anderen Bäume ausbreiten konnten. Er sparte auch in späteren Jahren keine Mühe und Zeit für das gute Gedeihen seiner Pfleglinge. Früher kamen – besonders im Winter – fleißig Hasen und Rehe in den Garten, auch Fasane und Rebhühnerfamilien. Um die Bäumchen vor dem Wind und der Kälte zu schützen, wurden sie im Winter bestrichen oder mit Reisig umgeben. Sie mussten auch fleißig gedüngt werden. Wenn starker Sturm in späteren Jahren Bäume zu Fall brachte, richtete sie Herr Jax mit seinem Flaschenzug sofort wieder in die Höhe und befestigte sie mit Drähten, um sie vor fernerem Falle zu schützen. War zu seinem Leidwesen ein Ast gebrochen, wurde die verwundete Stelle mit Lehm bestrichen und bekam einen Verband. Gegen Ende des I. Krieges waren einmal so viele Zwetschken, dass man nicht genug Gläser auftreiben konnte. Man füllte damals mehrere Fässer mit Povidl, dörrte Zwetschken mit dem Dörrofen oder brannte Schnaps damit. Das Obst war besonders in dieser schweren Zeit eine große Hilfe. Bei jeder Mahlzeit kam Obst auf den Tisch, manches Jahr bis gegen Juni; auch gab es viele Obstspeisen, guten Most oder Früchtesaft. Mit großer Freude betrachtete Herr Jax im Frühjahr immer die Blütenpracht und es kam dann über seine Lippen das innige Gebet: „Herr, gib, was Du uns zeigst!“ Ein zweites Sorgenkind war für Jax der Buchenzaun, der reines Laub besitzt, frei von Insekten, und dasselbe auch im Winter bewahrt. Er kaufte billige Schnurreste, verknüpfte sie selbst, dann ging er ans Verflechten des Zaunes, wobei ihm seine Enkel sowie die Tochter und einige Klosterfrauen halfen – deren Lieblingsbeschäftigung in den Ferienmonaten. So kam nach und nach die schöne, dankbare Umzäunung der damaligen Klausurgärten zustande.
Durch den Bau einer Fahrstraße, durch die Beförderung des Materials (damals gab es noch keine Autos), durch den Aufbau des Presshauses (es musste eine Priesterwohnung geschaffen werden) und unvorhergesehene Auslagen wurde die Dotation der Tochter weit überschritten (72 oder 76000 Gulden); so wurde vereinbart, dass Herr und Frau Jax eine Sommerwohnung im Aufbau des Presshauses bekommen sollten sowie die beständige Verköstigung daselbst. Die Eltern brachten nur zweimal 2 Sommermonate, solange ihre Tochter noch bei ihnen war, daselbst zu, indem sich der Vater im Garten beschäftigte (1901/02); die Mutter verbrachte einen Winter im Kloster.
Die Wohnung bestand, gleich der des Priesters, aus einer Küche, zwei Zimmerin und einem Balkon, erwies sich aber bald als unpraktisch für die Eltern, vor allem, weil zu weit von der Stadt entfernt, wo Herr Jax geschäftlich mit Arbeit überladen war und somit sehr schwer abkommen konnte. Daher wurde – soviel ich weiß – ein anderer Vertrag gemacht, laut dessen das Kloster die Zinsen des überschüssigen Kapitals zu zahlen gehabt hätte. Es muss später noch eine andere Vereinbarung gemacht worden sein, da laut Familienchronik Herr Jax nur teilweise in Naturalien entschädigt wurde und niemals durch Geldbetrag.
Während des 1.Weltkrieges war es sehr schwer, einen Landaufenthalt in den Ferien zu bekommen und ging da die Schwägerin auf heißen Wunsch des Vaters für 14 Tage in die Elternwohnung nach Marienheim, wo sie sich selbst verköstigte. Sie hielt es daselbst nicht länger aus. Franz und Paul dürften damals 16 – 18 Jahre alt gewesen sein, hatten vielleicht Karl May gelesen und liebten, auf Abenteuer auszugehen. So fuhren sie einmal in Abwesenheit ihrer Mutter in einem Waschtrog über den tiefen Teich, um Kröten einzufangen, die an der Mauer hingen und allabendlich den Schlaf der Klosterfrauen durch ihr unerquickliches Konzert störten. Ein anderes Mal entdeckten sie beim Steinbruch eine Kreuzotter; Franz packte sie fest hinterm Kopf, und die Schlange ringelte sich zischend und züngelnd um seinen Arm. In diesem Aufzug traten die zwei Abenteurer vor ihre Mutter, die nicht wenig erschrak. Durch einen Schlag auf den Kopf versetzten sie der Schlange den Todesstreich. So verlief auch dieses Wagnis ohne weiteren Schaden.
Am 14. März 1920, zur Zeit der Arbeiteraufstände und der Wohnungsnot, kam ein Arbeiterkomitee nach Marienheim; man wollte das Kloster mit Parteien besetzen. Herr Jax war Retter in der Not. Er bot den Herren seine Wohnung und die des Priesters an, die durch den Tod des Herrn Pfarrers gerade frei war. Das Komitee begnügte sich damit, und der Hl. Josef erhielt zum Dank für diese Gebetserhörung ein Marterl auf der Anhöhe des Klausurgartens. Einige Jahre später grub der damals schon alte Herr Jax (über 80 Jahre) eine mannshohe Eiche im Herz-Jesu-Wäldchen, die daselbst hätte verkümmern müssen, aus und schleppte sie mit großer Mühe und Anstrengung, nur von meiner sehr geringen Hilfe unterstützt, hinter das Josefsmarterl, wo er sie einsetzte. Ich hatte keine Ahnung, dass er vor einer Bruchoperation stand, sonst hätte ich es niemals zugelassen.
Die Parteien fühlten sich im Priesterstöckl sehr wohl und war es schwer, ihrer wieder los zu werden. Man ersuchte Herrn Jax, zu der Sitzung zu erscheinen. Ihm, seinen vernünftigen Worten, gelang es auch diesmal, den Sieg zu erringen.
Herr Jax war auch Wohltäter des Stadtklosters und der Kirche. 1902 wurde die Kirche renoviert. 1905 spendete Herr Jax eine kostbare, echt vergoldete Krone zur feierlichen Krönung der Gottesmutter, die am 11. 2. 1905 stattfand. Außerhalb des Gitters war bei der Lourdesgrotte ein altes Antoniusbild für die Sammelstelle des Antoniusbrotes. Dieses ließ Herr Jax durch ein moderneres, würdigeres Bild ersetzen. Im Kloster wurden auf seinen Rat hin manche nützliche und praktische Neuerungen getroffen. Auf Ansuchen von M. Klementine, die damals Schul- und Pensionatsvorsteherin war, ließ Herr Jax in der Fabrik auch mehrere Lehrmittel anfertigen für Zeichnen, Geometrie und Geographie, was er jedoch ungern tat, da es im Betrieb störte und viel Zeit raubte. Am Sylvesterabend 1901 wurde an der Westfront des Hofgartens über dem Eingang ins Kloster ein Jubiläumskreuz angebracht als Erinnerung an die Jahrhundertwende, das in der Fabrik angefertigt worden war. Ein solches kam auch über das Eingangstor in Marienheim. Herr Jax machte auch eine Stiege links und rechts von der Grotte mit einem Geländer, ließ in der Fabrik einen Kreuzweg anfertigen. Die Kupferplatten wurden von der künstlerisch begabten M. Ursula mit Ölfarben bemalt. Bei Aufstellung des Kreuzweges bemerkte Herr Jax zu seiner Freude, dass es gerade 14 Baumreihen bis zur Anhöhe waren. In der Mitte des Gartens hatte Herr Jax ein kleines Fichtenwäldchen angelegt und ein 8m hohes Kreuz aus kräftigen Holzstämmen anbringen lassen, das an den Feiertagabenden sowie bei festlichen Anlässen mit vielen Lichtern erstrahlte und weithin, sogar vom oberen Hauptplatz aus, gut sichtbar war. Das Kreuz wurde in späteren Jahren entfernt, da es die Waldbäume verdeckten und der Stamm auch morsch wurde. Jetzt ist daselbst noch ein kapellchenartiger Bau aus Holz mit einer schönen Herz- Jesu-Statue (Geschenk von Frau Jax), nach welcher das Wäldchen als Herz-Jesu-Wäldchen bezeichnet wurde.
Herr Jax schrieb seiner Tochter Johanna wiederholt Briefe nach Auch, wo diese zur Befestigung ihrer Gesundheit 2 Jahre als Zögling der Ursulinen weilte. Leider sind uns dieselben nicht mehr erhalten, da M. Aloisia auf Wunsch der Oberin in Tournai (Belgien, im 2.Weltkrieg) bei Annäherung der Deutschen auch ihre Korrespondenz vernichten musste. Sie fand jedoch in einem Buch noch 1/2 Blatt eines Briefes, datiert vom 6. Oktober 1899. Es war ein Begleitschreiben zur Einsendung eines Planes von Marienheim, den Herr Jax zur Besichtigung seiner Tochter sandte: „Die Klausur wird mit einer 2m hohen Planke umzäunt. Der Garten wird in einen Obstgarten verwandelt, weil die Lage dazu ausgezeichnet ist. Das Haus habe ich in Bau und wird noch vor Beginn des Winters unter Dach gebracht, zum Austrocknen, damit es im nächsten Sommer bezogen werden kann. Wie ich hoffe, wird Dir dieser ...“ (Plan gefallen).
Als die Tochter Johanna Ende Oktober 1900 über Rom, wo ihre Mutter und die Geschwister gelegentlich des Jubiläumsjahres mit einem Pilgerzug mit P. Irenäus Bernauer und Marie Jäger hingefahren waren, nach Hause kam, war das Kloster bereits bewohnt. Die Weihe der Kapelle und die Übergabe des Hauses hatte am 16.7.1899, am Skapulierfest, stattgefunden. Vis-a-vis vom Meierhof ließ Herr Jax ein Marterl mit dem Bilde Unserer lieben Frau vom Berge Karmel anbringen. Er war ja großer Marienverehrer und trug stets das Skapulier, ebenso seine Kinder, die ganz klein schon in die Skapulierbruderschaft aufgenommen wurden.
Bis zur Gründung einer Missionsstelle in Linz sandte das bischöfliche Ordinariat die ankommenden auswärtigen Missionare gewöhnlich zu Herrn Jax, der für sie gute Unterkunft besorgte. So kam auch einmal ein Bischof mit zwei Negerin, mit denen wir unsere Nikolausbescherung teilten und unsere kleinen Ersparnisse an Geld gaben.(Wir Kinder erhielten kein Taschengeld, doch gab uns der Vater für einen Bogen Abziehbilder-Ausschneiden, die zur Verzierung der Nähmaschinengestelle dienten, 2 Kreuzer. Marie Jäger führte immer das Inventar und spornte unseren Eifer an. Zu Weihnachten hatten wir alle eine versperrbare, mit Namen versehene Sparbüchse bekommen). Es war vielleicht kaum ein Gulden, den wir geben konnten, aber in unsern Augen ein Vermögen, und wir gaben es mit Freuden. Einmal kam auch ein Bischof mit zwei Chinesen. Nach Jahren erzählte man, dass dieser Bischof getötet wurde und dass einer dieser Chinesen in den schrecklichen Folterqualen, die er erlitt, dessen Aufenthalt verriet. Armer Junge! – Wenn ich mich recht erinnere, kam dieser Bischof aus Goa und sprach er zu uns vom Hl. Franz Xaver, gab uns auch Reliquien von diesem Heiligen.
Sommer 1924 musste sich Herr Jax einer Blasenoperation unterziehen. Um einer bösartigen Wiederkehr des Übels vorzubeugen, fuhr Herr Jax hernach fleißig nach Amstetten zu der erfolgreichen Radiumbestrahlungskur. Daselbst fand er Gelegenheit, an einem religiösen Werk initiativ und fördernd mitzuwirken. Durch providentielle Fügung lernte er dort Hochw. Herrn P. Kranner kennen. Die PP. Salesianer von Don Bosco waren mit der Seelsorge an der Herz-Jesu-Kirche und im Krankenhaus betraut. Die Sehnsucht des Herrn Jax nach der Gründung eines Don Boscowerkes in Linz sollte bald in Erfüllung gehen.
Am 15.August 1925 fand die goldene Hochzeit des Herrn und der Frau Jax statt. Sie wurde auf Wunsch des Vaters bei den Ursulinen festlich begangen. Zuerst war die Erneuerung des Treuegelöbnisses in Verbindung mit der hl. Singmesse, bei der auch die zahlreich erschienenen Verwandten die hl. Kommunion empfingen – natürlich mit Ausnahme der vielen, noch ganz kleinen Enkelkinder. Hernach wurde im großen, damals noch mit Gittern versehenen Sprechzimmer der Ursulinen ein reiches, feines Frühstück verabreicht. M. Aloisia hatte somit Gelegenheit, Groß und Klein begrüßen zu können und kennen zu lernen. Die lieben Eltern waren, wie aus dem Foto zu sehen ist, schon sehr gealtert und gebrechlich, besonders der Väter, der kurz vorher aus dem Spital kam. Nach dem Frühstück ging man ins Elternhaus zur Beglückwünschung und fuhr dann auf den Pöstlingberg, wo fotografiert wurde und auch das Festmahl stattfand. Die Mutter war in Verlegenheit, wusste nicht, wie viel sie für das Frühstück zahlen sollte. Im Berghotel verlangte man für das reiche Diner und die Saalbenützung 2,000.000 Kronen, so gab sie denn 1,000.000 Kronen für das Frühstück, was bestimmt gut bezahlt war, da von den meisten Torten und Kuchen viel übrig geblieben war. Herr Jax wollte, dass auch die Klosterfrauen ein Festessen bekämen.
(zu Chronik S.34)
Frau Jax hatte den Siebziger überschritten und litt nun oft an Schwäche und Kreislaufstörungen. Am 8.2.1927 fühlte sie sich am Morgen nicht wohl und unterließ daher gegen ihre Gewohnheit den Kirchgang. Nachmittag gegen 3 Uhr ging Herr Jax vom Geschäft in den 2.Stock, stellte Milch aufs Gasöferl und wollte mittlerweile im Wohnzimmer nachsehen, wie es der Mutter gehe. Zu seinem nicht geringen Schrecken fand er sie neben dem Fauteuil am Boden liegend. Sie konnte noch einige unverständliche Worte sprechen. Es wurde sofort ein Priester gerufen. Hochw. P. Prior von den Karmeliten kam und spendete die Sterbesakramente. Die Mutter schien schon bewusstlos zu sein, hatte aber am nächsten Tag zur gleichen Stunde noch einen lichten Moment. Die Kreuzschwester, die bei der Mutter wachte, verständigte den Hochw. Herrn Pfarrer Mayrhuber, der sich im Zimmer nebenan befand und der Sterbenden nochmals die Generalabsolution spendete. Der Vater kam noch rechtzeitig vom Geschäft hinauf, nicht aber der Bruder Franz; die Mutter war vor einigen Minuten ruhig hinübergeschlummert. Ihr letzter Ausgang war die Besorgung des Stoffes für eine Trauerfahne für den Landeshauptmann Hauser; sie hatte damals wohl keine Ahnung, dass diese Fahne schon so bald zuerst für sie gehisst werde. Es waren um diese Zeit schon schöne, warme Frühlingstage und war daher die Mutter am Paradebett ganz von Schneeglöckchen-Sträußchen umgeben. Das Leichenbegängnis musste um einen Tag früher stattfinden wegen des Begräbnisses vom Landeshauptmann; so kam es, dass Frau Jax am Tage der Erscheinung Unserer lieben Frau von Lourdes begraben wurde. Frau Jax war eifriges Marienkind und viele Jahre Ausschuss und Ehrenmitglied der Frauenkongregation und des Müttervereines. Sie stand im Wohl tun ihrem Herrn Gemahl stets treu zur Seite. Herrn Jax ging der so schnelle Tod seiner geliebten Gattin sehr nahe.
Darf ich hier auch ein ganz persönliches Erlebnis anführen. Am 8.2.zwischen 2 und 3 Uhr trieb mich ein unaussprechlich banges Gefühl, wie ich ein solches nie in meinem Leben empfand, zweimal von der Zelle im 2.Stock zum Gebet hinunter vor den Tabernakel in die Kirche. Ich hatte keine Ahnung vom Schlaganfall der Mutter. Der Vater brachte mir am Abend die Kunde davon. Er war ganz gebrochen vor Schmerz, Tränen erstickten seine Stimme. Mir war sehr bange um ihn, dass er der Mutter nun bald folgen werde. Doch die Familie Marckhgott war sogleich sehr besorgt um ihn, so dass er die Vereinsamung nicht so sehr empfand, als man befürchtete. Es sei ihr „hiefür ein herzliches Vergelt-Gott gesagt! Der Vater alterte zusehends und bedurfte großer Pflege. Lorly stand vor der Matura, widmete damals alle ihre Freizeit dem Großvater. Herr Jax wohnte auch weiterhin im 2.Stock, Familie Marckhgott im 3.
Bald nach dem Tod der Frau Jax kam Herr P. Kranner zur Gründung eines Don-Boscowerkes nach Linz. Gelegentlich meines goldenen Professjubiläums 1954 erhielt ich ein Schreiben dieses frommen, eifrigen Don-Boscopaters, dem wir folgendes entnehmen: „Vater Jax war in zweifacher Art ein Mitgründer der Linzer Don-Bosco-Heime. 1925 forderte er mich gelegentlich eines Besuches des Amstetter Radiums auf, nach Linz zu kommen und eine Don-Boscogründung zu machen. Mit seiner Unterstützung kam ich 1927 und wohnte über ein Jahr bei ihm, hatte meine Verpflegung, die wir manchmal gemeinsam kochten, und ließ auf seine Konten alle meine Bettelgelder einsenden... Abends und auch, wenn ich daheim war, führten wir immer religiöse Gespräche, die uns beiden Freude machten. Leider rief mich im Herbst 1928 der Gehorsam in das neuerbaute Don-Boscoheim – zu seinem großen Schmerze. Er wollte, dass ich bei ihm bleibe. Ehrwürdige Schwester können verstehen, in welch dankbarer Erinnerung mir zeitlebens der Name Jax und auch die Familie ihrer gütigen Schwester und des herrlichen Schwagers bleiben muss! Darum mein täglicher siebenmaliger Segen und die Vereinigung mit ihren Schutzengeln bei Einschluss morgens und abends durch das unbefleckte Herz Mariae in alle hl. Messen während des Tages und der Nacht. Anders kann ich für meine Don-Bosco-Freunde und Wohltäter des Linzer Werkes nicht danken. Ich selbst war ja nur ein armseliges Werkzeug der göttlichen Vorsehung! Umso mehr bleiben wir mit unserem hl. Vater Don Bosco und dessen hoher Schutzfrau Maria, Helferin der Christen, dem ersten und größten Linzer salesianischen Mitarbeiter Johann Jax dankbar!“
Den Sommer 1927 verbrachte Herr Jax gegen seine Gewohnheit in der Stadt, durch den so unerwartet schnellen Tod seiner Gemahlin sah sich Herr Jax genötigt, Veränderungen betreffs Familien- und Geschäftsangelegenheiten vorzunehmen. Er selbst wollte, da seine Kräfte von Tag zu Tag schwanden, sich nun ganz vom Geschäft zurückziehen und es seinem Nachfolger, dem Sohne Franz, übergeben, was wegen der Auszahlungen seiner Geschwister mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Herr Jax nahm daran regen Anteil und es gelang ihm auch, dass es zu einem Ausgleich kam. Im Übrigen befasste er sich aber damals mit der Gründung eines Don-Boscoheimes. Um diese Zeit kam Herr P. Kranner nach Linz und wohnte bis zur Vollendung des Neubaues bei Herrn Jax. Dieser fand somit keine Zeit, sich düsteren Gedanken wegen Vereinsamung hinzu¬geben. Das Mittagessen holte ihm während der Abwesenheit der Familie Marckhgott in den Sommermonaten ein Fräulein vom Geschäft aus dem Hotel Schiff, abends kochten sie oft mitsammen ein einfaches Essen.
In späteren Jahren wurde Herr Jax im Frühling – erst, wenn die Eismänner vorüber waren – mit der Rettung nach Harbach in die Villa geführt und im Spätherbst bei Übersiedlung der Familie wieder in die Stadt zurückgebracht. Als Herr Jax wegen zu großer Schwäche nicht mehr zu Fuß den Hügel hinabsteigen konnte, führte ihn der urwüchsige „Marienheimer-Lakai Michel“ hinauf in der Kutsche, die Herr Jax gelegentlich des ersten Geburtstages (nach der Einkleidung) seiner Tochter 1902 dem Kloster spendete, damit diese alle Wochen hinausfahren könne. „Der Mensch denkt und Gott lenkt!“
Der Vater litt viel an Rheumatismus. Nach Anraten der Ärzte verbrachte er im Jahre 1890 oder 89 einmal kurze Zeit in Bad Gastein, nahm vorher auch schon oft Dampfbäder; am meisten nützte – nach seiner Aussage – viel Bewegung. Während des I. Weltkrieges war er gezwungen, den weiten Weg nach Harbach zu gehen, da es damals noch nicht die Fahrgelegenheiten von heutzutage gab.
Die Schwäche nahm immer mehr zu, daher wandte man sich an die Franziskusschwestern wegen einer Krankenpflegerin und erhielt so die liebe Schwester Albina, die Herrn Jax bis an sein Lebensende 5 Jahre hindurch mit aufopfernder Liebe und großer Sorgfalt pflegte. Man wollte sie einmal zur Oberin in Wien machen, gab aber dem inständigen Bitten des Herrn Jax nach, der sich schwer an eine andere Schwester in dem hohen Alter hätte gewöhnen können. Tausendfaches, herzliches Vergelts-Gott der so lieben, guten Schwester!
Herr Jax unterstützte fleißig Priesterberufe, unter anderen auch seinen Enkel, Sohn der zehnköpfigen Familie, der zuerst 8 Jahre im Petrinum, dann 6 Jahre im großen Seminar verbrachte. Herr Jax wünschte sehnlichst, Hochw. Herrn Professor Eberhard Marckhgott noch als Priester beim Altar zu sehen. Der liebe Gott erfüllte diesen seinen so heißen Wunsch auf wunderbare Weise. Im Monat Juni bis zur Priesterweihe wurde das so teure Leben eigentlich nur mehr durch Herztropfen erhalten. Am Tage der Priesterweihe, während der so schönen Feier, bangte Frau Marckhgott sehr, den lieben Vater nicht mehr lebend anzutreffen. Hochw. Herr Eberhard fuhr auf Wunsch des Hochwürdigsten sofort in die Villa hinaus, um dem Großvater den Primizsegen zu erteilen. Die Primiz sollte am 4.Juli in der Familienkirche (der damaligen Pfarrkirche) stattfinden. Der hochw. Herr Bischof wünschte jedoch, dass der Neupriester schon am nächsten Tag im Krankenzimmer das erste hl. Messopfer darbringe. Man richtete einen schönen Herz-Jesu-Altar. Nach Aussage des Schwagers, H. Direktor Marckhgott, der mit seiner Familie und Schwester Albina der Primizmesse beiwohnte, war Herr Jax während der hl. Feier geistig noch ganz frisch. Bei der hl. Wandlung flössen Tränen der Rührung, des Dankes und der Liebe über seine Wangen, bei der Kommunion erhielt Herr Jax zuerst eine kleine Partikel der Hostie, dann war er in Andacht versunken. Beim letzten Evangelium verlor er das Bewusstsein. Er konnte dann nichts mehr zu sich nehmen und entschlief sanft ins Jenseits am l. Juli um 3 Uhr morgens, am Fest des kostbaren Blutes.
Er hatte stets besondere Andacht zum leidenden und zum eucharistischen Heiland. Sein Lieblingslied, das ihm die Kinder und Enkel bei festlichen Anlässen immer vorsangen, war „Deinem Heiland, Deinem Lehrer“. Solang es ihm möglich war, verrichtete er nach der hl. Messe täglich in der Marienheimkapelle die Kreuzwegandacht. Später betete Frau Marckhgott oft den Kreuzweg, den er von Mater Aloisia aus Marienheim zugeschickt erhielt, wo es bei der 12.Station heißt: „Herr, lass mich sterben mit Deinem Kreuz in der Hand und mit Deiner Liebe im Herzen!“ Frau Marckhgott erzählte, dass er beim Sterben das Kreuz so krampfhaft in den Händen hielt, dass man große Mühe hatte, es ihm zu entreißen. Sie wollte es als teures Andenken für sich behalten.
Die irdische Hülle des teuren Verstorbenen wurde Samstag, den 3.Juli, zuerst bei der Villa in Harbach, dann nach dem Requiem in der Familienkirche, dem auch der Hochwürdigste beiwohnte, und zuletzt noch bei der Beisetzung in der Gruft der Herz-Jesu-Kirche feierlich eingesegnet. Auf dem Weg von der Familienkirche bis Lustenau wurden 3 Rosenkränze gebetet; es war ein langer Leichenzug. Herr Jax war allgemein bekannt und beliebt. Als tags darauf, am 4.Juli, die Primizfeier in der Familienkirche nachgeholt wurde und der Festprediger, H.H. Dr. Wenzl Grosam, von der ersten hl. Messe erzählte, blieb kaum ein Auge trocken und es erhob sich ein lautes Schluchzen. Ein anderer untrüglicher Beweis der Treue und Anhänglichkeit besonders auch unter den Arbeitern und Angestellten waren die vielen Trauerkundgebungen. An ihm verloren auch die Stadtarmen, deren Vater er durch viele Jahre gewesen war, einen großen Wohltäter. In seiner Bescheidenheit und Demut wich er womöglich allen Ehrenbezeigungen aus. So wollte man zu seinen Lebzeiten die jetzige Drouillot(?)-straße in Lustenau mit seinem Namen benennen; als er davon erfuhr, musste alles rückgängig gemacht werden. Demut zählte stets zu seinen Lieblingstugenden. Als man ihm gelegentlich der Einkleidungsfeier seiner Tochter Johanna sagte, dass sie die Größte im Hause sei, war seine prompte Antwort mit Händedruck: „Und ich wünsche, dass Du die Kleinste werdest!“ Wie viel Zeit und Mühe kostete ihn die Entstehung des Petrinums! Er war hiebei einer der besten Helfer und Berater des Hochw. Herrn Bischof Doppelbauer, nahm es aber ruhig hin, dass man davon keine Notiz nahm. Nur einmal machte er mir gegenüber die Bemerkung auf dem Weg nach Marienheim: „Wie oft bin ich hier gegangen fürs Petrinum!“ Der liebe Gott hat alle seine Mühen um das Gelingen dieses so großen und wichtigen Werkes für den Priesternachwuchs sicher schon reichlich entgolten.
Möge mir der Vater verzeihen, wenn ich von seinem stillen, verdienst¬vollen Wirken vielleicht zu viel verraten habe. Es geschah in der Absicht, das so schöne, große Beispiel der Nachwelt zu überliefern. Die heutige Zeit braucht solche Vorbilder zur Aneiferung und Nachahmung.