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Anthoine: Johann von Anthoine d. J. (1800 - 1863; II. Ahnenreihe) und seine Familie

Mein Großvater Johann Bapt. Koloman Leonhard Edler von Anthoine wurde 1800 VIII 31 in der Pfarrkirche Schotten in Wien vom Stiftsabte Andreas getauft. Patin war seine Tante, Fräulein Philippine Edle von Müllern.
Als einjähriges Kind überstand er laut eines anlässlich des Eintrittes in die k.k. Theresianische Ritterakademie, das berühmte „Theresianum“ in Wien, von Dr. A. Careno ausgestellten ärztlichen Zeugnisses die echten Pocken, deren Spuren zeitlebens sichtbar blieben, und mit 9 Jahren trat er im Genusse eines Freiherrlich von Kirchbergischen Stiftungsplatzes in die genannte Akademie ein, in der er sowohl in den Vorbereitungsklassen (Gymnasium) als auch später in den philosophischen und juridischen Kursen seinen Studien erfolgreich oblag. In diese Zeit fällt der Tod seines Vaters, zu dem er der Mutter in einem Briefe voll inniger kindlicher Liebe seine Teilnahme ausspricht.
Nach vollendetem Studium wurde er mit A.H. Entschließung von 1823 VIII 22 beim k.k. Mühlkreisamte in Linz als Konzeptspraktikant mit einem Adjutum jährlicher 300 fl CM. angestellt und 1823 IX 15 beeidigt. Mit Dekret der Landesregierung Linz erhielt er die Jurisdiktion für schwere politische Übertretungen, legte 1826 VII 31 den diesbezüglichen Richteramtseid ab und erwarb noch im selben Jahre die Befähigung zur Versehung einer Konzipisten- oder Kreiskommissärsstelle.
1827/1828 praktizierte Anthoine sodann ein Jahr lang bei Josef Lindauer, Hof-und Gerichtsadvokaten und Justizverwalter des Linzer Dompropstei-Dominiums, um sich in den Geschäften des Civilrichteramts für die aus diesem Fache abzulegende Prüfung zu schulen und machte zur gleichen Zeit die Kriminal-Praxis beim k.k. Stadt- und Landrechte in Linz, was ihm von diesem Gerichte 1828 III 28 bestätigt wurde. Beim k.k. NÖ. Appellationsgerichte in Wien legte er sodann die Richteramtsprüfung ab, bei der er „gute Fähigkeit“ erwies, wie ihm mit Dekret unter Verleihung der Befugnis zum Zivil-und Kriminalrichteramte bescheinigt wurde. Den bezüglichen Eid legte er 1829 II 28 beim Stadt-und Landrechte in Linz ab.
1829 wird Anthoine über sein Ansuchen aushilfsweise dem Pfleggerichte St. Michael im Lungau im Salzburgerkreise zur Dienstleistung zugewiesen. Das Dekret spricht sich sehr lobend über seine bisherige Verwendung aus. Wie lange diese Zuteilung gedauert hat, ist aus den vorliegenden Schriften nicht ersichtlich, jedenfalls kam er noch im selben Jahre zum Pfleggerichte Zell am See, dann mit obderennsischem Regierungsdekret , von dort weg zum kontrollierenden Adjunkten beim Pfleggerichte in Saalfelden mit einem Jahresgehalt von 500 fl CM ernannt. Die Anstellung war mit dem Erlage einer Dienstkaution im gleichen Betrage verbunden; die Beeidigung fand 1830 I 23 beim Kreisamte Salzburg statt.
Dem gebürtigen Wiener, der bisher die Alpen wohl nur aus Schilderungen und Bildern kannte, muss – insbesondere bei seinem empfindsamen Gemüth – die großartige Gebirgswelt, die ihn nun umgab, einen über¬wältigenden Eindruck gemacht haben und er griff wohl auch gerne zum Bergstock, um in der damals üblichen, bescheidenen Weise Touristik zu treiben. Ein interessantes Zusammentreffen schildert er später (1839 X 31) in einem Briefe an seine Braut, Luise von Schidenhofen:
„Es ist etwas über 10 Jahre, dass ich mit dem Schauspieler und Dichter Raimund nach einem 3 tägigen Herumirren in den Bergen über den Mallnitztauern nach Vellach hinabstieg, wo wir uns am anderen Tag trennten, um uns nie wiederzusehen“.
In seine Saalfeldener Zeit fällt der Tod seiner Mutter (1830 XI 7). Von dort schreibt er 1830 X 30 an seine Schwester Mimi, in dem er seinen Gefühlen angesichts der bevorstehenden Auflösung seiner Mutter Ausdruck gibt und Mimi Vorschläge macht, allenfalls zu ihm zu ziehen und dabei in seiner gewissenhaften Weise genau das Für und Wider eines derartigen Schrittes abwägt. Auch stellt er ihr seine Hilfe – soweit es seine beschränkten Mittel irgend erlauben – zur Verfügung.
Die Nachricht vom Tode, die Mimi ihm noch am Sterbetage schrieb, erhielt er erst am 14. Nov. und beantwortete sie umgehend: „Deinen Brief v. 7. habe ich heute erhalten; ich kann unserer guten Mutter nur Glück wünschen, dass sie endlich die Bürde ihres schmerzhaften Lebens verloren hat. Ich schreibe Dir über diesen Fall nicht; ich könnte Dir nichts sagen, was Dir nicht eigene Überlegung schon eingegeben hat. Die Mutter war das vollendetste menschliche Wesen, was ich je kannte, und ich kann sie rücksichtlich der Klarheit ihres Verstandes und der Güte ihres Herzens kaum mit irgend jemand vergleichen. Wir wollen uns bestreben ihr zu gleichen, und ihr Andenken dadurch ehren“. Er schickt ihr dann 60 fl zur Bestreitung der nötigen Auslagen, empfiehlt ihr sich in Angelegenheit der Verlassenschaft an Mattenkloit zu wenden und rücksichtlich des Einschreitens um Pension an Wenzl.
Anthoine hatte eine Dienstwohnung im Schlosse Fornach, eine halbe Stunde vom Markte Saalfelden entfernt, wo das Pfleggericht seinen Sitz hatte, inne.
Mimi scheint zunächst auf seinen im vorletzten Briefe gemachten Vorschlag, zu ihm zu kommen, eingegangen zu sein, denn er drückt seine Freude darüber aus. Im nächsten Briefe empfiehlt er ihr aber, bis Georgi auf alle Fälle in Linz zu bleiben, und stellt ihr die Bezahlung des Wohnungszinses für das Lichtmeßquartal in Aussieht. Es sei leichter, sich im Sommer zu akklimatisieren als im Winter. Er gibt ihr dann noch Rat¬schläge betreffs Auflösung des Haushaltes und der Übersiedlung. In diesem Briefe ist auch erwähnt, dass er selbst zur Zeit bei einem Kanzlisten in der Kost sei – Mittag und Abends um zusammen 10 fl monatlich – und dass ihn im übrigen der Gerichtsdiener-Gehilfe bediene.
In einem weiteren Briefe vom 12. 12. erwähnt er, dass sein Freund Weiß, Pfleggerichtsadjunkt in Zell am See, Pfleger in Gastein werden solle und dass er sich um dessen freiwerdenden Posten „in Competenz setzen“ werde. In dem nicht datierten Neujahrsbrief 1831 schreibt Anthoine wieder von seinen beabsichtigten Bewerbungen um einige besser dotierte Adjunktenstellen (Zell und Golling), ferner teilt er mit, dass er von seinem Freunde Ransonnet die Nachricht erhalten habe, dass Mimis Pensionsgesuch in der Hofkammer (Finanzministerium) liege und demnächst der A.H. Vortrag darüber erfolgen werde, dessen Erledigung in 8-10 Wochen zu gewärtigen sei. Er berichtet auch, dass er viel auswärts zu tun habe, da er bei der österreichisch-bayerischen Saalforst-Kommission tätig sei, welche, wie aus einem späteren Briefe hervorgeht, in Leogang amtierte.
In diesem Briefe findet sich auch die oben bei Darstellung der Hayden'schen Familienverhältnisse benutzte Stelle, welche lautet: „ So ist nun auch die alte Baronin bei ihren Vorfahren versammelt, ich hätte nicht gedacht, dass sie sobald unserer Mutter nachfolgen sollte; zwischen den beiden Geschwistern wird es wohl manchen verdrießlichen Auftritt geben; ich hätte dem Schwager geschrieben und ihm Beileid gezeigt, da er aber alle gleiche Höflichkeit im gleichen Falle nicht für mich hatte, so unterlasse ich es und bitte Dich, es in meinem Namen zu tun. Die Schwester Theres und ihre Kinder küsse ich, sie hat nun die Plage mit der Tante wie es scheint für immer am Hals und ich bedauere sie deswegen sehr.“
Zwei weitere Briefe aus Fornach und Saalfelden datiert (1831 II 5 und II 27) befassen sich wieder mit Mimis Übersiedlung und ihrem Pensionsgesuch; leider geben die Quellen aber keinen Aufschluss darüber, ob Mimi damals tatsächlich zu ihrem Bruder gezogen ist; jedenfalls aber hat sie den Sommer 1831 dort zugebracht.
1831 verlieh die o.d.e. Landesregierung Anthoine die angesuchte Adjunktenstelle beim Pfleggerichte Zell am See mit dem Gehalte jährlicher 600 fl; von dort wurde er mit der substituierenden Leitung des Pfleggerichtes Großarl betraut (Gehalt 800 fl, freie Wohnung) . Mit dieser Stellung war auch eine Erhöhung der Kaution von 500 auf 1000 fl verbunden, welche Anthoine auch u. zw. wie es scheint unter Mithilfe seines Wiener Freundes Ransonnet erlegte, denn er erwähnt in einem späteren Brief die Tilgung einer Schuld an Ransonnet.
1833 wurde Johann von Anthoine über sein Gesuch von 1832 X 4 die Landesfürstliche Pflegerstelle in Lofer mit einem Jahresgehalte von 900 fl verliehen. Den Diensteid legte er 1833 VII 15 beim Kreisamte in Salzburg ab.
Aber schon am 30. Juli erging ein Regierungsdekret , wodurch er zur provisorischen Versehung der Pflegerstelle in Tamsweg berufen wurde, womit ein Gehalt von 12000 fl und eine Kautionspflicht von 2000 fl CM verbunden war. Die von Anthoine hinsichtlich der Cautionsergänzung abgegebene Erklärung dato Tamsweg 1834 VII 16 ist von Josef Cajetan Riederer, Rentmeister, als Zeugen mitgefertigt; es ist dies jener Riederer, der später während Anthoines Pflegerzeit in Mauerkirchen Rentmeister im benachbarten Mattighofen war und dort 1847 IV 13 starb. Sein Sohn Gustav Riederer Ritter von Dachsberg heiratete 1878 die Schwester meines Vaters, Anna Marckhgott.
Wie lange diese Substitution in Tamsweg gedauert hat, konnte ich nicht ersehen. Dieser Aufenthalt im Lungau war es aber, der zur Bekanntschaft Anthoines mit Emilie Gantschnigg führte, mit welcher er sich im Sommer desselben Jahres verlobte, wie aus einem Briefe Emiliens aus Goppelsbach von 1834 VI 23, in dem sie seine Werbung annimmt, hervorgeht. Die Trauung fand 1834 X 12 auf Schloss Goppelsbach, Pfarre Stadl bei Murau in Steiermark, wo Emilie auch 1807 VII 30 geboren war, statt. Sie war die Tochter des Gutsbesitzers Matthäus Josef Gantschnigg, der noch mehrere Güter, darunter später die Herrschaft Ottmanach in Kärnten, besaß. Er starb 1865 X 27. Die Mutter Emiliens war Josefa, geb. Hübner von Kreuzencron.
Johann von Anthoine hat seine Braut und junge Frau auch in begeisterten Gedichten besungen, die eine ganz beachtenswerte Fertigkeit im Gebrauch der gebundenen Sprache aufzeigen, wie es übrigens damals in der Zeit des Biedermeier bei den Gebildeten üblich war. Es sind einige erhalten geblieben, deren Wortlaut ich hierher setze:
I. An Mili.
Was glänzt dort im Saale im Lichterglanz
Im blendenden, weißen Gewande?
Die lieblichste ists aus der Jungfrauen Kranz,
Versammelt zum fröhlichen, flüchtigen Tanz.
Ihr Anblick füllt alle mit Freude.
Wer ist wohl das liebliche holde Kind?
Das ist, das ist Milis
blühende Mädchengestalt.
Was schwebt dort vom Schlosse zur Kirche hinan,
Seht näher und näher es kommen?
Es ziehet die schönste der Bräute heran,
Bezaubert macht alles der Lieblichen Bahn,
Betrachtet die Holde mit Freude.
Und wer die versammelte Menge fragt
Das ist, das ist Mili,
wunderlieb blühende Braut.

II. An meine lb. Emilie.
Vier Flitterwoohen sind vorüber,
Die Horen flohen in flüchtgen Bund,
Du meine Milie, wirst mir lieber
von Tag zu Tag, von Stund zu Stund.
Beglückend wirkend Deine Nähe
auf mein Gemüth, auf mein Geschick,
Zu Dir herzliebe Mille sehe
ich stets mit frohem heiterem Glück.
Laß meine Lieb auch Dich beglücken,
Ruh sanft an meiner treuen Brust,
Mir gib die Sorgen, die Dich drücken,
Gleich teilen laß uns Freud und Lust.
Sieh, pfeilgeschwinde fliehn die Jahre,
im Wechsel drängt sich Glück und Schmerz:
Dass sich die Liebe treu bewähre,
Dies ruht in unserm eigenem Herz.
Laß, süße Milie Dich umfangen,
Laß küssen Deiner Augen Glanz,
Reich Deine blühend schönen Wangen
zum Kusse Deinem treuen
Hanns.

Aus der Datierung dieses Gedichtes geht hervor, dass sich das junge Paar zunächst noch in Tamsweg aufhielt. Jedenfalls ist aber die Substitution dort spätestens Anfangs 1836 zu Ende gegangen, denn in diesem Jahre (1836 VII 4) schenkt Emilie ihrem Gatten in Lofer ein Mädchen. Aber auf diesem Höhepunkt ehelichen Glückes fielen bereits die Schatten seines Endes. Emilie konnte sich von ihrer schweren Stunde nicht mehr erholen und starb 1836 VIII 6 in Lofer. Die noch erhaltene Grabschrift an der dortigen Kirchenmauer, deren Entwurf von der Hand ihres trauernden Gatten sich unter seinen Briefen befindet, lautet:
„Hier ruhet Emilie von Anthoine geborne Gantschnigg Gattin des k.k. lf. Pflegers Johann von Anthoine zu Lofer, geboren am 3. July 1817, ver¬mählt am 12. Oktober 1834, gestorben am 6. August 1836. Friede der besten Tochter und Gattin.“
Noch im Frühjahr 1837 gibt Anthoine der Trauer über seine Gattin in zwei Gedichten Ausdruck:
Es schleichen langsam düstere Stunden
belastet mit Mühe und Not,
Sie öffnen immer wieder die Wunden:
Emilie, Emilie – tod !
Der Friedhof liegt drüben so schweigend,
Sanft flüsternd spricht traurig ein Grab.
Die schwarzen Träger, stille sich neigend,
versenkten den Sarg tief hinab.
Im Sarge ruht im schneeweißen Kleide
Die süßeste Engelsgestalt.
Der Tod bricht Leben, Schmerz und Freuden
Und Alles mit Riesengewalt.
Und brichst die Herzen, Leben im Jammer
So brich auch mein Leben und Herz,
Dann laß mich in Emiliens Kammer,
Dort endet die Klage, der Schmerz.

II.
Sterne tauchen aus dem Firmamente
Zahllos auf in goldner Himmelspracht,
Um der Berge hohe Felsenwände
Ziehn die Nebel aus der Thaler Nacht,
Und die Abendglocke rufet leise:
Ruhe aus von Deiner Pilgerreise.
Tausendfach gestaltet sich das leben,
freude säend, schmerzen erndtend aus,
Wunsch und Hoffnung, Sehnsucht, Liebe schweben
Von der Wiege bis zum stillen Haus.
Wunsch-und hoffnungslos und ohne Lieben
Ist der Blick zum Grabe nur geblieben.
Stiller Ort, wo meine Freuden blühen,
Gerne steigt der Wanderer hinab;
Lebet wohl ihr bunten Lebensmühen,
nehmt mich auf. Du meiner Milie Grab:
Lasset nur die Erde aus den Händen,
Süß ist es, das Leben hier zu enden!

Noch im Todesjahr der Gattin hatte Anthoine um einen anderen Pflegerposten angesucht (1836 XII 12) und mit Regierungsdekret von 1837 erhielt er die Stelle eines landesfürstlichen Pflegers II. Klasse in Werfen mit 1000 fl Gehalt und freie Wohnung, und noch im selben Jahre avancierte er zum Pfleger I. Klasse, indem ihm diese Stelle in Mauerkirchen in Oberösterreich verliehen wurde. Die Kaution war nun wieder auf 2000 fl zu erhöhen, wenn sie noch nicht in dieser Höhe erlag. Damit hatte Anthoine mit 24 Dienstjahren den angemessenen und erstrebten leitenden Dienstposten erlangt, auf dem er allenfalls auch seine Diensteslaufbahn ehrenvoll beenden konnte, wenn sich kein Möglichkeit finden sollte, etwa als Landrat an die Spitze einer Kreisbehörde oder in das Kollegium eines Stadt- und Landrechtes zu treten, wie es bei einem seiner Mauerkirchener Amtsvorgänger, Joachim von Schidenhofen, 1832 der Fall gewesen war und der wohl nie daran gedacht hatte, dass eine seiner Töchter als die „gestreng Frau Pflegerin“ nach Mauerkirchen zurückkehren werde. Ich konnte leider nicht in Erfahrung bringen, ob die Pflegerei Mauerkirchen bei dem Bekanntwerden Johann von Anthoines mit Luise von Schidenhofen eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls hat sich Anthoine als Witwer vereinsamt gefühlt und auch seine Stelle als Vorstand eines Verwaltungs- und Gerichtsbezirkes erforderte wohl die Führung eines Hauses. Entscheidend mag auch die Trennung von seinem Töchterchen Emilie, das er bei seinem Schwiegervater bzw. Schwägerinnen in Kärnten untergebracht hatte, auf seinen Entschluss eingewirkt haben, neuerlich das eheliche Glück zu versuchen.
Die Verlobung dürfte im Oktober 1839 stattgefunden haben; vom 31. dieses Monats ist der erste einer kleinen Zahl Briefe an seine Braut datiert, den an ihrer Stelle ihr Vater Schidenhofen mit einem für den Bräutigam höchst ehrenden Brief von 1839 XI 8 beantwortet. Was die Braut an Ausstattung mitbekam, ist in einem genauen Verzeichnisse dargestellt und bewertet, die Summe macht 1155 fl 56 xr; wie sich Bräutigam und Brauteltern allenfalls noch wegen einer Mitgift auseinandersetzten, ist dagegen nicht zu ersehen.
Die Trauung fand 1839 XI 18 in der Stadtpfarrkirche zu Linz durch den Senior-Kooperator Franz Fekührer statt. Als Zeugen fungierten k.k. Landrat Dr. Norbert Lorenz und k.k. Fiskal-Adjunkt Dr. Franz Pridalek. Anthoine hätte für dieses Amt gerne seinen Schwiegervater erster Ehe Gantschnigg gehabt, doch konnte dieser nicht kommen, weil er gerade größere Gütertransaktionen durchführte. Die Braut Ernestine Maria Aloisia von Schidenhofen zu Stumm war 1818 III 30 in Mauerkirchen, wohin sie nun als die Gattin eines Amtsnachfolgers ihres Vaters zurückkehren sollte, geboren. Über ihre Eltern und Vorfahren wird in weiteren Abschnitten dieses Teiles unserer Familiengeschichte gehandelt werden.
Aus ihrer Jugendzeit ist uns leider fast nichts überliefert; sie soll ein zartes, schüchternes Mädchen gewesen sein. Carl von Anthoine, damals Grenadierhauptmann in Lemberg, zitiert eine Äußerung seines Bataillonschefs, Major Grafen Revertera, welcher die Familie Schidenhofen von Linz aus kannte und Luise ein äußerst liebes Geschöpf nennt, während dessen Schwiegermutter, die Regierungsratswitwe von Hartmann aus Linz, ihre Frömmigkeit und Andacht lobt.
Über den Aufenthalt in Mauerkirchen erfahren wir einiges aus Briefen der Ehegatten an ihre Schwester bzw. Schwägerin Mimi, die sich, wie schon oben erwähnt, stets hilfsbereit zur Versorgung der verschiedenen Geschäfte in der Landeshauptstadt zur Verfügung stellte. Sie umfassen den Zeitraum von 1841 bis 1847. Aus ihnen geht hervor, dass das junge Paar bald in ein volles Familienleben eintrat, indem Johann von Anthoines Kind erster Ehe, die kleine Emilie, ins Vaterhaus heimgeholt wurde. Zu ihr gesellte sich bald ein Schwesterlein, Luischen, meine Mama. Die Mutter, Anna von Schidenhofen, leistete ihrer Tochter in ihrer schweren Stunde – und auch bei den meisten späteren Wiederholungen derselben – Beistand. Auch Tante Mimi fand sich öfter im Sommer in Mauerkirchen ein und nahm ihrer Schwägerin viele Arbeit mit den Kindern und im Haushalte ab. Ein Sohn, der 1841 folgte, fand leider nach wenigen Wochen zum größten Schmerze der Eltern ein frühes Ende. Von dem noch folgenden Kindersegen und den weiteren Schicksalen der einzelnen wird noch die Rede sein; dabei auch von dem, was ihre Eltern über ihre früheste Jugend an Tante Mimi berichteten, soweit es familiengeschichtlich von Belang ist. Aus den Briefen sieht man, dass es eine überaus intime, stille Häuslichkeit war, in der Anthoines in Mauerkirchen lebten und dass sich die Großeltern in inniger Liebe zugetan waren. Es liegt noch ein Rest des Zaubers der Biedermeierzeit über diesen ersten 8 Jahren dieses Familienkreises. Für den Großvater war es nur schmerzlich, dass er sein häusliches Glück nicht voll genießen konnte, da ihn sein Amt allzu sehr in Anspruch nahm, was wohl zum Teile seine Ursache in seiner hochgespannten Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit, vielleicht auch seiner Bescheidenheit und Zurückhaltung in der Anforderung notwendiger Hilfskräfte hatte.
Immer wieder preist Anthoine seinen häuslichen Frieden; man wird dabei an den Hausspruch in Paul Kellers Roman „Heimat“ erinnert: „Heimat ist Friede“. Ob sich die freie Naturalwohnung, die mit der Pflegerstelle verbunden war, im Amtshause oder in einem anderen Hause im Markte befand, konnte ich nicht entnehmen; jedenfalls stand dem Pfleger auch ein Garten zur Verfügung, in dem sich Anthoine mit der Pflege von Edelobstbäumen, für die er großes Interesse bekundete, abgab. Die wirtschaftliche Lage war mit Rücksicht auf die rasch anwachsende Familie etwas beengt, doch waren beide Gatten überaus sparsam, lebten daher auch sehr zurückgezogen und nahmen an gesellschaftlichen Veranstaltungen, welche ja in den kleinbürgerlichen Verhältnissen eines solchen Marktes eine wichtige Rolle spielten, nur wenig – für die gesellschaftliche Stellung des Pflegers sicher zu seinem Nachteil zu wenig – teil. Auch Reisen werden wenige unternommen. Anthoine besucht einige Male seinen Bruder Ignaz in Salzburg; nach Linz reist er nur selten in dringenden Angelegenheiten und auch seine Frau besucht nur selten ihre Eltern. Ein gemeinsamer Besuch findet 1846 anlässlich der Trauung Wellis, d.i. Luisens Schwester Isabella von Schidenhofen, die den Hauptmann Leopold Freiherrn von Kleimayrn heiratet, statt. Da dürfen auch die beiden ältesten Kinder mit, Mini und Luischen, die bei Tante Mimi untergebracht werden. Im übrigen geht Luise von Anthoine ganz in ihren Mutterpflichten auf, wie überhaupt dem Wohle und der Ausbildung der Kinder die ganze Sorge und Aufmerksamkeit der Eltern gilt. Besonders tritt letzteres in diesem Zeltabschnitt hinsichtlich des ältesten Töchterchens Emilie in Erscheinung, die Privatstunden vom dortigen Lehrer erhielt. Im Herbst 1846 kam dann Frl. Fanni Strobl aus Passau als Gouvernante für Mili und Luischen ins Haus, die der Mutter die Plage mit der mittlerweile auf 6 angewachsenen Kinderschar wesentlich erleichterte und es ihr ermöglichte, sich vorwiegend den kleinsten zu widmen. Frl. Fanni erwies sich als eine überaus geschickte, gewissenhafte und treuanhängliche Erzieherin und meine Mama und besonders die Tanten Johanna und Marie haben ihrer stets in Worten größter Verehrung und Dankbarkeit gedacht.
Wie oben erwähnt hatte Anthoine große Vorliebe für Obstbau und wie es scheint auch Interesse und infolge seiner Amtstätigkeit in ländlichen Bezirken auch Verständnis für die Landwirtschaft und so erwarb er – bzw. rechtlich die Großmutter – ein kleines Bauerngut in nächster Nähe des Marktes (1846 IV 3) . Er beschreibt das „Gamperer Gütl zu Biburg nächst Mauerkirchen“ wie folgt :
„Es ist ein recht netter kleiner Besitz, bestehend aus einem gemauerten ziemlich geräumigen Wohnhaus, einem gezimmerten Stallgebäude, einer ebensolchen Hütte m. Schweinestall u. einem sehr geräumigen Stadel, nebenan mit 2 Wagenhütten, u. im Innern noch mit 2 Getreidekästen versehen. Diese Gebäude umschließen einen Hofraum in dessen Mitte sich ein Dungerhaufen befindet, auf welchem 14 Hühner samt 1 Hahn spazieren.
An Gründen gehören in allem etwas über 16 Joch dazu, im Garten stehen ziemlich gute und nicht wenige Bäume. Die Felder sind großenteils bebaut, bis auf einige, wo dieses erst geschehen muss. Mitgekauft habe ich 2 alte Pferde und l Stück Hornvieh; eine Kuh hat mir gestern bereits einen Jungen Herrn in den Stall geliefert, worüber jedmenniglich große Freude hat.
An Geräten ist das allernotwendigste zurückgeblieben als 2 Leiterwägen, Pflug, Egge, verschiedenes Arbeitszeug, Dungschlitten &c. an Fütterei ist soviel da, dass meine kleine Menagerie davon bis zur nächsten Einfechsung des Heues &e. leben kann.
Das ganze habe ich um 5600 f R.W. = 4666 f 40 x CM.W.W gekauft, und hätte es ein paar Tage nach dem Kaufe schon wieder mit ein paar Hundert Gulden Profit verkaufen können, was ich aber nicht getan habe.
Mein liebes Weib hat mit ihrem Besitz eine rechte Freude; sie wird sich desselben tätig annehmen. Ein Mayr, samt Weib und 1 Dirn, endlich 1 Tagwerker sind auf unserem kleinen Besitz tätig und nehmen Luisens Befehle entgegen.“
Das Wohnhaus diente offenbar dem Personale zur Unterkunft, denn die Familie blieb auch weiterhin in der Amtswohnung im Markte.
Nun wäre alles – mit Ausnahme der Gesundheit des Großvaters, über deren Mangelhaftigkeit er oft sehr klagt – in einem Zustande gewesen, um einer angenehmen, ruhigen Zukunft entgegen sehen zu können, doch es kam anders. Die Verhältnisse im alten Österreich waren mittlerweile immer ungünstiger geworden, Krieg drohte von Seiten der sich unter dem Hause Savoyen vereinigenden italienischen Kleinstaaten, die ein geeintes Italien anstrebten und irredentistisch-revolutionäre Bewegungen in der österreichischen Lombardei anfachten, zu einer Zelt, wo über ganz Europa die politische Revolution ihre Schatten voraus warf, die dann auch im Jahre 1848 zum Ausbruche kam. Tante Johanna erzählte oft, dass sie damals als kleines Mädchen mit ihrem Vater im Wagen gefahren sei, dem Bauernburschen Steine nachgeworfen hätten. Es muss dies aber nicht unbedingt im Jahre 1848 gewesen sein; ich vermute vielmehr, dass es gelegentlich der Revolte geschah, die anlässlich der Rekrutierung im März 1849 in Mauerkirchen entstand und die Anthoine in dem Entwurf einer Gedenkschrift ausführlich beschreibt. Sie hatte darin ihren Grund, dass sich viele Bauern und Bauernsöhne durch die anderen Standesgenossen auf Grund des Rekrutierungspatentes gewährten Befreiungen beeinträchtigt fühlten und den Pfleger der Parteilichkeit beschuldigten. Er wurde persönlich bedroht und konnte nur mit Mühe durch den Gerichtsdiener, einige Polizisten und ältere Bauern in Sicherheit gebracht werden. Von Seiten der Regierung in Linz wurde zwar „mit Vergnügen die allgemeine Stimme wahrgenomen, dass der Herr Pfleger von jeder Ungerechtigkeit oder Parteilichkeit frei sei“, doch wurde ihm vorgeworfen, dass er die Bevölkerung zu wenig über das Gesetz und seine Durchführung aufgeklärt habe.
Man kann sich denken, wie diese Ereignisse die ohnehin schwache Gesundheit des Großvaters schwer beeinträchtigten. Es kam aber noch schlimmer. Die Umgestaltung der österreichischen Verfassung, die unter anderem die Trennung der Verwaltung von der Justiz mit sich brachte, führte zur Aufhebung der Pfleggerichte und dies wieder hatte die Versetzung Anthoines zum Landesgerichte in Linz zur Folge, die ihm in der Form der Ernennung zum Assessor bei diesem Gerichte mit Dekret des Justizministeriums von 1850 II 23, Zl. 9439, mitgeteilt wurde. Der Gehalt blieb derselbe, jedoch kam die freie Naturalwohnung in Wegfall, so dass nicht nur das ländliche Idyll, das der bisherige Dienstposten bot mehr / weniger geboten hatte, mit den damit verbundenen gesunden Lebensbedingungen für die Familie verloren ging, sondern auch eine schwere wirtschaftliche Schädigung eintrat, ganz abgesehen von dem Verluste, der durch den Verkauf des Gütl in Biburg und die Nutzlosigkeit der dort gemachten Investitionen entstand. Auch bezweifle ich, ob damals den Beamten die Kosten der Übersiedlung vergütet wurden. Dazu kommt noch die Deminutio capitis, die dem bisherigen selbständigen Vorstand einer Behörde durch die Zuweisung des Postens eines zugeteilten Beamten widerfuhr. Die hat ihn schwer gekränkt. In seinem Pensionsgesuche führt er später aus:
„Ich erlaube mich hier anzuführen, dass der Bezirk Mauerkirchen in seinem vorigem Bestände einen sehr großen Umfang hatte; in 13 Pfarreien und 3 Märkten wohnten mehr als 20.000 Menschen; Geschäfte aller Art kamen täglich vor; eine Menge sehr wichtiger Prozesse, weit verzweigte Konkurse, ausgedehnte Kriminal-Untersuchungen habe ich selbst geführt, indem ich mich nicht begnügte das Amt zu leiten, sondern unmittelbar die schwierigsten Behandlungen selbst vornahm, da es mir bei dem geringen, oft mangelhaften Personalstande nur auf diese Art möglich war, dem Gesetze und dem Rechte unbedingte und schnelle Geltung zu verschaffen.
Allein nicht die aufopferndste Dienstleistung, nicht der Umstand, dass ich mit reinem Herzen und reinen Händen alle Pflichten treu besorgte, ferners nicht der Umstand, dass ich als treuer und gewissenhafter Unthertan, Gatte und Familienvater stille und nüchtern in Beachtung und Erfüllung aller Pflichten der Ehre und des Anstandes lebte, konnten mich vor Verleumdungen und Verunklimpfungen schützen; selbst mein Leben war von einer aufgeregten Bevölkerung ernstlich bedroht.
Der Lohn an Pflicht und Ehre standhaft und mit Treue festgehalten zu haben wurde mir nicht zu Theil. Meine Ernennung zum Assessor war mehr eine Zurücksetzung als eine Beförderung, zudem war selbe mit dem Verluste der Naturalwohnung verbunden.“
Im Conkretalstatus der für die Landesgerichte in den Kronländern Österreich ob der Enns in Salzburg systemisierten Assessoren nimmt Johann von Anthoine den ersten Rang ein.
Die Abwicklung der Geschäfte in Mauerkirchen scheint längere Zeit in Anspruch genommen zu haben, denn erst 1850 VI 13 legt er „im versammelten Rate“ des k.k. oö. Stadt- und Landrechts zu Linz den Diensteid für seine neue Verwendung ab. Im Zuge der Neuorganisierung der Gerichte wurde Anthoine sodann 1854 VIII 15 vom Justizminister zum Ratssekretär beim selben Gerichte mit einem Jahresgehalt von 900 fl und einer Personal-Ausgleiches-Zulage von 300 fl CM ernannt. Schon aus der Höhe des systemmäßigen Gehaltes ist ersichtlich, dass die Stelle der bisherigen Laufbahn Anthoines nicht entsprach, der mit Recht sich um eine Landesgerichtsratstelle beworben hatte. Auch dass ihm im Concretalstatus wieder der erste Rang zugewiesen wurde, zeigt, dass er auf eine höhere Stelle Anspruch gehabt hätte. Es hingt dies wohl zum Teile mit irgendwelchen Intrigen zusammen, die in Mauerkirchen gegen ihn gespielt hatten und deren auch Tante Johanna erwähnt hat. Darauf bezieht es sich wohl auch, dass sich Anthoine vor seinem Scheiden von Mauerkirchen vom Clerus seines Pfleggerichtsbezirkes ein Zeugnis über sein ämtliches und außerämtliches Wohlverhalten ausstellen ließ. In dem von 1850 I 13 datierten Schriftstück heißt es:
„Herr von Anthoine hat in Beziehung auf seine Amtsführung in allen Zweigen nach allen Wahrnehmungen der Unterzeichneten während seiner ganzen Amtsperiode als Pfleggerichts-Vorstand sich als sehr geschickter, kenntnisreicher, umsichtiger, besonnener und überaus tätiger Beamter bewiesen; der nicht selten um 3 oder 4 Uhr morgens seine Amtstätigkeit begann und mit unermüdendem Eifer bis zum späten Abende oder auch bis in die Nacht hinein fortsetzte, um den allseitigen Anforderungen zu genügen; ja der unterzeichnete Clerus hält sich für überzeugt, dass über seine Kenntnisse Brauchbarkeit und Tätigkeit kaum irgend ein Zweifel bei seinen vorgesetzten Behörden obwalten könne. Mit dieser ausgezeichneten Tätigkeit verband derselbe eine seltene Uneigennützigkeit und strenge Rechtlichkeit. Der unterzeichnete Clerus, eingeweiht in die Geheimnisse des Volkes, muss gewissenhaft bezeugen, es sei ihm kein einziger Fall vorgekommen, dass Herr Pfleger von Anthoine durch Geschenke zur Erfüllung seiner Pflicht oder zur Handhabung des Rechtes sich hätte anspornen lassen, oder dass er auch nur ein einziges Mal sich durch was immer für eine Bestechung vom Pfade der Pflicht oder der Übung unpartheiischer, strenger Gerechtigkeit hätte abwenden lassen. Selbst bei Verleihung personaler Gewerbe, die allerdings in seiner Amtsbefugnis lag, ließ er sich niemals durch Annahme irgendeines Geschenkes dazu verleiten, sondern bewährte auch hierbei eine strenge Uneigennützigkeit, obgleich gerade dieser Punkt ihm unter dem Gewerbstand manche Feinde und ungerechte lieblose Vermuthungen und Urtheile zugezogen haben könnte.
In seinem Verkehr in und außer dem Amte bewies Herr von Anthoine eine seltene Humanität, ein besonders sanftes, liebreiches Benehmen, eine herzliche Höflichkeit gegen alle ohne Unterschied und eine unbesiegbare Geduld und Sanftmut bei den schwierigsten Vorfällen, wodurch er sich auch die Liebe und Achtung aller denkenden und vernünftigen Menschen in hohem Grade erwarb. Damit verband er die größte Mäßigkeit und Nüchternheit, welche häuslichen Tugenden von manchen lieblosen Menschen ihm übel gedeutet worden sein mögen.
Als Ehegatte und Familienvater von 6 unmündigen Kindern ist er über allen Tadel erhaben, er ist der rechtschaffenste und treueste Ehemann, gewissenhafter Vater, der seltene Opfer und große Kosten für die Ausbildung seiner Kinder verwendet, und dadurch an den Tag legt, wo vernünftige Sparsamkeit anzuwenden sei und wo nicht.
Auch als katholischer Christ hat sich derselbe stets legal und ordnungsmäßig verhalten.“
Anthoine wartete die letzte Enttäuschung nicht im Amte ab. Auf Grund eines amtsärztlich bestätigten Zeugnisses seines Hausarztes Dr. Knörlein hatte er schon 1854 VII 15 wegen der mittlerweile eingetretenen Schwächung seines Sehvermögens um einen 3monatlichen Krankenurlaub gebeten, den er auch sogleich antrat. Ins Amt kehrte er zwar 1854 IX 16 wieder zurück, aber nur um bereits IX 26 sein Pensionsgesuch einzureichen. In dem diesem beigelegten ärztliche Zeugnisse bezeichnet Prof. Dr. Knörlein den Gesuchsteller als „von Kindheit an schwächlich, reizbar und brustleident“, weist auf verfrühte Alterserscheinungen und die namentlich am linken Auge durch beginnenden schwarzen Staar geschwächte Sehkraft hin, und der Regierungs- und Landes-Medizinalrat Dr. Onderka bezeichnet diese Gebrechen als unheilbar. Anthoine bat in dem Gesuche um Bemessung der Pension mit dem vollen Aktivitätsbezuge, da er ohnehin durch die Versetzung von Mauerkirchen und die nicht entsprechende Einreihung in den neuen Status schwer geschädigt sei und überdies 5 unversorgte Kin¬der zu erhalten habe.
Das Justizministerium gab jedoch nur dem Meritum des Gesuches Folge, in dem es den Großvater mit dem Erlasse von 1854 II 6 in den bleibenden Ruhestand versetzte, erkannte ihm aber nur die normalmäßige Pension von jährlich 600 fl zu. Ein Majestätsgesuch Johann von Anthoines von 1854 XII 8 um Erhöhung der Pension blieb erfolglos.
Wir haben hier einige Jahre vorgegriffen, um die ämtlichen Vorgänge im Zusammenhange schildern zu können, doch wäre über diese für die Familie so bedeutungsvolle Zeit ohnehin nur wenig zu berichten gewesen, da die Quellen hinsichtlich des Privatlebens unserer Großeltern hier eine mehrjährige Lücke aufweisen; erst 1853 setzen die zunächst kindlichen und wohl nach Diktat der Eltern geschriebenen Tagebücher der Töchter Johanna und Marie ein und bieten uns einige Anhaltspunkte. Infolge dieser Quellenlage wissen wir leider nicht, wie sich die Liquidierung des Mauerkirchner Besitzes gestaltete, auch nicht, welche Wohnung die Großeltern zunächst in dieser ersten Linzer Zeit innehatten. Frl. Fani Strobl scheint anlässlich dieser Veränderungen verabschiedet worden zu sein, denn später ist von ihrer Wiederanstellung die Rede. In Linz gab es ja öffentliche und Privatschulen. Auch hatte die Zahl der Mädchen durch den frühen Tod der noch nicht 10 jährigen kleinen Anna 1853 I 6 zum großem Schmerze der Eltern und Geschwister eine Verringerung erfahren. Louise und Johanna besuchten die Schule des Institutes Griesmayr. Emilie dagegen war schon in dem Alter, in die Welt eingeführt zu werden, sie ward bald Braut und schon 1854 VI 14 fand in der Karmelitenkirche ihre Trauung mit dem Oberleutnant Albin Rathausky statt. Vorher hatte sie noch 1854 IV 21 bei der Begrüßung der aus ihrer bayerischen Heimat kommenden Kaiserbraut Elisabeth an der Linzer Dampfschiffslände an der Spitze der Ehrenjungfrauen das Begrüßungsgedicht gesprochen. Das waren wohl wieder freudige, aber doch auch wieder aufregende und anstrengende Zeiten für die Eltern.
Vater Anthoine suchte zunähst während seines obererwähnten Krankheitsurlaubes Erholung im nahe gelegenen Bade Kirchschlag (1854 VII 16 – 25), die er dort aber nach einer Bemerkung im Tagebuch seiner Tochter Johanna nicht fand. Nachdem er dann Louise – mit dem Dampfschiff nach Obermühl und dann zu Fuß – zur befreundeten Familie des Bezirksvorstehers Hahla nach Lembach zum Sommeraufenthalt gebracht hatte, reiste er nach Salzburg ab. Es sind einige Aufzeichnungen vorhanden, die er während seines Aufenthaltes in der „Torf-Moorschlamm- und Schwitzbad-Anstalt des Josef Hafner auf dem Leopoldskron-Moose bei Salzburg“ gemacht hat. Es ist dies dieselbe Curanstalt, die unter dem Namen „Marienbad“ heute noch besteht. Anthoine war 1854 VIII 9 dort eingetroffen und fühlte sich nach kurzer Zeit bereits so gekräftigt, dass er am 14. dieses Monats eine Besteigung des Untersberges unternahm, die er nach einer Schilderung des schönen Vorabends wie folgt beschreibt:
„ Tiefe Stille ringsum, einer solchen Nacht muss ein schöner Tag folgen,- er brach an in aller denkbaren Pracht. An Schlaflosigkeit leidend bindet mich ein lähmender Schlaf erst in den frühesten Morgenstunden; es war 5 Uhr wie ich das Bett und 6 Uhr wie ich das Badhaus müde und matt – verließ; mein Weg war zuerst in die Mayerei von Glanegg gerichtet; Gang und Frühstück richteten mich ein, der Wegweiser wurden bestellt, der Vorrath für Hunger und Durst geordnet, der Bergstock ergriffen und der Weg in die Kugelmühl eingeschlagen; es war 7 Uhr früh. Wir – der Führer und ich – schritten auf der Straße fort, den Fürstenbrunn u. die Marmorbrücke links lassend; beim oberen Steinbruche, welcher eine europäische Berühmtheit hat, wendeten wir uns aufwärts im kühlen Schatten eines Waldes, welcher sich bis zu den sogenannten sausenden Wänden erstreckt. Wohl mag hier der Sturm gewaltig tosen, da selbst der Scherzruf laut sausend den Widerhall findet, der sich mit dem Getöse der aus den Eingeweiden der Berge hervordringenden Wässer vereinigt. Hat man diese Wände hinter sich, so erreicht man das Sulzenkarl einen niederen Kaar, in dessen kesselförmigen Räumen einst Schaaren von Gemsen gesulzt worden sind; – Nicht eines dieser ebenso kräftigen als zarten und genügsamen Geschöpfe ist hier dem Verderben entronnen. Weiter aufwärts geht der Alpsteig den Seppenkaser u. über die Schwabmuller-Alpe u. schon befindet man sich auf einer Art weitem, steinigem Plateau.
Bald verschwinden die Höhen, welche man von Salzburg aus sieht, nähmlich der Kühsteinspitz, der Sommerbichl, der Abfalter, – immer höher wird die Gegend, schon beginnen die Kiefern in ihrem Wachstum zu kriechen; man ist im Bereiche der Latschen, wenn man die Höhe erreicht, welche zum Mükenbrunn, zum steinernen Kaser, zu den Häuseln genannt wird. Jetzt erst steigen die drei höchsten Köpfe des Untersbergers-Gebirges in kolossalen Formen empor; welche Hand hat auf Berge Berge gethürmt? Welche Kraft auf wüsten Höhen die hohen Throne errichtet? die 3 höchsten Köpfe heißen die hohen Throhne und der Ochsenkopf. Auf jenen hohen Throhn welcher der Stadt Salzburg zu näher liegt, waren unsere Schritte gerichtet! Es geht steil und hoch aufwärts, rechts senkrechte Wände, links undurchdringliches Latschach, zwischendurch Geröll und Gestein, durch dasselbe u. über das hinauf kein Steig als den man sich selbst wählt; so erreicht man nach nicht gefährlichen aber doch gefährlichen Steigen den hohen Tron, auf dessen obester Spitze ein Kreuz errichtet ist, wie es wohl einfacher nicht sein könnte, welches aber vollkomen hinreicht, den Ersteiger darauf aufmerksam zu machen, dass das höchste Wesen, welches mit allmächtigem Winke Berge und Tal erschuf, auch in den Menschen einen Funken Leben legte, welcher ermöglicht, dass wir die Herrlichkeiten der Welt u. die Allmacht des Ewigen, wie wohl mit blödem Auge und beschränktem Sinn, erkennen.
Es war 12 Uhr vorüber, der Weg von der Kugelmühle bis zur höchtsen spitze war schin in 5 Stunden zurückgelegt. Frischer, froher u. weniger müde als 5 Stunden vorher lagerte ich mich am Fuße des Kreuzes. Mit Wonne schweiften die Blicke über die Länder, der Himmel war günstig, die Witterung ließ nichts zu wünschen übrig, kaum war die Bekleidung mit einem wärmenden Rocke nötig“.
Anthoine beschreibt dann noch die Fernsicht, wobei er erwähnt, dass er den Schneeberg selbst einmal bestiegen habe; dies muss wohl in seiner Wiener Theresianistenzeit gewesen sein. Von der 1 1/2 stündigen Rast am Gipfel schreibt er:
„Wie liegt es sich so weich auf der steinigen Höhe! Wie mundet der Wein, wie stärkt und schmeckt das einfachste Mahl. Gott sei Dank, doch einmal nach langer Zeit wieder mit Lust gegessen.“
Am Rückweg wurde noch das Geiereck bestiegen, dann ging es über die Firmianalpe nach Glanegg und um 6 Uhr abends traf der Tourist wieder im Badhaus ein. Am nächsten Tag bewölkte es sich und regnete bald in Strömen!
Dass der Großvater sich dieser anstrengenden Tour unterzog, war bestimmt nicht kurgemäß ; dass sie ihm, wie es scheint, nicht schadete, zeigt, dass damals bei ihm kein schwereres organisches Leiden vorlag, sondern eine durch die Aufregung und Schicksalsschläge der letzten Jahre hervorgerufene mehr psychische Störung, wie wir sie heute als „Nervenzusammenbruch“ bezeichnen und die es dem Befallenen vor allem unmöglich macht, die gewohnten Berufsarbeiten weiter zu verrichten.
Auch tat ihm, der seit seinen Studien sein ganzes Leben am Lande zugebracht hatte, der Stadtaufenthalt wehe und so erhoffte er sich von der Rückkehr zum Landleben eine Kräftigung seiner Gesundheit. Die Großeltern kauften daher 1855 IV 11 den „Freisitz Tischingen“ – ein kleines Gut in der Ortschaft Bergham, Pfarre Leonding bei Linz, am Fuße des Kürnberges unterhalb des bekannten Jäger- und Gasthauses dortselbst, zu dem damals hoch ziemlich viel Grund gehörte; der Baumgarten reichte östlich fast bis zum „Jäger in Kürnberg“ hinauf und auch westlich reichten die Grundstücke ziemlich weit gegen das etwas höher gelegene Bauernhaus hinauf, während im Süden, gegen das Dorf zu, ein stattlicher Garten lag. Das einstöckige Wohnhaus war geräumig und hatte noch einen Seitentrakt, der mit dem Wohnhause und einem Stall- und Scheunengebäude, welch letzteres mit dem Wohnhause durch einen Torbogen verbunden war, den großen Hofraum, in dessen Mitte ein Wasserbassin angebracht war, umschloss.
1855 V 7 übersiedelt die Familie bis auf den Sohn Karl, der des Schulbesuchs wegen bei Grimburg – die Schwester der Mutter, Julie von Schidenhofen, war mit dem Landessekretär Wilhelm Ritter von Grimburg in Linz verheiratet – untergebracht wurde, nach Bergham. Die übrigen Kinder wurden nun wieder durch den Katecheten und Lehrer aus Leonding unterrichtet: doch scheint sich dies nicht bewährt oder zu große Schwierigkeiten gemacht zu haben, denn für den nächsten Winter nimmt die Mutter mit den Kindern 1855 I 16 wieder in der Stadt Quartier, von wo aus Louise und Johanna wieder die Griesmayr’sche Privatschule besuchen, während Marie bei Tante Mimi Handarbeiten lernt. Im Frühjahr aber kehrte man aufs Land zurück und zur Entlastung der Mutter wurde wieder Frl. Fanni Strobl, die sich schon in Mauerkirchen so gut bewährt hatte, berufen, die 1856 V 18 in Bergham eintraf. Da Louise aber 1857 dauernd in der Stadt bei ihren Großeltern Schidenhofen untergebracht wurde, scheint sie wieder überflüssig geworden zu sein und schied endgültig 1857 IV 5, nicht ohne mit ihren Zöglingen in regem und freundschaftlichstem Briefwechsel zu bleiben.
Kurz darauf 1857 V 14 kam nach 10jähriger Pause noch ein Nachzügler zur Welt, ein Mädchen, das Tags darauf in der Pfarrkirche zu Leonding Sophie getauft wurde. Die Tagebücher der Tanten erwähnen um diese Zeit auch viele Besuche, die Anthoine nun in Tischingen aufsuchten: neben den Verwandten: Tante Mimi, Großeltern und Onkel Schidenhofen, Onkel, Tante und Vettern Grimburg sowie die Cousine Mathilde, die in Begleitung der „Leni“ kam – diese, das Grimburgische Dienstmädchen Leni Kargl habe ich noch als solches gekannt, sie muss also ungefähr 50 Jahre in diesem Hause gedient haben – sind Namen bekannter Familien genannt, an die ich mich gleichfalls noch erinnere, so eine Familie Paris, Frau Janowski mit 3 Kindern und Berta Maader, die noch bis in ihr hohes Alter mit den Tanten in freundschaftlichem Verkehr stand. Dem Vater Anthoine wird aber der Besuch seines Bruders Carl (1856 V 6) die größte Freude bereitet haben, da sie sich 22 Jahre nicht gesehen hatten.
Als Louise 1859 XI 27 einen Posten als Gouvernante in Franzensbad in Böhmen antrat, begleitete sie der Vater über Wien, Prag und Theresienstadt, wo damals Rathausky in Garnison lag, dorthin und 1860 X 13 seine Tochter Johanna nach Graz. Dies dürften wohl die letzte größeren Reisen gewesen sein, die Anthoine unternahm, den sein Gesundheitszustand war immer ungünstiger geworden – es scheint sich nun auch um ein Leber- oder Gallenleiden gehandelt zu haben. So war er bald nicht mehr im Stande, den Anforderungen, die die Bewirtschaftung seines Gutes – bei der es übrigens öfters Unglücksfälle gab, wie die Tanten erzählten – stellte, gerecht zu werden und, da der Mutter nun auch wieder in erster Linie die Betreuung ihres Kleinkindes oblag, kam es 1860 VII 14 zu einem verlustreichen Verkauf Tischingens und Anfange August übersiedelte die Familie wieder nach Linz, wo sie zunächst im Hause bei der evangelischen Kirche auf der Landstraße (Johann Konrad Vogel Straße Nr. 2), dann von Michaeli 1861 an gegenüber (Nr. 550, Maganzingasse 2) und endlich von Jakobi an in Urfahr am Marktplatze in dem heute nicht mehr bestehenden Hause des Kaufmannes Rom neben dem Gasthof zum Löwen wohnte.
Im Frühjahr 1861 wurde die Familie durch den Tod des Großvaters Joachim von Schidenhofen (1861 IV 9) in Trauer versetzt. In diesem und vielleicht auch im folgenden Jahre suchte Anthoine Besserung seines immer bedenklicher werdenden Befindens im Bade Kirchschlag. Doch verschlimmerte es sich immer mehr, so dass sich der Kranke 1863 III 16 die hl. Sterbesakramente reichen ließ. Er erholte sich zwar so weit, dass er zur Kräftigung durch Landluft im Juli dieses Jahres im nahen St. Magdalena Aufenthalt nehmen konnte. Anfangs September begab er sich dann in Begleitung seiner Tochter Johanna nach Bad Kreuzen bei Grein, um dort unter ärztl. Leitung den September über eine Wasserkur zu gebrauchen, die – Kneippsche Güsse kannte man damals noch nicht – wesentlich in Umschlägen und Waschungen bestand, aber ohne Erfolg blieb. Nach Hause zurückgekehrt, verfasste er 1863 X 15 sein Testament, in dem er einerseits erwähnt, dass er sein ganzes Vermögen bereits seiner Frau geschenkt habe und zwar nicht erst auf den Todesfall, andererseits aber auch sagt, dass er infolge der seit dem Jahre 1855 gehabten Unglücksfälle sein Vermögen völlig verloren habe. Diese finanzielle Kata¬strophe, welche wohl seinen gesundheitlichen Zusammenbruch mit verursachte, bestand nicht nur in den Verlusten bei der Bewirtschaftung und beim Verkaufe des Gutes in Bergham, sondern auch vielfach in der Uneinbringlichkeit von ausstehenden Forderungen. Damals war es üblich, Gelder an Private gegen Schuldschein oder Wechsel, nicht immer gegen ausreichend hypothekarische Sicherheit, aber dafür zu höheren Prozenten auszuleihen: Die Insolvenz des Schuldners führte dann oft auch den Ruin des Gläubigers herbei, besonders wenn mehrere solcher Fälle zusammentrafen, wie es in wirtschaftlichen Krisenzeiten leicht der Fall sein konnte. Vorliegende Korrespondenzen mit einem Anwalt in Persenbeug betreffen einen solchen Fall, wo trotz mehrfacher Simultanhaftung langwierig und kostspielig prozessiert werden musste. Übrigens soll auch ein Teil des Kaufschilling für Bergham zu Verlust gegangen sein.
Zum Mitvormunde seiner Kinder bestimmte er seinen Schwager Heinrich von Schidenhofen. Vater Anthoine starb nach neuerlichem Empfang der hl. Sterbesakramente 1863 X 27 in seiner Wohnung; der Totenschein des Pfarramtes Urfahr weist als Todesursache „Entkräftung“ aus. Das Leichenbegängnis fand 1863 I 29 statt; die Leiche wurde auf dem Linzer Friedhof in dem bereits früher erwähnten Familiengrabe bestattet.
Die Witwe erhielt die normalmäßige Pension von jährlich 300 fl und für die jüngsten Kinder Karl und Sophie Erziehungsbeiträge von je 60 fl . Ohnehin von schwacher Konstitution, überlebte Louise von Anthoine den Tod ihres Gatten nicht lange; sie starb bereits 1865 IV 27 an Lungentuberkulose und zwar im Hause Nr. 1319 in der neuen Bethlehemgasse (Marienstraße 11) in der St. Josefpfarre in Linz. Von ihren letzten Lebensjahren ist nichts überliefert, da die Tage¬buch¬eintragungen der Kinder früher enden. Der schwere Verlust, der sie durch den Tod des geliebten und verehrten Gatten getroffen hatte, hat ihr frühes Ende beschleunigt. Sie wurde 1865 IV 30 im Familiengrabe bestattet.
Die Kinder blieben als Waisen zurück; mit ihnen wollen wir uns jetzt beschäftigen. Ihre Schicksale im Elternhaus sind teilweise eben erzählt worden, doch gibt es zu dem einen oder andern von ihnen noch manches zu ergänzen und ihren Lebensweg über den Tod der Eltern hinaus zu verfolgen.
Johann von Anthoines ältestes Kind, das einzige aus seiner so kurzen ersten Ehe
1. Emilie, geb. 1836 VII 4 in Lofer, kam nach ihrer Geburt, an deren Folgen die Mutter nach kurzer Krankheit starb, zu ihrem Großvater Matthäus Gantschnigg (s.o.) nach Schloss Ottmanach bei Klagenfurt; die Großmutter war schon früher gestorben. Ihre Pflege ruhte in den Händen ihrer Tanten: Jeanette führte früh verwitwet ihrem unverheirateten Bruder Eduard Gantschnigg (gest. 1876 V 23) die Wirtschaft auf Ottmanach und betreute dort auch ihre kranken Geschwister Karoline und Fritz. Josefine („Pepi“, die mit einem Beamten der Stadt Klagenfurt Adolf Rudolph verheiratet war und 3 Töchter Josefine, Emilie und Johanna hatte).
Dort verbrachte Emilie ihre ersten Lebensjahre, bis sie nach der 2. Verheiratung ihres Vaters Ende 1839, wahrscheinlich aber erst nach Ablauf das Winters, also im Frühjahr 1840, zu diesem zurückkam und eine zweite liebevolle Mutter fand. In diesem Elternhause in Mauerkirchen wuchs sie, bald die älteste mehrerer Schwestern, heran. Nach den Briefen der Eltern an Tante Mimi war sie ein sehr lebhaftes und unruhiges Kind, dessen Erziehung manche Schwierigkeiten bereitete; hauptsächlich ihretwegen wurde auch die Gouvernante aufgenommen.
Emilie hatte wohl etwas vom Liebreiz ihrer Mutter ererbt und machte, in Linz in die Gesellschaft eingeführt, so guten Eindruck, dass sie bald die Braut des Leutnants Albin Rathausky des damals in Linz garnisonierenden Infanterie-Regts. Graf Haugwitz Nr. 33 wurde. Wie aus einem Briefe des Großvaters Gantschnigg von 1854 I 20 an den Vater Anthoine hervorgeht, wurde die Beförderung des jungen Offiziers zum Oberleutnant abgewartet. Die erforderliche doppelte Kaution von 12.000 fl CM wurde zur Hälfte von diesem Großvater, zur andern Hälfte von Anthoine – einschließlich 1000 fl aus dem mütterl. Vermögens Emiliens – aufgebracht. Diese Militärheiratskautionen hatten den Zweck, durch die abreifenden Zinsen einen Zuschuss zur standesmäßigen Lebensführung der Offiziersfamilien und im Falle des Ablebens des Gatten eine Versorgung der Witwe sicherzustellen. Mit Rücksicht auf die ihr zur Kautionsleistung überlassenen Vermögenswerte stellte Emilie später (Dato Theresienstadt 1860 III 14) eine Erklärung aus, dass sie hinsichtlich des väterlichen Erbes oder sonstiger Ansprüche auf dessen Nachlass vollständig befriedigt und hinausgezahlt worden sei.
Während ihrer Brautzeit führte Emilie auch die Schaar junger Mädchen an, die 1854 IV 21 die Braut Kaiser Franz Josefs Elisabeth bei ihrem Einzug in Österreich beim Verlassen des Schiffen begrüßte, wobei sie das Festgedicht vortrug.
1854 VII 4 fand sodann die Trauung des Paares in der Karmeliten- (St. Josefspfarr-) kirche statt. Albin war zu Brünn 1828 II 14 als Sohn des Jakob Rathausky, k.k.(Militär-) Apotheker in Protalek, und der Josefa, geb. Trattnegg aus Brünn, geboren. Der junge Oberleutnant scheint nicht gleich den für eine Hochzeitsreise erforderlichen Urlaub erhalten zu haben, denn erst 1855 II 30 ist von der Abreise des Paares nach Graz die Rede; offenbar war der Hauptzweck der Reise, die junge Frau ihrem Schwiegervater vorzustellen, der damals in Graz lebte und dort bald darauf, 1855 III 11, starb.
Rathausky scheint dann dem Wachdetachement in Garsten bei Steyr (militärische Bewachung der Strafanstalt) zugewiesen gewesen zu sein; im Okt. 1857 wurde er nach Brescia in der damals österreichischen Lombardei versetzt, wohin die Familie 1857 X 24 übersiedelte. Beim Ausbruch des Krieges mit Sardinien 1859 begab sich Emilie mit ihrem gleichnamigen Töchterlein nach Klagenfurt bzw. Ottmanach. Rathausky aber war bei Varese längere Zeit vermisst, was die Familie in große Besorgnis versetzte. Nach dem Kriege kam er nach Königgrätz und noch im selben Jahre nach Theresienstadt in Garnison, wo die Familie nun längere Zeit verbleiben konnte. Über die weiteren Schicksale und Aufenthaltsorte Rathauskys liegen mir nur einige Bemerkungen in Briefen Ignaz Anthoines an seine Schwester Mimi vor; darnach geriet er 1866 nach der Schlacht von Königgrätz in preußische Kriegsgefangenschaft und war vorübergehend in Posen interniert. Er war zuletzt Major im Infanterieregiment G.M.L. Erzherzog Franz Karl Nr. 52 und trat 1859 als Oberstleutnant in den Ruhestand. Er war Besitzer des Offiziers¬dienstzeichens der Kriegsmedaille und der päpstlichen Erinnerungsmedaille.
Emilie war bereits 1878 II 28 in Graz gestorben; ihr Gatte wählte auch diese Stadt zu seinem Ruhestandsdomicil, die ja wegen der vielen pensionierten Offiziere und höheren Beamten, die sich dort niederzulassen pflegten, den Namen „Pensionopolis“ hatte.
Ich habe Albin noch persönlich kennengelernt, als ich 1898 anlässlich der Hochzeit eines Freundes in Graz war. Er lebte dort mit seinen Töchtern Silva und Luise bzw. nach Verheiratung der ersteren mit Luise allein, mit der er später nach Görz übersiedelte. Er starb dort 1911 V 21; die Leiche wurde nach Graz überführt, wo er an der Seite seiner Gattin im Friedhofe zu St. Leonhard beigesetzt wurde.
Hinsichtlich der Kinder und Nachkommen Albin und Emilie Rathaus¬kys bin ich leider nur auf zerstreute Notizen und eigene Erinnerung angewiesen, da das gesammelte Material darüber, das ich in Tante Sophiens Entwurf zur Familiengeschichte zu finden hoffte, dort fehlt und Nachrichten hierüber, um die ich Cousine Luise gebeten habe, wegen der jetzigen Lage nicht eingetroffen sind. Mir sind 6 Kinder bekannt geworden:
a. Emilie, geboren noch in Linz 1855 III 27; sie vermählte sich mit dem Grazer Kaufmann Gustav Hutschenreiter (geb. ca. 1832, gest.1891 VIII 21 in Graz). Die in dessen Parte angeführten Kinder: Ida, Hedwig, Ernst, Erwin und Walter stammen aber soweit ich mich erinnern kann aus der früheren Ehe Hutschenreiters.
b. Amanda, geb. 1857 VII 10 in Garsten OÖ und ebendort 1857 IX 2 gestorben.
c. Sylva, geb. 1860 VI 2 in Theresienstadt – damals war meine Mama dort zur Unterstützung ihrer Schwester. Sylva vermählte sich 1900 mit dem Major im Generalstabe Franz Edlen Kaiser von Maasfeld, mit dem sie seit 16 Jahren verlobt war. Kaiser war damals Lehrer an der Kriegsschule in Wien, kam später in eine südliche Garnison (Görz ?) und, nachdem er vorübergehend ein Regimentskommando geführt hatte, als Brigadier und Divisionär nach Bosnien (Sarajevo), wo er sich der besonderen Wertschätzung des kommandierenden Generals und Landesschefs Excellenz von Sarkotec erfreute. Im Weltkrieg führte er zunächst noch als Feldmarschallleutnant seine Division und war dann Kommandant der XI. Armee an der italienischen Front und General der Infanterie. Die Familie, zu der seit 1901 das damals noch in Wien geborene Töchterlein Silva gehörte, nahm nach dem Kriege zunächst ihren Wohnsitz in Graz, wo die Mutter Sylva 1921 IX 30 starb. Ihre jüngere Schwester Luise hatte sich ihrer Schwester zu deren Unterstützung angeschlossen und führte nun dem Witwer den Haushalt, mit dem sie auch nach Wien übersiedelte, wo Sylva einen Posten in einem der ersten Silberwarengeschäfte übernahm. Da der General im Gebiete der nunmehrigen Tschechoslowakei heimatberechtigt war und sich wegen des Bezuges und Wertes der Pension in der Inflations- und Devisensperrzeit Schwierigkeiten ergaben, übersiedelte er mit seiner Schwägerin nach Znaim, nahe genug, um mit der Tochter in ständiger Verbindung zu bleiben. Nach dem Umbruch von 1938 kehrten beide nach Wien zurück, wo Excellenz von Kaiser 1942 IX 4 starb, seine Tochter mit einer greisen Tante zurück lassend. Letztere
d. Luise, geb. 1863 VII 22 in Theresienstadt, lebte bei ihrem Vater in Graz und später in Görz; nach seinem Tode eröffnete sie – ich glaube zu¬nächst noch in Görz – eine Pension, betätigte sich aber später in gleicher Eigenschaft in Lovrana an der Adria, wo sie die Pension Atlantis innehatte, bis der Weltkrieg diese friedliche Beschäftigung unmöglich machte. Von ihren weiteren Schicksalen haben wir eben gehört. Ich bin seit dem Tode Tante Sophies, die nach allen Richtungen hin die Familienbeziehungen durch regen Briefwechsel pflegte, auch mit Luise, die ich zuerst 1897, als sie zu Besuch bei den Tanten in Linz weilte, kennenlernte, in brieflichem Verkehr. Sie lebt mit ihrer Nichte noch in Wien.
e. Rudolf, geb. 1864, gest. 1924 VII 28 in Baden bei Wien als Major des Ruhestandes. Er war verheiratet mit Erna Edle von Richter, wenn ich nicht irre, hat die Trauung in den letzten 90er Jahren in Traunstein in Baiern stattgefunden, wo die Braut lebte. Die Ehe scheint ohne Kinder geblieben zu sein, da im Parte von 1924 keine genannt sind.
f. Albin, von ihm sind mir keine konkreten Daten bekannt. Er war zuerst Offizier, später Beamter der Wiener Tramway, die damals noch Pferdebahn war, wobei die Betreuung des Pferdematerials Fachleute – Albin war Trainoffizier gewesen – erforderte. Er war verheiratet und hatte mehrere Kinder; soviel ich mich erinnere, waren auch die Tanten über seine Familienverhältnisse nicht völlig informiert. Eine Tochter, Sylva Maria, die mit einem Maximilian Grafen von Reigensberg vermählt war, hat einige male Tante Sophie in Ebelsberg besucht.
Aus der zweiten Ehe Johann von Anthoines mit Luise von Schidenhofen stammen:
2. Aloisia Anna, (Louise), geb. zu Mauerkirchen 1840 VIII 27, gest. zu Linz, 1897 II 2, meine liebe Mama, deren Lebensbeschreibung der Marckhgott-Teil dieser Familiengeschichte enthält.
3. Emil, geb. zu Mauerkirchen 1841 VII 28 und schon 1841 X 26 dort gestorben.
4. Anna Maria Isabella, geb. zu Mauerkirchen 1843 IV 14, gest. zu Linz 1853 1 6; also während des ersten Linzer Aufenthaltes der Eltern. Meine Mama erzählte mir von dem tiefen Eindruck, den ihr dieser Todesfall der um weniges jüngeren Schwester gemacht hatte, die sie Zeitlebens nicht vergaß.
5. Johanna Maria, geb. zu Mauerkirchen 1854 IV 30, unsere gute Tante Johanna, die auch den älteren unserer Kinder noch erinnerlich ist.
Leider haben die Tanten keinerlei Aufzeichnungen über ihren Lebenslauf außer den nur ihre erste Jugend behandelnden, schon erwähnten Tagebüchern Johannas und Marias hinterlassen und hat auch Tante Sophie im Zuge ihrer Arbeiten zur Familiengeschichte nichts über ihr gemeinsames Leben niedergeschrieben, so dass ich fast nur auf meine Erinnerung, auf ihre Erzählung und wenig verstreute Angaben in Briefen angewiesen bin. Diese Art der Bearbeitung leidet aber unter meinem schlechten Gedächtnisse einerseits und dem Umstande andererseits, dass ich bisher nicht im Stande war, die zu diesem Zweck zurückgehaltenen Briefschaften durchzusehen. Wenn ich aber auch diese Vorarbeit noch leisten wollte, wäre die wenn auch mangelhafte Fertigstellung dieser Familiengeschichte mit Rücksicht auf mein vorgeschrittenes Alter und merklich abnehmende Arbeitsfähigkeit ernstlich in Frage gestellt.
Vorausschicken muss ich noch, dass meine 3 Tanten Johanna, Maria und Sophie von Anthoine ein gemeinsames Leben führten, weshalb ihr Lebenslauf wenigstens in der äußern Erscheinung weitgehend zusammenfällt.
Aus Tante Johannas frühester Jugend ist bekannt, dass sie besonders klein und zierlich war, wie es ihre Mutter in einem späteren Geburtstagsbriefe (1861 IV 29) schreibt: „Vor 17 Jahren am 30 IV kam ein gar liebliches Mäderl zur Welt. Komischer Weise wurde dieses winzige Geschöpf¬chen mit einem lärmen Taufnamen benannt, der bald länger als das Kindel war“, und sie selbst erzählte, dass sie, als sie zu laufen begann, aufrecht unter dem Klavier durchgehen konnte. Solange sie die Kindheit im Elternhause verbrachte, haben wir schon von den Ereignissen dieser Zeit gehört, von denen die des Sturmjahres 1848, die Übersiedlung der Eltern, der Tod ihrer Schwester Anna und die Brautschaft und Hochzeit ihrer Schwester Emilie tiefen Eindruck auf sie machten. Früh nahm ihr weiches Gemüth und aufgeweckter Geist an den Sorgen der Familie Anteil.
Den ersten schulmäßigen Unterricht genoss sie wohl erst in Linz, wo sie mit ihrer Schwester Louise die Privat-Mädchenschule des Fräulein Elise Grießmayr besuchte; ein sehr schönes Vorzugszeugnis über die dritte Klasse ist erhalten. Nach der Übersiedlung nach Bergham im Mai 1855 erhielt sie zunächst Privatunterricht durch den Lehrer von Leonding, Johann Danhofer, an dessen Tochter Amalie sie auch eine liebe Freundin gewann, und durch den dortigen Katecheten; im nächsten Winter besuchte sie aber wieder in Linz die Schule. 1854 V 12 empfing sie in der Stadtpfarrkirche zu Linz die erste heilige Kommunion, und 1856 VII 24 wurde sie gelegentlich der bischöflichen Visitation in Leonding in der dortigen Pfarrkirche vom ehrw. Diener Gottes Bischof Franz Josef Rudigier gefirmt. Als Patin fungierte Fräulein Fanni Strobl. In diese Zeit fallen auch einige allgemeine, bedeutsame Ereignisse, so der Einzug Bischof Rudigiers in Linz (1853 II 12), der Besuch des jungen Kaisers Franz Josef (1853 IX 2-3), die bereits erwähnte Ankunft der Kaiserbraut (1854 IV 21), wobei sich auch Johanna unter den „weißen Mädchen“ befand, ebenso wie bei der Grundsteinlegung des Maria Empfängnisdomes (1856 V l), wo sie unter den Jungfrauen war, die den Grundstein trugen.
Als ihre Schwester Louise im Herbst 1860 als Lehrerin an das Institut Öhlwein nach Graz gekommen war, kam auch Johanna dorthin als Schülerin; ob sie auch im Schuljahr 1861/62 nochmals dorthin kam, konnte ich nicht feststellen, doch war sie kaum länger dort als meine Mama, die 1862 VI 1 Erzieherin bei Oberst Baron Czerny in Salzburg wurde. Der sich fortschreitend verschlechternde Gesundheitszustand des Vaters dürfte auch ihre Anwesenheit zu Hause wünschenswert gemacht haben, da dieser sie wegen ihrer Anhänglichkeit und Hilfsbereitschaft besonders schätzte. Sie wurde auch seine Begleiterin auf seiner letzten Badereise nach Kreutzen, von wo sie gewissenhafte Berichte über den Verlauf der Kur an die Mutter schrieb. Der Tod des Vaters, an dem sie mit ehrfürchtiger Liebe hing, hat sie schwer getroffen, doch gab er ihr Gelegenheit, nun ihre aufopferungsvolle Liebe als älteste zuhause weilende Tochter in der Unterstützung der auch immer kränkelnden Mutter zu entfalten.
Durch deren nun 1 ½ Jahre später erfolgten Tod wurden Johanna und ihre Geschwister Vollwaisen. Wenn sie auch die Verwandten, die Großmutter Schidenhofen, Grimburgs und Tante Mimi, derselben annahmen, war ihr Schicksal mit Rücksicht auf das geringe Vermögen, das sie erbten, kein rosiges. Die Geschwister wurden, wie es scheint, bei den verschiedenen Verwandten untergebracht. Tante Johanna kam zur Großmutter und lernte in deren musterhaft geführtem Haushalt – sie erwähnte oft die alte Köchin Regine als ihre Lehrmeisterin, der sie zeitlebens keine Schande machte – viel Wertvolles fürs praktische Leben, was sie allerdings nicht als Mutter einer Familie, aber als Führerin des gemeinsamen Haushaltes mit ihren Schwestern verwertete. Sie sah die Aufgabe vor sich, ihrer weniger selbständigen Schwester Marie, besonders aber ihrem kaum den Kinderschuhen entwachsenen jüngsten Schwesterchen Sophie mütterlich zur Seite zu stehen, und hat in Erfüllung dieser Aufgabe sich selbst das eheliche Glück versagt.
Über die nun folgenden Jahre konnte ich nichts Bestimmtes feststellen, da Tante Sophie bald in das Institut der Englischen Fräulein nach St. Zeno kam, fiel die Sorge für sie vorläufig weg. Tante Johanna kam spätestens nach dem Tode der Großmutter Schidenhofen zu ihrer hochbetagten Tante Mimi, die sie in ihrer letzten Krankheit pflegte und deren Haushält auflöste (1880). Wohl erst nach der Rückkehr Tante Sophies aus St. Zeno führten die Tanten einen eigenen Haushalt; sie wohnten zunächst im Hornsteinhaus (Hauptplatz 23); doch da Sophie von Ischias befallen wurde, vertauschten sie die im 3. Stock gelegene Wohnung mit einer in einem niedrigen l. Stock (Haffnerstraße 33), welche sie zur Zeit meines ersten Linzer Aufenthaltes 1883/84 innehatten. Tante Johanna begleitete Sophie auch zum Curaufenthalt nach Römerbad bei Laibach (Krain). Als meine Eltern im Frühjahr 1884 nach Baden bei Wien übersiedelten, kam mein Bruder Heinrich, der in diesem Jahre die erste Volksschulklasse besuchte, um den Wechsel der Schule zu vermeiden, zu den Tanten in Pflege und in den Ferien weilte Tante Johanna mit ihm längere Zeit bei Hayden in Dorff. Anfangs 1885 war Tante Johanna anlässlich einer schweren Erkrankung meiner Mama bei uns in Baden und im Sommer desselben Jahres holte sie meinen Bruder Heinrich zum Ferienaufenthalt aus Wien ab. Damals nahm sie mich zu ihrem Besuch bei Onkel Carl mit.
Da die Wohnung in der Hafnerstraße sehr beschränkt war, übersiedelten die Tanten – wohl noch 1885 – in das Haus Steingasse 14, das den Schwestern des Dom-Organisten – als solcher Nachfolger Anton Bruckners – und Komponisten Karl Waldeck, Katharina und Cäzilia, gehörte, von denen erstere im Hause wohnte. Die Tanten hatten hier im 2. Stocke eine etwas geräumigere Wohnung inne und fanden an einigen Mitbewohnern des Hauses freundlichen Anschluss und Tante Johanna nahm an einer regelmäßigen Tarockpartie bei Baronin Sonnenstein, die im 1. Stock wohnte, teil. Bald bot sich ihr auch wieder Gelegenheit, ihren mütterlichen Sinn zu betätigen, da Heinrich 1887 dauernd zu den Tanten kam, wo er die letzte Volksschul- und die ersten vier Gymnasialklassen machte. Der Haushalt war nun vierköpfig und die Tanten konnten – wohl mit Beihilfe Onkel Heinrich von Schidenhofens – auch eine Hausgehilfin halten. Dieser Onkel, der ja auch der Vormund der Tanten gewesen war, war die große Autorität in der Familie. Um diese Zeit begannen auch die alljährlichen Sommeraufenthalte der Tanten, die er bis zu seinem Tode finanzierte. Es gab im Mühlviertel mehrere Starhembergische Schlösser, die als Sommerfrischen verwertet wurden, und so brachten die Tanten die Sommer 1887 und 1889 in Schloss Haus (bei Wartberg ob der Aist), 1888 in Riedegg (bei Gallneukirchen) und 1891 bis 1896 in Eschlberg (bei Rottenegg) zu. Dazwischen hatten sie 1890 eine Sommerwohnung in Bergham bei Leonding im Landsitz Tischingen, der seinerzeit ihren Eltern gehört und seither oftmals den Besitzer gewechselt hatte. Da diese Sommerwohnungen mangelhaft möbliert waren und dort eigener Haushalt geführt werden musste, erforderte dies jedesmal eine kleine Übersiedlung. 1838,1889 und 1891 teilte auch Mama die Sommer¬frische mit ihren Schwestern und von 1888 an war auch ich stets im Sommer bei den Tanten.
Diese bezogen 1892 in Linz eine andere Wohnung u. zw. in dem neugebauten Hause Hopfengasse 5 im 1. Stock. In die darüber gelegene Wohnung übersiedelten 1893 meine Eltern mit uns. Das Frühjahr 1894 brachte insofern eine Änderung in den Verhältnissen der Tanten, als ihnen durch den Tod Onkel Heinrichs, mit dem der Schidenhofen’sche Mannsstamm erlosch, ihr Anteil an dem restlichen Vermögen dieser Familie zufiel, wodurch sie – nach damaliger Voraussicht – der Sorgen für die Zukunft enthoben wurden. Unter Tante Johannas Vorsitz, die hausfrauliche Würde mit gewinnender Herzlichkeit paarte, sammelte sich nun ein gleichgesinnter Freun¬dinnenkreis, dem hauptsächlich Isa Bauer, eine Jugendfreundin Tante Sophies, dann eine Cousine meines Papas, Berta Possel (siehe III. Teil) und deren Nichte Emma Reiter (ebendort), dann die Generalswaisen Berta und Emilie Mader angehörten. Da Tante Berta bald starb und Emma heiratete, blieben diese gemütlichen Sonntagnachmittage, an denen auch Heinrich und ich teilnahmen, bald auf den Familienkreis und Isa Bauer beschränkt; allerdings fanden sich gelegentlich auch andere Besuche ein. Die Tanten pflegten überhaupt mit großer Treue freundschaftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten; so erinnere ich mich an ein Fräulein Anna Haala aus der schon früher erwähnten Familie Haala, die Familie Janowsky, Fräulein Emma von Reichenbach, die den Tabakverlag in Enns innehatte, und die Familie Förchtgott. Die Familie Dr. Friedrich Prieschl in Wels wurde, da Frau Andrea, eine geborene Buchwieser, eine Nichte der alten Baronin Hayden, geb. Redtenbacher, war, zum Verwandtenkreise gezählt; Frau Andrea und ihre Töchter Lidwina, später verheiratet mit Hauptmann-Rechungsführer Riedl, und Frieda, später verheiratet mit Hauptmann-Rechnungsführer Lazar von Kommadina, kamen sehr oft auf Besuch zu den Tanten. Auch zwei Söhne waren da: Leo, der sich dem kaufmännischen Beruf widmete und ihn in England und zuletzt in Triest ausübte, und Cornelius, der wie sein Vater Dr. juris und Rechtsanwalt in Wels ist. Die Familie hielt dort in den neunziger Jahren ein in englischem Stil geführtes Haus; zur sprachlichen Fortbildung war auch längere Zeit eine ,,Miss“ bei ihnen.
Nach dem Tode Tante Grimburgs (1893) war Tante Johanna auch die hausfrauliche Beraterin ihrer unverheiratet gebliebenen Vettern Wilhelm und August, die den Haushalt der Mutter weiterführten. Überhaupt griff sie überall in der Verwandtschaft, wo sie konnte, hilfreich ein, so besonders auch bei den Todesfällen in der Familie Hayden in Dorff. Mit mütterlicher Liebe und Opferfreudigkeit nahm sie sich immer und besonders seit dem Tode unserer Eltern meiner und meines Bruders an und übertrug diese Gesinnungen auch auf meine Frau und unsere Kinder.
Den Sommer 1897 brachten die Tanten mit Heinrich in Dachsberg, das meinem Onkel Gustav Ritter von Riederer gehörte, der auch im Sommer mit Tante Anna und ihren Kindern dort wohnte, zu, diesmal ohne eigene Menage; 1898 und 1899 bot ihnen Vetter Siegmund Hayden Sommeraufenthalt im Schloss Dorff, mit dem besonders Tante Johanna so viele Jugenderinnerungen verbanden. Auch Heinrich und ich nahmen wieder daran teil, wie wir jetzt überhaupt, soweit wir nicht zum Studium in Wien weilten, im Haushalt der Tanten lebten. Da sich bei Tante Sophie das alte Ischiasleiden wieder meldete, suchte Tante Johanna mit ihr in den Sommern 1900 und 190l das Bad Pystian in der damals noch ungarischen Slovakei auf, so dass die Sommerfrische wegfiel. 1903 und 1904 brachten die Tanten den Sommer in Maria Schmolln, 1906 und 1907 in Stadl-Paura (Kloster Nazareth der Borromäerinnen) und 1908 und 1909 in Schwarzach im Pongau zu. Wohl aus wirtschaftlichen Gründen unterblieben von da an die Sommerfrischen.
Alle Einschränkungen aber, die der Sicherung eines angenehmen und sorgenfreien Lebensabends der Tanten dienen sollten, blieben infolge des Hereinbrechens der Weltkriegs-Katastrophe ohne Erfolg. Die beginnende Teuerung und die Verknappung der Lebensmittel in der Stadt, verbunden mit dem alten Wunsche Tante Johannas nach einem Leben auf dem Lande und dem Streben Tante Marias nach einer Aufenthaltsveränderung überhaupt, veranlasste die Tanten zu einem recht verfehlten Schritte, nämlich von Linz weg nach Ebelsberg zu übersiedeln, wo sich in dem stattlichen Wohntrakte des Mathä'schen Bauernhofes am Ortsausgang in der Kremsmünsterer Straße eine an sich geeignete Wohnung fand. Der Irrtum bestand hauptsächlich darin, dass in Ebelsberg durchaus nicht ländliche Verhältnisse herrschten, sondern sich der Markt als Industrialort erwies, wo die üblen Verhältnisse der Kriegszeit und besonders der ersten Nachkriegszeit sich fast noch ärger fühlbar machten als in der Stadt – noch dazu für neu Zugezogene, die keinerlei Beziehungen zu den dortigen Einkaufsquellen hatten.
Zum Maitermin 1915 wurde diese Übersiedlung durchgeführt, für Tante Johanna mit ihren 71 Jahren eine schwere Aufgabe, die offenbar viel zu der bald darauf in Erscheinung tretenden Schwächung ihrer Gesundheit beitrug. Die Aufregungen des Krieges – ich stand damals gerade in den schweren Artilleriekämpfen der Sperre Malborgeth, worüber die Zeitungen in großer Aufmachung berichteten – dann kam 1916 die Einrückung meines Bruders Heinrich zur militärischen Ausbildung – setzten ihr weiterhin zu und als im Juni 1917 ihr Vetter August von Grimburg, mit dem sie seit ihrer Kindheit in inniger verwandtschaftlicher Liebe verbunden war, plötzlich starb und bald darauf ihr Neffe, mein Bruder Heinrich, dessen Jugendjahre sie so lange mit mütterlicher Liebe behütet hatte, ebenso unvermutet starb (1917 VIII 2), vermochte sie sich nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie verschied wohlversehen mit den hl. Sterbesakramenten 1917 X 9 und wurde am Linzer Friedhof in der mehrerwähnten Familiengrabstätte beerdigt.
Als Nachruf möchte ich die kleinen Verse hierhersetzen, die ich ihr zu ihrem 70. Geburtsfeste, das wir 1914 wenige Monate vor Kriegs¬ausbruch in unserem Sommerheim in Harbach als letztes freudiges Beisammensein feierten, widmete und das unser ältestes Töchterchen Marianne damals aufsagte:
Am letzten Tage des April
im Jahre vierzig-vier,
Marienmonats Mai Vigil,
Gab Gott das leben Dir.
Ein Leben, das dem Dienste nur
des Nächsten stetse geweiht,
zum Rosenkranz an der Liebe Schnur
als Perlen Opfer reiht.
Und heute sind es siebzig Jahr,
Doch Liebe altert nicht:
Es naht sich drum der Deinen Schar
Und ruft in Dankespflicht:
Gott schenk Dich uns noch manches Jahr,
bis sein „Geh ein“ er spricht.

5. Maria Juliana, geboren zu Mauerkirchen 1845 VI 16, über ihre erste Kindheit liegen mir keine besonderen Angaben vor; auch aus der ersten Linzer Zeit berichtet Tante Johanna in ihrem Tagebuche nichts wesentliches über Marie. Hingegen entnehme ich dieser Quelle Mitteilungen über Gesundheitsstörungen, die bei Tante Marie in Bergham eintraten. Hiernach wurde sie 1856 I 30 früh von mehreren Ohnmächten befallen und war lange bewusstlos; nur durch rasche Behandlung mit Blutegeln sei ein letaler Ausgang verhindert worden. 1856 VIII 29 zog sie sich durch einen Sturz von der Tenne eine Gehirnerschütterung zu. Ich nehme an, dass beides dazu beitrug, dass sie in der Folge schwer lernte, Unterricht nur zuhause – teilweise durch den Vater – genoss und dadurch gegenüber ihren Schwestern an gesellschaftlicher Gewandtheit etwas zurückblieb. Ihre Bildung war aber trotzdem eine sehr gründliche, wie auch ihre Tagebucheintragungen zeigen, die denen ihr Geschwister in nichts nachstehen. Ganz besonders tüchtig war sie in den häuslichen Arbeiten und in Handarbeiten, denen sie mit großem Fleiße oblag.
Die äußeren Lebenswege liefen mit denen ihrer Schwestern Johanna und später auch Sophie zusammen, ich brauche daher darüber nichts zu sagen. Tante Marie war überaus wohltätig und hatte viele Schützlinge unter armen alten Weiblein, wie sie überhaupt den Umgang mit einfachen Leuten vorzog. Auch sie hat uns viel Liebes erwiesen und hatte viel Verständnis für unsere jugendlichen Bedürfnisse.
Sie hatte eine gewisse Unruhe in sich; das liebste waren ihr weite Wandertouren gewesen. Wir haben u. a. von Eschlberg aus manche schöne Landpartie mit ihr gemacht. Sie interessierte sich für alles romantische und als Lektüre waren ihr Rittergeschichten am liebsten – eher auch mit historischen Werken, wie insbesondere der Gielge'schen Topographie von Oberösterreich und den aus dem Schidenhofen'schen Nachlass stammenden Vischer‘schen Topo¬graphien mit den alten Kupferstichen der Schlösser und Städte Ober- und Niederösterreichs befasste sie sich oft und gerne. Weiter wirkte sich ihre Unruhe dahin aus, dass sie, besondere seit die alljährlichen Sommerfrischen wegfielen, auch dauernde Ortsveränderung anstrebte. Dies war auch mit ein Hauptgrund der Übersiedlung nach Ebelsberg. Dort führte sie nach Tante Johannas Tod ihrer Schwester Sophie die Wirtschaft, bis sie 1923 II 23 einem veralteten Darmleiden erlag. Sie hat von ihren Geschwistern das höchste Alter, fast 78 Jahre, erreicht, was auch ihrer sonst gesunden und kräftigen Konstitution entsprach. Ihre sterblichen Überreste wurden von Ebelsberg nach Linz überführt und hier, da das Anthoine’sche Familiengrab nach Tante Johanna noch nicht belegbar war, in unserem Elterngrab beerdigt.

6. Karl Johann Joachim, geboren zu Mauerkirchen 1847 IV 14, teilte auch die Jugendschicksale seiner älteren Schwestern. Da für ihn eine geordnete Schulausbildung in Betracht kam, blieb er bei der Übersiedlung der Eltern nach Bergham in Linz zurück, wo er bei Onkel und Tante Grimburg Aufnahme fand, und brachte nur die Ferien bei Eltern und Geschwistern am Lande zu. 1858 VII 31 legte er die Aufnahmsprüfung in eine „Latein-Vorbereitungsschule“ (wohl Gymnasium) ab, doch scheint man bald davon abgekommen zu sein, ihn der humanistischen Ausbildung zuzuführen, denn schon 1859 V 23 kommt er in eine Handlungsschule – die dann in einer Gewerbeschule ihre Fortsetzung finden soll. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Vorläufer der Realschule. Von 1859 X 1 an besucht er auch tatsächlich diese Schule u. zw. bis 1862 VII 31. Schon vier Tage später kam er nach seiner eigenen Tagebucheintragung zu einem Baumeister „Sch.“ in die Lehre; er sollte sich dem damals gewiss aussichtsreichen Baufache widmen. Wie lange er dieses Ziel verfolgte, kann ich nicht ermitteln; ich vermute, bis nach dem Tode der Mutter. Sein Tagebuch reicht nur bis zu dieser Eintragung. Später enthält es nur noch eine kurze Notiz zum Tode der Mutter, 1865 IV 30. Dabei erwähnt er, dass er IV 27 aus der Schule kam und die Mutter schon in sehr geschwächtem Zustand stand angetroffen habe. Er scheint also doch sein Realschulstudium wieder fortgesetzt, sich aber bald darauf der militärischen Laufbahn zugewendet zu haben, denn beim Feldzug 1866 gegen Preußen ist er bereits Leutnant u. zw. im Infanterie-Regiment Graf Haugwitz Nr. 38, das damals in Linz garnisonierte.
Als solcher wurde er 1866 VI 28 in einem Gefecht bei Münchengrätz in Böhmen durch Bauchschuss schwer verwundet und starb, versehen mit den hl. Sterbesakramenten 1866 VII 27 nach ungemein schmerzlichem Leiden im kgl. preußischen 2. schweren Feld¬lazarett des 8. Armeekorps, das im Graf Waldstein’schen Schlos¬se zu Münchengrätz etabliert war.
Das Leichenbegängnis fand unter großen militärischen Ehren statt, sämtliche Offiziere und Ärzte der preußischen Truppen begleiteten die Leiche, die auch von preußischen Soldaten getragen wurde. Vier Geistliche führten den Kondukt. Der preußische Stabsarzt Dr. Kreutz sprach am Grabe als Trauerrede ein von ihm verfasstes Gedicht, das in einer Abschrift meiner Mama vorliegt:
Du hast den letzten Kampf gekämpft,
So ruhe dann im Schoß der Erde
Bis Dir von Grabesscholl gedämpft
Posaunenschall ruft neues „Werde“!
Du hast hienieden kühn gerungen,
Ein Held, um hohen Siegespreis,
Das Todesblei hat Dich durchdrungen,
Zerbrach Dein junges Lebensreis.
Hehr ists, in frischer Jugendblüte,
Zu sterben schönen Heldentod.
Versöhnt ist jedes Feinds Gemüte bei deines Lebens Abendrot.
Ob auf der Wahlstatt unser Feind,
Ein grimmer Kämpfer unserm Heer,
Im Tode bist Du unser Freund,
Ein Bruder, bist kein Feind uns mehr.
Du guter Gott, o mög verleih'n,
Dass auf hör' Bruderkrieg und Streit,
Dass wir im Leben Brüder sei'n
In deutscher Treu und Einigkeit!
Später wurde von einem Verein auf dem Friedhofe zu Münchengrätz ein gemeinsames Denkmal errichtet und Tante Sophie war auch Mitglied des Vereines zur Erhaltung dieser Kriegergräber. 1896 fand auch in Linz für diesen Zweck eine Wohltätigkeitsvorstellung im Landestheater statt, der ich mit den Tanten und der eben anwesenden Cousine Sylva Rathausky beiwohnte, ebenso der Enthüllung der Gedenktafeln an der Linzer Stadtpfarrkirche (19 X 4), auf welcher Karls Name gleichfalls verewigt ist. Für

7. Sophie Anna Christine, geboren zu Bergham Pf. Leonding 1857 V 14 ist die Quellenlage noch ungünstiger, da die Aufzeichnungen ihrer um zehn und mehr Jahre älteren Geschwister um diese Zeit enden.

Sophie war als „Nachzügler“ ein etwas schwächliches Kind und viel krank. Eine starke Kurzsichtigkeit schwächte zusammen mit einer durchgemachten schweren Augenkrankheit ihr Sehvermögen. Auch traten in ihren jungen und mittleren Jahren rheumatische Leiden auf, die sie zu mehrmaligen Kuraufenthalten zwangen. Da sie aber frühzeitig sehr gute geistige Fähigkeiten, großen Lerneifer und Ehrgeiz zeigte, fassten die Verwandten – Vormund war ihr Onkel Heinrich von Schidenhofen – den richtigen Entschluss, der früh Verwaisten eine einheitliche höhere Schulbildung in einem Mädchenpensionat angedeihen zu lassen, Sophie kam daher ins Institut der Englischen Fräulein in St. Zeno bei Reichenhall in Baiern. Leider fehlen mir die genauen Daten über ihren Aufenthalt daselbst. Jedenfalls war Sophie im Institute glücklich und hing zeitlebens mit großer dankbarer Liebe an demselben und ihren Lehrerinnen, unter denen Frl. Franziska Sutor und Frl. Aloisia Auer einen weitverbreiteten Ruf als ausgezeichnete Erzieherinnen genossen. Ihre Lernerfolge waren durchaus sehr gute, wie besonders die große Zahl von Prämienbüchern zeigt, die alle gleich in Grün mit eingeprägtem Bayrischen Wappen gebunden waren. Übrigens waren auch die Zöglinge damals dort uniformiert u. zw. trugen sie im Winter dunkelgrüne Tuchkleider, im Sommer aber grün-weiße pepita Kleider. Mit mehreren ihrer dortigen Mitzöglinge blieb sie zeitlebens in inniger Freundschaft verbunden, Therese Heidelmayer, später verehel. Pauli (siehe Löffler-Teil), Josefine Wiesauer, später verehel. Mayrhofer, Schuldirektorsgattin in Kleinmünchen, Maria von Schirnhofer, später verehel. von Majorkovic, Hauptmannsgattin (a. unten), deren Schwester Rosa eine hochgeistige Dame war, die sich viel im Ausland aufhielt und auch – ich weiß nicht, ob gleichfalls als ehemaliger St. Zeno-Zögling – zu Tante Sophiens Freundeskreis gehörte.
In der Folgezeit musste Tante Sophie wegen ihres Ischiasleidens Römerbad bei Laibach aufsuchen. Ob die Cur von größerem Erfolg war, weiß ich nicht. Jedenfalls scheint sich ihr Gesundheitszustand Mitte der Siebzigerjahre soweit gebessert zu haben, dass sie, als meine Mama den Posten als Erzieherin in der Familie des Arztes Dr. Wilhelm Duy in Hofkirchen an der Trattnach (OÖ) wegen ihrer Verheiratung aufgab, dort an ihrer Stelle eintreten konnte. Mit ihrem Zögling, Minna Duy, später ver¬ehel. Förchtgott, verband sie bald eine innige Freundschaft, welche bis ans Lebensende währte. Tante Sophie wurde später auch die Firmpatin ihrer Töchter Edith (verw. Memmer, wiederv. Lie) und Helene (Bürgerschuldirektorin in Ebensee).
In Linz mit ihren Schwestern Johanna und Marie in gemeinsamem Haushalt lebend, teilte sie auch deren vorher skizzierte Lebensschicksale; wegen der Beschränktheit des ererbten Vermögens bzw. der daraus zu ziehenden Erträge konnte sie sich nur wenig am gesellschaftlichen Leben beteiligen. Hingegen nahm sie erstklassigen Musik- (Klavier-) Unterricht bei dem Domkapellmeister und Komponisten Karl Waldeck, dem Nachfolger Anton Bruckners am Linzer Domchor. Das Klavierspiel war damals große Mode und Linz verfügte über bedeutende Künstler auf diesem Gebiete, so insbesondere den Liszt-Interpreten August Göllerich. Allerdings verfügte sie nur über ein bescheidenes Instrument aus der immerhin ganz leistungsfähigen alten Linzer Klavierfabrik Frenzel, das schon zum Mauerkirchener Inventar ihrer Eltern gehört hatte und von dem sie sich erst in ihren letzten Lebensjahren in Ebelsberg trennte. Der musikalischen Sonntagszusammenkünfte habe ich schon erwähnt.
Eine besonders enge Freundschaft verband Tante Sophie auch mit Fräulein Isa Bauer, der Tochter eines pensionierten und mit dem Titel Professor versehenen, herrschaftlichen Erziehers. Einer ihrer Brüder war der nachmalige Historiker und Universitätsprofessor Dr. Bauer. Ich kann nicht umhin, Isa Bauer, welche sich den Titel einer Wahltante zu uns beigelegt hatte, wegen des großen, wohlwollenden Interesses, das sie stets für uns hegte, hier dankbar zu erwähnen. Sie starb, nachdem sie in den letzten Jahren das Leben eines Sonderlings geführt hatte, in Linz.
Der Aufenthalt meines Bruders Heinrich als Gymnasiast bei den Tanten (1888-1892) bot Tante Sophie Gelegenheit, durch Überwachung seiner Studien ihre pädagogischen Fähigkeiten zu betätigen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse durch weitgehendes Mitlernen des Lateinischen und teilweise auch des Griechischen zu erweitern. Sie hatte sich schon früher mit den modernen Sprachen beschäftigt und die französische und englische vollständig erlernt, aber selbst mit Schwedisch und Volapük sich befasst. In den Neunzigerjahren schien sich Tante Sophie der Weg in den Ehestand öffnen zu wollen. Der Witwer nach ihrer Institutsfreundin Maria von Schirnhofer, Hauptmann Anton Majorkovic von Marfalva, kam zu wiederholten malen nach Linz, da er den älteren seiner zwei Knaben im Gymnasium und Konvikt zu Kremsmünster unterbrachte. Er bewarb sich um Tante Sophie, doch konnte sich dieselbe mit Rücksicht auf ihr immerhin schon vorgerücktes Alter, dann den Umstand, dass ihre Schwestern mit dem Erträgnis ihres kleinen Vermögens nur schwer in der Lage gewesen wären, ihren durch ihren Wegzug kaum wesentlich verbilligten Haushalt aufrechtzuerhalten, endlich wohl auch wegen weltanschaulicher Nichtübereinstimmung, nicht entschließen, die Werbung anzunehmen.
Einige Jahre später, um die Jahrhundertwende, trat Tante Sophie dem katholischen Vereinsleben näher, indem sie sich für das Werk des hl. Philipp Neri – Patronagen für Dienstmädchen – gewinnen ließ, in dem sie dann mit ihrer gewohnten Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit an der Seite der Vorsteherin des Vereines, Frau Victoria Baronin Mac Nevin O'Kelly, welche sie sehr schätzte, bis zu ihrem Wegzug von Linz eifrig und erfolgreich als aktive Patronesse und als Schriftführerin mitarbeitete. Als solche verfasste sie u. a. die jährlichen Rechenschaftsberichte, die sie reich mit statistischem Material, das sie mit großem Fleiß zusammentrug, ausstattete. Auch verfasste sie ein Haushaltsbüchlein für die Schützlinge der Patronage, unter denen sie manche gewann, die ihr auch später noch in Treue und Dankbarkeit anhingen. Angelegenheiten dieses Vereines führten sie auch mehrere Male, das erste mal 1898, nach Wien, wo die Zentrale des Werkes war und wo Heinrich und ich damals auf den Hochschulen waren.
Leider trat um diese Zeit ein arger Rückfall in ihr altes Ischiasleiden ein, das sie zwang, die Badekur in Pystian (Slowakei) anzuwenden, wohin sie Tante Johanna in den Sommern 1900 und 190l begleitete. Da der erhoffte Erfolg ausblieb, wandte sie sich der Kneippkur zu, der sie sich 1903 und 1904 in Wörishofen unter der Leitung Dr. Alfred Baumgartens unterzog und einen vollen Erfolg erzielte, der bis in ihre letzten Lebensjahre anhielt.

Ich muss hier nachtragen, dass im gemeinsamen Leben der Tanten eine feststehende Arbeitseinteilung eingehalten wurde. Tante Johanna war das anerkannte Haupt der Familie, sie war oberste Instanz in der Wirtschaft, die sie auch selbständig leitete und die Verrechnung darüber führte. Sie repräsentierte auch als Hausfrau und insofern oblag ihr auch die Familienkorrespondenz zu hochoffiziellen Anlässen. Im übrigen war alles Schriftliche, die mit der Vermögensverwaltung zusammenhängenden Verrechnungen u.dgl. Sache der Tante Sophie, während Tante Marie die Hausarbeit, vorwiegend auch die Wäsche unterstand.
Tante Sophie führte einen regen und ausgedehnten Briefwechsel mit der gesamten Verwandtschaft und interessierte sich sehr für deren Zu¬sam¬menhänge, was sie auch zu diesbezüglichen Nachforschungen führte. Intensiv beschäftigte sie sich mit der Familienforschung, nachdem sie in Ebelsberg aus ihrem Linzer Patronage-Wirkungskreis heraus¬gerissen war und besonders, seit sie nach dem Tode ihrer Schwestern allein war. Ich habe schon einleitend auf Ihre Vorarbeiten hingewiesen, die mir die Verfassung der Anthoine- und Schidenhofen-Geschichte bedeutend erleichterte.
Leider konnte ich mich gerade zu jener Zeit fast nicht an ihren Arbeiten beteiligen, was besonders auch darum bedauerlich ist, weil ich doch noch manches, was sie als Tradition wusste, aus ihr hätte herausfragen und festhalten können, vorzüglich auch Daten aus ihrem und ihrer Schwestern Leben, die mir hier an dieser Stelle der Familiengeschichte nun sehr abgehen.
Diese Arbeiten brachten ihr eine kleine Ablenkung von den Sorgen, die ihr der durch die Inflation herbeigeführte Verlust des Vermögens brachte. Sie war auf eine kleine Gnadengabe und eine ebenso kleine Kleinrentnerunterstützung angewiesen. Soweit es ging, halfen meine Frau und ich, zu unserer Entlastung sprang mein Schwiegervater mit einer laufenden Unterstützung ein; ganz besonders generös aber erwies sich Vetter Paul von Anthoine in Wien, der ihr eine größere Unterstützung laufend zukommen ließ.
Ende der Zwanzigerjahre wurde Tante Sophie, die wieder oft über rheumatische Schmerzen klagte, immer unbeweglicher und der Weg zur Straßenbahn Ebelsberg-Linz und die Gänge in Linz ihr immer beschwerlicher. Besonders war dies im Winter 1930/31 der Fall, gerade damals konnte ich aber wenig zu ihr kommen, da mich die Vermögensauseinandersetzung im Hause Jax völlig in Anspruch nahm. Immerhin schien ihr Zustand keineswegs bedenklich. So kam denn die Nachricht, die Frau Antonie Uhl, eine in der Nähe wohnende Postbeamtenswitwe, die sich in der letzten Zeit sehr um Tante Sophie angenommen hatte, überraschend, dass Tante Sophie 1931 II 23 am Morgen einen Schlaganfall erlitten hatte. Ich konnte sie noch sprechen, sie legte ihre Beicht ab und erhielt in meiner Gegenwart die hl. Ölung; die hl. Kommunion sollte ihr, da sie damals wegen des Schlaganfalles nichts zu sich nehmen konnte, am hernächsten Tage, dem Maria-Verkündigungsfeste, gereicht werden, doch verschied sie an diesem Tage schon in den ersten Morgenstunden. Ihre Leiche wurde nach Linz überführt, woselbst von der Aufbahrungshalle aus das Leichenbegängnis stattfand; sie wurde wieder im Anthoineschen Familiengrab beerdigt.
Tante Sophie hatte sich nicht entschließen können, ihren Haushält aufzulösen und sich in ein Altersheim zurückzuziehen, wo sie von so vielen Wirtschaftssorgen und Verdrießlichkeiten frei gewesen wäre. Nun oblag mir als ihrem Erben diese Aufgabe, die sich bis Mai hinzog und viele alte Erinnerungsgegenstände zutage förderte, unter denen ich besonders die Anthoine- und Schidenhofen’schen Ahnenbilder erwähnen möchte, sowie einiges schönes Alt-Nymphenburger Porzellan und auch einige Stücke mit der berühmten Alt-Wiener-Marke.
Auch Tante Sophie hat sich meinem Bruder und mir, meiner Frau und Familie stets in gleicher Liebe und Sorge angenommen wie ihre Schwestern und es ist wohl am Platze, diesen Abschnitt der Familiengeschichte mit dem innigsten Dank an meine guten Tanten abzuschließen.

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